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Editorial

Christiane hat uns Richtung Rußland verlassen, wir winken ihr mit Tränen in den Augen nach. Nach diesem schweren Verlust kämpfen wir so also zu viert mit den Widrigkeiten von Technik und den immer zu spät eintreffenden Artikeln.

Eben zum Beispiel hat die doofe Kiste hier einen Artikel über die Wagenburg geschluckt -- wenn er Euch nachher nicht gefällt, beschwert euch nicht bei Bianca, sondern schimpft unseren 'Puter.

Anderthalb Seiten haben wir für Hayek reserviert. Lest das, so Sachen wie das werden uns noch ziemlich Ärger machen.

Außerdem gabs letzten Donnerstag eine ausgesprochen amüsante und aufschlußreiche Veranstaltung; Peter Glotz, einer der ganz wichtigen SPD-Bildungspolitiker, und der allseits bekannte Herr Trotha gaben sich in der Aula ein Stelldichein und plauderten über ihre Ideen. Für alle, die diesen "Auftakt des Bildungswahlkampfes" (so die Landesastenkonferenz) verpaßt haben, ein paar Worte auch dazu.

Und überhaupt, die Hochschulreform. UNiMUT-LeserInnen, die sich schon immer gefragt haben, warum die UNiMUT rauf und runter von dem ganzen Käse schwatzt, erfahren es jetzt: Christiane hat uns vor ihrem Abschied noch ein nachdenkliches Vermächtnis hinterlassen.

Das ist natürlich noch lang nicht alles. Viel Spaß also beim Lesen.


Marmelade statt StudentInnen?

Wirtschaftlichkeitsprüfung an Universitäten

Im Auftrag der Landesregierung wurde im letzten Jahr eine Prüfung der Wirtschaflichkeit des Ressourceneinsatzes an vier Physik- und drei Germanistikfakultäten des Ländles vorgenommen. Beauftragt wurde das Beratungsunternehmen HAYEK-Engineering in Zürich. Der Abschlußbericht der Untersuchung liegt vor. Er enthält Unmengen von Untersuchungsdaten, Empfehlungen zum Personaleinsatz, zur Verwaltung, zu Lehre und Studium, zur Forschung, den Werkstätten und einges mehr. Ermittelt wurden die Daten über Erfassungsbögen, Personalfragebögen sowie in Gesprächen und Interviews. Bermerkenswert ist, daß HAYEK ohne Befragung von Studierenden auskommt und dennoch detailiert Maßnahmen zur Studienzeitverkürzung vorschlägt.

Klammern wir die Frage, wie sinnvoll es sein mag, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei einem non-profit-Unternehmen Hochschule durchzuführen, erst einmal aus, und werfen einen Blick auf die 277 Seiten (inklusive Marshall-, Verzeihung, Masterplan).

Um das Ergebnis der Prüfung vorwegzunehmen: HAYEK schätzt die durch ihre Empfehlungen erreichbare "Effizienzsteigerung" auf 4-6 Mio DM pro Jahr. Allerdings sollen diese nicht eingespart werden, sondern durch Umwidmung die Leistungsfähigkeit der Unis erhöhen.

Die Hauptschwierigkeit bei der Umsetzung der Empfehlungen sei "die starre, der Tradierung etablierter Zustände folgende Zuweisung von Ressourcen". Nötig sei, "der Bruch mit lange gepflegten Usancen" und "der Wille, überholte Traditionen aufzugeben". "Die Erkennung und das Ausschöpfen freier Kapazitäten bedingt eine Haltung, die nicht nach Argumenten sucht, warum als sinnvoll erachtete Veränderungen unmöglich sind, sondern bei der jeweils im Vordergrund steht, welche Voraussetzungen jeweils zu schaffen sind, und Verbesserungsmaßnahmen wirkungsvoll umzusetzen". Den Ausweg aus dem hierfür verantwortlichen Professorenklüngel sieht man nicht etwa in einer Stärkung demokratischer Strukturen an der Uni, sondern in "Führung" - durch einen Starken Dekan.

Da die ProfessorInnen laut Eigenangaben über 50 Stunden pro Woche arbeiten, hält HAYEK sich, offenbar beeindruckt, mit Empfehlungen, z.B. zum Lehrdeputat, zurück.

