Agenda 2011
Die im Jahr 2011 bevorstehende 625-Jahrfeier der Universität wirft ihre ersten Schatten voraus: den Blick zum eigenen Bauchnabel gesenkt eröffnete heuer, am 9. Februar 2009, der Rektor eine Pressekonferenz, bei der Unileitung und Unterstützer Ausblicke auf die anstehenden Jubelfeierlichkeiten 2011 gaben und zur finanziellen Unterstützung aufriefen. Mit der Pressekonferenz ging ein Versuch den Hut herumgehen zu lassen online, der sich an Plumpheit wohl nicht allzuschnell übertreffen lassen wird.
Wie ein Blick auf die Homepage zeigt, erstreckt sich "Engagement" dabei nicht etwa auf bürgerschaftliches Engagement, democratic citizenship oder dergleichen, sondern vielmehr auf den Kontostand. Dass mensch auf dieser Basis auch schon einmal zu Würden kommt, hat die Ruperto Carola unlängst bewiesen: Webersche Thesen von protestantischer Ethik und dem Geist des Kapitalismus dürfen dabei als Begründung für Ehrendoktorwürden herhalten. Die Verkürzung Max Webers auf die These, dass mit Kapital zugleich Ehren angehäuft würden, entbehrt dabei selbstredend sowohl der Ehre wie der wissenschaftlichen Redlichkeit.
Zurückliegende Feierlichkeiten und die auf ihnen vorgetragenen Begründungsmuster zeigten bereits erste Brüche in den Vorstellungen von Wissenschaft und Hochschule. Mit der neuen Homepage und der heutigen Aktion wird offenbar, wie Ökonomisierungsprozesse sich zunehmends auch an der Hochschule ausbreiten. In der Tatsache, dass Rektor Eitel hier offenbar unter "Engagement" nur noch solches finanzieller Natur versteht, wird deutlich, von welchem "Geist" er durchdrungen ist.
Wohlgemerkt: es geht nicht um die Finanzierung der Feierlichkeiten 2011 - wievohl Anlass der Aktion, wird über ihre Finanzierung kein Wort verloren - sie scheint also gesichert. Vielmehr geht es um die Renovierung der Neuen Universität am Uniplatz - damit diese im Jubiläumsjahr wieder besser aussieht und der lebendige Geist aus ihr aus- - oder einzieht? Dieser Teil des Aufrufs bleibt etwas vage, klar ist nur: für die Aktion fehlen noch 5 Millionen.
Dass indessen gerade in der vorliegenden Situation der Hut herum gehen soll, darf niemanden zu ernsthaft verwundern. Ein Blick in Eitels Gesicht auf dem Foto der Pressekonferenz verrät es: Die Exzellenz macht Heidelberg zu schaffen! Verschiedene Gründe spielen hierbei eine Rolle.
Problem Profilbildung: Die Exzellenzinitiative bedeutet nicht schlichtweg einen "Geldsegen", wie zeitweise verkündet, sondern bringt Geld für ganz bestimmte Bereiche. Um die entsprechenden Bereiche zu "stärken" wurde in den letzten Jahren in diversen andern, meist kleineren Bereichen Raubbau betrieben. Dass kleinere Fächer wie Mittellatein gestrichen wurden (obgleich es sich bei diesem Fach um eine Disziplin mit herausragendem Ruf handelt) ist somit nicht Zufall, sondern "Profilbildung" (Die These, dass Exzellenzuniversität auch ohne diese ginge, wurde seitens des Rektorats durch eigenes Handeln wieder und wieder empirisch wiederlegt.)
Problem Nachhaltigkeit: Die im Rahmen der Exzellenzinitiative gewonnen zusätzlichen Mittel sind nicht komplett gedeckt. Ein Teil der Kosten ist finanziert, ein anderer noch durch die Fächer, die Fakultäten oder das Rektorat zu finanzieren - und wie die Stellen in 5 Jahren weiterfinanziert werden ist ungewiss. Um die Nachhaltigkeit der Exzellenzprojekte zu sichern, müssen folglich in anderen Bereiche Abstriche gemacht werden, um in 5 Jahren Geld für die Fortführung der Exzellenz zu haben. Nicht zufällig lagen in den letzten Jahren - und liegen auch jetzt noch - viele Stellen auf Eis und werden vakant gehalten oder "gestrichen" oder erst vakant gehalten und dann in einen anderen Bereich verschoben. Was sich im Zuge des daraus resultierenden Hin- und Herschiebens von Stellen ergibt, ist derzeit nicht mehr durchschaubar. Den meisten Lehrenden scheint dabei nicht einmal klar zu sein, dass die Sicherung der Nachhaltigkeit von Exzellenzstellen an vielen Stellen nicht etwa ohne weiteres gegeben ist, sondern Einschnitte an anderer Stelle - sprich: in der normalen Ausstattung - nach sich ziehen wird.
Finanzchaos: Nebst Nachhaltigkeitssicherung ergeben sich bei Berufungen im Rahmen der Exzellenzinitiative weitere Kosten. Das Geld hierfür ist jedoch nicht einfach so vorhanden und so kann es passieren, dass Professoren auch schon mal in Studiengebührenkommissionen um Gebühren betteln gehen, damit Exzellenzstellen mit Studiengebühren exzellent genug werden, dass die zu berufenden auch kommen; freilich nicht ohne ihr Ehrenwort zu geben, dass dies ein Einzelfall bleibt. Der Umstand, dass mit der Aktion "dem lebendigen Geist" offenbar Gelder - auch Kleinstbeträge - eingesammelt werden sollen und jüngst alle Angehörigen der Universität angeschrieben wurden und dabei ebenso um Spenden gebeten wurden, machen deutlich, was in internen Gerüchteküchen bereits die Runde macht. Da die Geldertransaktionen im Zuge der Exzellenzinitiative geheim sind, ist dabei schwer abzuschätzen, ob das Finanzchaos von größerem Ausmaß ist.
Raumnot: Was die gegenwärtige Situation noch ein klein wenig verschärft, ist der Umstand, dass für die Exzellenzstellen keine zusätzlichen Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Im Gegenteil: im Rahmen des Solidarpakt II hat das Land sich aus der Finanzierung von Bauvorhaben sogar noch weiter zurückgezogen. Entsprechend hat die Uni mit Problemen der Raumnot zu kämpfen - und diese wird auch noch verschärft durch weitere zusätzliche Stellen aus Studiengebühren. Dass man da gar kein Geld mehr hat, Vorlesungsäle zu renovieren (in denen die weniger exzellenten Lehrenden die größeren Mengen von Studierenden unterrichten), ist rasch klar.
Vor dem Hintergrund ist Eitels Agenda 2011, den lebendigen Geist zu beschwören, zwar immer noch nicht geistreich. Dennoch "Chapeau" einem Rektor, der vor versammelter Presse die Hosen fallen lässt.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 14.03.2009, 08.04.2009