Einschneidender sind die Empfehlungen beim Mittelbau (akademische RätInnen und wissenschaftlicher Dienst): Die Untersuchung ergab, daß ein großer Zeitanteil für eigene Forschung aufgewendet wird. Da diese im Unigesetz nicht vorgesehen sei, schlägt HAYEK eine Erhöhung des Lehrdeputats von 8 auf 12 - 16 Stunden vor. Eine Untersuchung der Auswirkung auf die Forschung wird nicht vorgenommen; erreicht werden soll eine Verbesserung der Betreuungsrelation im Studium. Es wird nicht berücksichtigt, daß Forschung und Lehre nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Darüber hinaus wirkt sich Lehre, die aus der Forschung inspiriert wird und von Lehrenden durchgeführt wird, die durch Forschung motiviert sind, positiv auf die Qualität der Veranstaltungen aus.

HAYEK empfiehlt eine Begrenzung der Stundenzahlen von Hiwis auf 45 Stunden, um eine Bezahlung von DoktorandInnen mit HiWi-Mitteln zu verhindern. Jene sollten statt dessen besser aus anderen Quellen finanziert werden, z.B. aus Drittmitteln. Die Folgen des daraus resultierenden Rückgangs von Promotionsstellen werden nicht untersucht. Die grundsätzliche Problematik, daß Förderung mit Drittmitteln nicht immer themenunabhängig ist, sei hier nur angemerkt.

Zu guter Letzt wird für fast alle Personalbereiche eine größere Flexibilisierung empfohlen, d.h. möglichst wenig Dauerstellen. Die Damen und Herren ProfessorInnen sind hiervon allerdings ausgenommen.

Da wir nicht ganz sicher sind, ob die Ausgaben für den Bericht sinnvoll waren, und andererseits nicht nur im Repräsentationsetat des Rektorats Einsparungen effizient wären, halten wir eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Bericht für nötig.

Hierzu konnten wir den Kanzler der Universität, den Leiter des Dezernats 4 der Univerwaltung (Haushalts- und Finanzangelegenheiten,...), einen Vertreter des akademischen Mittelbaus, des Rektorats und der Fakultät für Physik gewinnen. Termin: Donnerstag, 10.Feb., 19.15 Uhr, Neue Uni

Michael, Evelin, Kirsten

Der Bericht kann - kostenlos - beim Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Referat Presse- und Öffentllichkeitsarbeit, Königstr. 46, 70173 Stuttgart angefordert werden.

S. 132: "Der konkrete Punkt ist, ob die Veranstaltungsform (also die inhaltliche und methodische Gestaltung) dem geschützten Kernbereich der Lehre zuzurechnen ist oder ob sie gegebenenfalls im Handlungsbereich der zuständigen Univeritätsorgane liegt [...]"

S. 78: "Unter Führung wird nachfolgend die Möglichkeit verstanden, wirksam Einfluss zu nehmen auf Veränderungen von Arbeitsinhalten im Rahmen der Fakultät und der zugewiesenen Stellen. Voraussetzng sind entsprechende Organisationsformen mit klaren Unterstellungsverhältnissen und der Ausstattung des leitenden Personals mit entsprechenden Kompetenzen."

S. 13: "Primärziel dabei war eine effizienz-orientierte Analyse der Wirtschaftlichkeit der zu untersuchenden Einheiten, um damit Möglichkeiten von Aufwandoptimierungen aufzuzeigen; qualitative Gesichtspunkte sollten aber bei der Untersuchung nicht ausgeschlossen werden.

Ha jo - Ha yek

Sie haben es also geschafft, die Consulter von Hayek Engineering aus Basel: Ein dicker blauer A4-Wälzer beschreibt die Übel wenn schon nicht des ganzen Uniwesens, dann doch einiger ausgewählter Fachbereiche, darunter Physik hier in Heidelberg und Germanistik in Mannheim. Ob das Geld, das die Landesregierung in Stuttgart für diese sogenannte Wirtschaftlichkeitsprüfung hat springen lassen, gut angelegt war, darf noch bezweifelt werden. Denn auch wenn es an Zahlen nicht mangelt, sonderlich kreativ war die "Projektgruppe" (zumindest in Begriffen treffen sich Ökos und Stopper, wie überhaupt gerade die Sprache des Berichts auf der Zunge zergeht) offenbar nicht, als es daran ging, was aus den Zahlen zu machen - schon deren platte Interpretation ist häufig fragwürdig, wenn etwa aus dem Verhältnis der Neustudis 1985 zu den AbsolventInnen 91 auf die Zahl der StudienabbrecherInnen geschlossen wird.

Die Zahlen jedenfalls reichen Hayek, um festzustellen, daß Raum und Geld reichen, beinharten Handlungsbedarf gibts erst bei Studium und Prüfungen. Da ist die "Drop-Out-Quote" zu hoch, will sagen, zu viele Leute studieren zu lang Sachen, ohne dann auch die Abschlußprüfung zu machen. Um da was zu ändern, empfiehlt Hayek erstmal Aufklärung in den Schulen, irgendwie wird mensch den Kiddies schon klarmachen können, daß Uni so toll nicht ist, dann aber vor allem gnadenlose "Qualitätsfilter" - offenbar steht auch in Basel das Wörterbuch des Unmenschen in Griffweite vom Computer - insbesondere in Form studienbegleitender Prüfungen. Eine nette Begleitung, die unsereins da so kriegt, sofern er/sie genug Qualität hat, und vermutlich hat mensch sich das auch vorgeschlagene "coaching", das meint "systematische" Betreuung durch Lehrende, ganz ähnlich vorzustellen. Damit "Transparenz und die Planbarkeit des Studiums" (nicht für Studis, darf mensch vermuten) bei alledem nicht zu kurz kommen, sollen die "obligatorischen Studienanteile" erhöht werden, sprich,

das Ministerium stellt einen feinen Stundenplan zusammen, und die Studis kriegen leuchtende Augen.

Ein konkreter Vorschlag sieht dann etwa so aus, daß die Proseminare bei den Germanisten abgeschafft gehören, weil die Erstemester eh noch zu doof sind für sowas und den Profs nur Arbeit machen. Stattdessen solls eine richtig schöne Vorlesung geben, wir sprechen von einer "Großveranstaltung", und eine satte Klausur danach.

Bei der würde Hayek gut abschneiden, der weiß nämlich alles, spätestens, seit die Profs seine Fragebögen ausfüllen durften. Und drum kann der Bericht auch gratis und ungefragt obendrein geben, daß die Gammelstudis ein großes Problem sind, das endlich mal und ganz dringend angegangen gehört; dafür brauchts aber bei den Unis den "mental turn around", zupackender müssen sie halt werden, was ja regelrecht nach mächtigen Dekanen mit langen Amtszeiten ruft. Hayek stellt sich da Profs vor ihrer Emeritierung vor, zweifellos ein großer Fortschritt im Hinblick auf ganz neue Konzepte an der Uni. Vielleicht werden ja auf die Weise die Unis auch erwachsen. Im Augenblick sind sie es nämlich nicht und verklüngeln alles nur, wenn ihnen nicht hin und wieder ein paar Instanzen auf die Finger klopfen, und drum sind auch Globalhaushalte eine ganz schlechte Idee.

Ein Bonbon zum Schluß läßt ahnen, was den Brüdern vorschwebt, sie verbreiten sich nämlich darüber, wie sie diese tiefgreifende Strukturreform umzusetzen gedenken: Matrixorientiert. Ernsthaft, das steht so drin. Aber eigentlich ist die Idee ja, daß ein Lenkungsausschuß dem Ministerium untersteht und eine Oberprojektleitung unter sich hat, die wiederum die Teilprojektleitungen koordiniert, und erst diese sind dann am "operativ leiten". Natürlich brauchts jede Menge "außenstehende Fachkräfte", um so viel Leitung auch kompetent auf Reihe zu kriegen. Aber macht nichts, wir wissen ja, wo wir die herkriegen.

So, wie sich die konzeptoiden Ansätze im Buch anhören, werden das alles ziemlich sichere Pöstchen sein. Das ist doch auch ein gutes Fazit: Danke für einen wahrhaft mutigen Beitrag zur Linderung der AkademikerInnenarbeitslosigkeit, Herr Hayek.


Gedanken zur Hochschulreformdebatte

Zu der gegenwärtigen Hochschulreformdebatte fällt mir auf, daß beide Seiten zwar immer noch heftig gegeneinander polemisieren und sogar miteinander diskutieren, aber sich bis jetzt noch keine Seite die Mühe gemacht hat, sich einmal in die Position der anderen hineinzuversetzen. Meiner Meinung nach würde dies sowohl der Verständigung und der Glaubwürdigkeit dienen, als auch eine Auswegsmöglichkeit aus der momentanen Situation unserer Diskussion darstellen.

Seit Beginn der Debatte wälzt ein kleiner, weitgehend gleichbleibender Personenkreis immer wieder dieselben Argumente im Kreis herum - relativ abgehoben von der Basis und der Praxis. "Neue" passen sich aufgrund unsereres offensichtlichen Diskussionsvorsprungs und des Bombardements mit Infos meist schnell (unreflektiert?) der "Mehrheitsmeinung" an.

Ich habe versucht, mich einmal in die Situation der Bevölkerung außerhalb der Universität hineinzuversetzen. Das Ergebnis sind folgende vermutlich "ketzerisch" erscheinende Überlegungen zur Hochschulreformdebatte:

Ich denke, daß es mit unseren gegenwärtigen Argumenten schwer sein dürfte, jemanden, der z.B. die Hauptschule absolviert hat und mit 15 einen Beruf ergreifen mußte, in dem er/sie seitdem arbeitet, klarzumachen, warum wir für ein langes Studium sind. Ich denke zum Beispiel an die Argumente von Prof. Grottian, wie "Warum soll man die schönste Zeit des Lebens verkürzen?"

Oder auch Argumente in Bezug auf Selbstverwirklichung - warum geht das nur durch langes Studium?Warum nehmen wir uns das Recht heraus, uns auch mit z.B. 24 noch nicht entscheiden zu wollen/zu müssen, was wir nun wie studieren wollen. Und das alles - und das ist nun mal in einem Großteil der Fälle die Realität - bezahlt von denen, die sich früher entscheiden mußten!

Dazu kommt - sicher nicht in allen, aber doch in vielen Fällen - der ziemlich hohe Lebensstandard von uns Studierenden. Wer hat so viel Urlaub - und kann sich - auch dank Studiermäßigung - so viele Reisen leisten wie unsereins? Das unpopuläre Argument mit den Kinos und Kneipen (und Autos etc.) sei hier auch nochmal aufgewärmt...

Ich möchte nun mitnichten den Studierenden die Berechtigung zu einem "schönen" Leben absprechen - die meisten schuften ja zum Ausgleich auch ganz gut in der Uni - aber ist es nicht auch verständlich, daß beispielsweise eine Krankenschwester oder ein Schreinerlehrling mit ihrem Lehrlings- oder Anfangsgehalt schwer nachvollziehen können, daß wir immer mehr Zeit und Geld fordern können und uns über den Vorwurf, die Vergünstigungen auszunutzen, aufregen. Viele davon haben weniger Geld als wir, arbeiten mehr (ein Acht-Stunden-Arbeitstag haut einen stärker um als fünf Stunden Uni plus Arbeit zuhause mit dreimal Kaffeetrinken dazwischen...), haben diese Vergünstigungen nicht... und finanzieren uns mit.

Es herrscht schon ein gewisses "Anspruchsdenken" unter uns Studis! Dazu gehört auch, alles gleichzeitig haben zu wollen - Kind, Studium, ein "schönes Leben", Selbstverwirklichung... Es ist nicht abzustreiten, daß dieses Anspruchsdenken eine Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft geworden ist und daß gerade die Generation (PolitikerInnen), die sich jetzt bei uns darüber aufregt, uns das vorgelebt und anerzogen hat - wir sind zu einem großen Teil mit solchen Vorstellungen aufgewachsen.

Trotzdem wäre es meiner Meinung nach an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, inwieweit diese Ansprüche berechtigt oder auch im Sinne des "Gemeinwohls" sinnvoll sind!

Ganz böse gesagt erscheinen mir wir Studis machmal wie die Bourgeoisie zur Zeit eines Louis XIV, die, egal wie die gesamtgesellschaftliche Situation gerade ist, auf ihren Privilegien beharrt und nicht einen Moment in Frage stellt. Mit dem Unterschied allerdings, daß wir allen ermöglichen wollen, in diese Situation zu kommen (Wer stützt das ganze denn noch durch seine Arbeit und seine Steuern? - Wer hätte das Leben der Bourgeoisie finanziert, wenn alle Bauern und Handwerker Bourgeois geworden wären? - Sie wären vermutlich über kurz oder lang alle wieder Bauern geworden...!).

So fortschrittlich das klingt, alle an die Unis lassen zu wollen - werten wir damit nicht die Nichtstudierten immer mehr ab? Wenn ihre Ausbildung der unseren gleichwertig ist, warum sollen sie denn dann alle studieren? Somit sagen wir also indirekt, daß wir Studierten etwas besseres sind! Statt daß wir versuchen, in der Gesellschaft ein Umdenken dahingehend zu bewirken (ich weiß, daß das sehr idealistisch ist), daß Nichtstdierte genauso anerkannt sind wie wir!

Nichts gegen die Forderung, die Uni für alle zu öffnen, die ihren Fähigkeiten gemäß dafür geeignet sind (das ist nicht diskrimierend gemeint, aber es gibt nun mal unterschiedlich gelagerte Begabungen) (evtl. auch ohne Abi) - nur sollte man über die Implikationen nachdenken, die in der Art, wie diese Forderung gestellt wird, enthalten sind!

Zum Schluß komme ich noch zu einem weiteren "altmodischen" Begriff, der mir zur momentanen Reformdebatte einfällt: Verantwortung!

Ich habe das Gefühl, daß viele von uns nicht mehr bereit sind, Verantwortung - für das eigene Leben und für andere - zu übernehmen.

Das klingt vielleicht absurd angesichts des Engagements in allen möglichen Initiativen oder Gruppierungen - aber es gibt zum Beispiel auch Veranwortung im Sinne von "Meinen Teil zum Funktionieren unseres Gesellschaftsmodells beitragen", Verantwortung für das eigene Leben im Sinne von "Den Sprung ins kalte Wasser wagen und versuchen, mir eine Zukunft aufzubauen, in der ich eigenständig leben kann"...

Wenn jemand unsere Gesellschaft soweit ablehnt, daß er sie nicht stützen will und also dies nicht seine Alternativen sind, so kann er meiner Meinung nach auch nicht für sich in Anspruch nehmen, von ihr zu leben!?!

Ich will mit dem ganzen natürlich nicht sagen, daß wir den Forderungen unserer PolitkerInnen total zustimmen sollten - ich wollte nur dazu aufrufen, sich auch einmal die Position von Nichtstudierten klarzumachen, und vor Augen zu führen, daß auch ihre Argumente eine gewisse Berechtigung haben und wir nicht immer nur von unseren "Elfenbeinturm" aus argumentieren sollten!

Ein bißchen Selbstkritik - und auch Selbstbeschränkung !- ist nicht immer fehl am Platz! (Wir fordern es ja schließlich auch von unseren sozialabbauenden PolitikerInnen)

Was noch?

Ich finde, daß wir uns auch dadurch positiv von unseren PolitikerInnen abheben sollten, daß wir nicht immer nur "ideologischen Überbau" und viele "Propagandaaktionen" machen, sondern unseren hilflosen "Reformieren" auch einmal mit konkreten - ganz konkreten - Vorschlägen unter die Arme greifen!

Mit der Menge an Basis, die wir im Moment ja sogar haben, könnten wir zum Beispiel einmal alle Fachbereiche inhaltlich, strukturell, etc. genau unter die Lupe nehmen und - natürlich ohne den Blick auf das Fernziel und den ideellen Überbau zu verlieren - ganz konkrete, nah realierbare Vorschläge machen, wie Verbesserungen zu erzielen sein. Pläne, wie wir uns konkret die reformierte Hochschule vorstellen, würden sicher besser ankommen als nur ständige Verteidigung gegen die Vorschläge der PolitikerInnen etc. und "Überbaugelaber".

Kommentar 1: Liebe Christiane,

Du sprichst von zwei Seiten, führst sie aber nicht näher aus. Nach meiner Einschätzung ist der "Frontenverlauf" aber ohnehin nicht zwischen zwei Gruppen auszumachen, beispielsweise zwischen Studierenden und ProfessorInnen, zwischen Universitäten und Ministerien, selbst nicht zwischen ReformgegnerInnen und BefürworterInnen. In der Öffentlichkeit, die auf ein einfaches Schwarz-weiß-Schema eingestellt ist, mag das punktuell so erscheinen, die Realität ist komplexer. Es gibt nur noch meist instabile Bereichskoalitionen zu speziellen Fragen - und noch mehr Gruppierungen als die oben genannten.

Kirsten

Kommentar 2

Christianes kritische Überlegungen haben sicher in mehrfacher Hinsicht ihre Berechtigung. Ich stimme ihr vor allem in zwei Punkten zu:

1. Wir polemisieren zu viel und machen zu wenig konkrete Vorschläge. Dabei ist jedoch hinzuzufügen, daß eine Kommunikation bei entgegengesetzter Zielsetzung fast unmöglich ist: Da bleibt oft nur noch das Schreien, das letztendlich zwar wenig effektiv ist, aber einen Widerstand demonstriert, der zu konsequentem Verantwortungsbewußtsein dazugehört.

2. Wir Studierende müssen unsere Diskussionsform überdenken und verbessern.

Wir berufen uns in unserer Argumentation mit Recht auf grundlegende Werte, doch gerade deswegen dürfen wir die gesamtgesellschaftliche Perspektive nicht vernachlässigen. Beschränken wir die Debatte nur auf uns, geben wir der Gegenseite in dem Argument Nahrung, ausschließlich um eigene Privilegien zu kämpfen. Einem Transparent "Wissen ist Macht, freie Bildung für alle" liegt zwar ein richtiger Gedanke zugrunde, doch trifft es - wenn wir die ganze Diskussion konstruktiv beeinflusssen wollen - den Nagel nicht auf den Kopf. Bei der Forderung um Gleichberechtigung kann es nicht darum gehen, einen akademischen Abschluß über einen anderen zu stellen. Wir können im Kampf gegen die "Verwirtschaftlichung" unseres Studiums nur dann glaubwürdig erscheinen, wenn wir gleichzeitig für eine Aufwertung der anderen gesellschaftlichen Gruppen plädieren - was natürlich auch die Forderung nach Einkommensnivellierung miteinschließt.

Doch regt sich in gewisser Hinsicht bei mir auch Widerspruch gegen Christianes Darstellung.

Ist es nicht auch ein elitärer Gedanke, zu glauben, daß wir Studierende ein generell wünschenswertes Leben führen, während die Azubis durch die Reihe ausgepowert und unglücklich sind? Sind sie im Vergleich zu uns wirklich so arm dran? Wie viele sind sich nach der Schule sicher, sich bloß nie wieder das Hirn verrenken zu wollen, belächeln die intellektuellen Idealisten mit mitleidiger Herabgelassenheit und freuen sich darüber, sich vom selbst verdienten Geld ein eigenes Auto leisten zu können! Wie viele wählen ganz bewußt die Sicherheit und den Konsum, statt sich jahrelang mit Geistigkeit auseinanderzusetzen und letztendlich womöglich doch in der Arbeitslosigkeit zu landen. Sind viele nicht gar zu beneiden, die sich auf ihr freies, echt verdientes Wochenende freuen können, während wir uns ständig mit einem schlechten Gewissen herumplagen, weil wir doch eigentlich noch das lesen und jenes lernen müßten? Bedeutet es nicht auch eine Annehmlichkeit, einen klar strukturierten Alltag zu haben und sich nicht ständig zu Selbstdisziplin und Selbstverantwortung ermahnen zu müssen? Und was den Urlaub betrifft: Manche ziehen einem drei-monatigen,unbequemen Interrail-Trip einen kurzen Strand-Urlaub in Mallorca gerne vor und haben dabei durchaus nicht das Gefühl, zu kurz zu kommen.

Ich frage mich: Sind es tatsächlich diejenigen, die in der Lehre stecken, die sich über unser "Anspruchsdenken" aufregen, oder sind es nicht eher die BildungspolitikerInnen, die Kontroversen schüren, wo sie vielleicht gar nicht vorhanden sind? Es ist sicher nicht zu leugnen, daß bestimmte Ausbildungen (gerade im sozialen Bereich) mit unzumutbaren Benachteiligungen verbunden sind. Doch das ist eine ganz eigene Problematik. So sehr das Anspruchsdenken der westlichen Gesellschaft anzugreifen ist: Es ist mit Sicherheit kein gruppenspezifisches Phänomen.

Bianca


Die Kritischen Tag 26.-28. Januar 94

Der Leserinnenbrief

Wie so oft quälte ich mich auch eines Mittwochs morgens aus dem Bett und begab mich in halb schlafwandelndem Zustand auf den Weg zur Uni.

Diesmal sollten meine müden Glieder sich jedoch nicht in ein von grauer Theorie berrschtes Seminar schleppen, sondern ich schlufte mit der Ambition, wieder "spielen zu lernen" einer Veranstaltung der kritischen Tage am EWS entgegen. "Spielend wieder spielen lernen" war der Workshop betitelt und sollte Theater, Pantomine und Improvisation beinhalten.

Meine verschlafene Müdigkeit und noch etwa 25 Gleichgesinnte fanden sich bald einem jung-dynamischen und wachen Team von Hobby(schau)spielerInnen ausgesetzt, ein letztes Gähnen und eine wehmütige Erinnerung an mein warmes, warmes Bett, dann hüpfe ich schon durch die Gegend, laufe auf den Fußinnenkanten hin und her, erkunde den Raum, mache Stimm- und Atemübungen, lausche den Instruktionen unserer engagierten BetreuerInnen, üben Aufmerksamkeit... und tatsächlich stellt sich diese auch ein. Bin ich froh, heute Morgen auf meinen Wecker gehört zu haben und jetzt in einer Gruppe von theoriemüden Studis eine anregendere Art der Erfahrung als das Unialltagswissen zu erleben. Improtheater heißt das, worauf wir uns langsam zubewegen und erweist sich als ein spontanes, kreatives, spielerisches Erkunden von fiktiven, z.T. sogar surrealistischen Handlungsspielräumen. Trotz allem - Pantomime will gelernt sein. Renne ich doch da geradewegs durch die Mauer, die ich gerade gebaut habe: ein typischer Anfängerfehler...

Na ja. Ich werde noch an den zwei darauffolgenden Tagen Gelegenheit haben, meinen neu entfachten (Schau)spieltrieb weiter unter fachkundiger Leitung auszuleben. An dieser Stelle ein ganz großer Dank an die "halbprofessionellen" Teamer (Stephanie, Isolde, Stefan, Sabine) für ihre Mühe und Geduld, dem sich sicher auch die meisten anderen TeilnehmerInnen anschließen werden, wie sich aus den angeregten Kaffeepausenkonversationen und der allgemein euphorischen Stimmung schließen läßt.

O gäbe es doch mehr solch alternativ-kreativ-spontan-spielerisch-explorativ-persönlichkeitsbildende Seminare!

Hoffentlich in nächsten Jahr noch einmal!

Vielen Dank auch an alle anderen OrganisatiorInnen der kritischen Tage.

Die Kritischen Tage 26.-28.Januar ´94

Der Rückblick:

Voller Erfolg könnte man sagen.

Gedankt sei allen, die sich seit Anfang des Semesters wöchentlich trafen, Themen festzulegen, ReferentInnen zu suchen, Räumlichkeiten zu organisieren, Werbung zu betreiben.

Gedankt sei auch den TeilnehmerInnen, die sich für ein paar Stunden lossagten vom ach so herrlich geregelten Unialltag, die Veranstaltungen besuchten, welche in keinem Vorlesungsverzeichnis stehen, für die es auch keine Scheine gab.

So wurde einerseits gespielt und improvisiert, wurde die Videoaufzeichnung der Podiumsdiskussion mit Trotha, Ulmer und Kirsten analysiert, wurde heftig über Gewalt in Antifa-Aktionen diskutiert.

Oder es wurden die Ergebnisse der Umfragen am psychologischen und soziologischen Institut vorgestellt, wurde inter-medial projeziert und einem Vortrag über ein Entwicklungsprojekt oder über Zivile Einmischung gelauscht.

In den Pausen erfüllte sich das Cafe Gisela im EWS mit regem Treiben, wie auch der Bücherstand der Autonomen Antifa HD bevölkert und sich das Leben mit Kaffeetrinken leicht gemacht wurde - auf Ulmer komm raus.

Dank sei aber auch den Instituten, die uns Räume und Einrichtungen zur Verfügung stellten.

Drei Tage also, die schließlich ausklangen in einem rauschenden Feste einer kleinen, aus den TeilnehmerInnen der Veranstaltungen bestehenden Schar. Ohne Anlage oder Band und doch bis in die frühen Morgenstunden währte das Nachfragen und Weiterspinnen von Gehörtem, Gespieltem und Gesehenem.

Dort meinte ich auch den flehenden Wunsch an die kommenden Veranstaltenden vernommen zu haben, die Kritischen Tage doch auch im nächsten Jahr wieder aufleben zu lassen.

Wir werden sehen...

Andreas

P.S.: Für all diejenigen, die aufgrund der schon beinahe beängstigenden Anzahl an TeilnehmerInnen am Planspiel zur Studienreform nicht teilnehmen konnten wird derzeit noch ein Ausweichtermin gesucht.


Partizipation - jetzt

Da wir ja nicht repräsentativ sind, bitten wir alle, die sich für repräsentativ halten, sich zu repräsentieren: das Rektorat erwägt die Einführung eines Rauchverbots in der Neuen Uni. Bis jetzt gibt es schon ein Rauchverbot für die Hörsäle; dies soll jetzt auch auf die Gänge ausgeweitet werden, so daß die RaucherInnen ins Freie gehen oder in eine extra für sie eingerichtete Ecke geschickt werden müssen. Die FSK soll eine Stellungnahme dazu abgeben. Repräsentative Kommentare hierzu werden im ZFB entgegengenommen oder, wenn sie repräsentativ genug sind,könnt ihr sie direkt ans Rektorat schicken.

Computer - elektronische Post - und was dazugehört...

Wer mal die Computern im Rechenzentrum benutzt hat oder vielleicht schon mal von Computernetzen gehört hat, weiß, daß Computer vernetzt sein können. Diese Idee hat sich natürlich weltweit herumgesprochen und so sind die meisten Computer an Universitäten (die an einem Computernetz hängen) vernetzt. D.h. von den Computern in den Rechenzentren lassen sich Nachrichten in alle Welt verschicken.

Das Computernetz, um das es sich hier dreht, heißt "Internet". Dieses Netz verbindet über Standleitungen, Glasfaserkabel und andere Verbindungen die einzelnen Computer. Jeder Computer hat in diesem Netz eine Adresse, die u.a. Teil der persönlichen Adresse eines Benutzers ist. Und damit ist ein wichtiges Problem angesprochen - um dieses Netz nutzen zu können, braucht mensch i.d.R. eine Adresse auf einem Computer, der am Netz angeschlossen ist. Dieses ist nun für alle Studierenden der Universität Heidelberg möglich, wenn Ihr Euch an das Rechenzentrum wendet (An die Herren Eng, Stede, Schmidt, Völkering oder Urlichs, am Mo, Mi und Fr. von 13-14 Uhr)

Damit stehen Euch nicht nur die privaten Nachrichten, d.h. Mail, zur Verfügung sondern auch "News", d.h. öffentliche Bretter, die jedeR lesen kann, der oder die diese Bretter abonniert hat. Zur Zeit gibt es ca. 4000 Newsgruppen, also macht Euch keine Hoffnungen, alles lesen zu können. So gibt es mehrere Bretter z.B. zu Raumschiff Enterprise aber auch politischen Themen wie Bildung (de.soc.studium, alt.de.studienreform) oder Naturschutz, auch Amnesty International hat dort eigene Bretter, auf denen z.B. urgent actions angekündigt werden.

Weitere Internet-Dienste sind etwa telnet, ftp und gopher ; diese dienen dazu, auf mehr (telnet, ftp) oder minder (gopher, www) kryptische Weise Kontakt zu Rechnern (und damit Menschen) in der Welt aufzunehmen und von dort Infos oder Programme zu "ziehen"

Die Fachschaftskonferenz der Universität Heidelberg hat inzwischen eine eigene Mail-Adresse, nämlich "fb5@ix.urz.uni-heidelberg.de". D.h. wir sind der Benutzer "fb5" (daß das so eine komische Nummer ist, liegt an der Vergabepraxis des Rechenzentrums, nicht an uns) auf dem Rechner "ix" im Unirechenzentrum "urz" der Uni Heidelberg "uni-heidelberg" in Deutschland "de". Im Rechenzentrum ist es egal, auf welchem (Unix-)Computer mensch sich einloggt, alle hören auf den Namen "ix". Auch über ftp besteht die Möglichkeit, z.B. den UNiMUT zu beziehen. Dazu muß mensch sich mit ftp auf dem Rechner "ftp.uni-heidelberg.de" einloggen als Benutzer (login) "ftp". Ein Passwort ist nicht notwendig, stattdessen ist die eigene Mail-Adresse anzugeben. Dort findet sich im Verzeichnis "/fsk" u.a. der UNiMUT oder auch Artikel zur Studienreform (im Gegensatz zu DOS benutzen die Computer im Internet das "/" als Trennzeichen für Verzeichnisse statt "\")

Über Computer und Computernetze kann mensch sich natürlich großartig streiten, wie sinnvoll oder wie schädlich der Umgang mit ihnen ist. Allerdings sollte mensch sich schon ein eigenes Bild machen können. Andererseits können Netze natürlich auch gerade in unserer schnellebigen Zeit eine - ebenfalls schnelle (und erstmal kostenlose) - Kommunikationsmöglichkeit und Informationsquelle bieten.

André Fachat


Hinterm Horizont

Nachdem die Hoffnung schon fast aufgegeben war, hat die in ihrer Existenz bedrohte Wagenburg Aussicht, einen eigenen Platz pachten zu können: Das Angebot eines Bauern, Privatgelände zur Verfügung zu stellen, kam buchstäblich in allerletzter Minute. Die Zwangsräumung war für den 24.1. angesetzt. Der betreffende Platz erfüllt die Bedingungen wie Strom, Wasser, Abwasserentsorgung und grenzt direkt an ein Wohngebiet an, so daß das Argument, nicht zur Bebauung freigegebenes Gelände zu besiedeln, keine Geltungskraft mehr hat. Nun kann die Stadt zeigen, inwiefern sie dem Versprechen nachkommt, bei Erfüllung der Forderungen die Genehmigung zu erteilen. Allerdings scheint auch hier eine Anhörung der AnwohnerInnen unerläßlich. Doch jetzt wird auch dieser Stein die WagenburglerInnen nicht mehr zum Stolpern bringen!

Ganz nebenbei wurde auch noch der Prozeß gegen v. d. Malsburg gewonnen. Grund zur Freude!

Wir drücken den WagenburglerInnen fürs Weitere fest die Daumen!

Bianca


Leere Stühle und kaputte Mikrophone

Ja, was Christiane im letzten Unimut über die Medienpräsenz als Lösung all unserer Probleme geschrieben hat, scheint der Wahrheit zu entsprechen: Auch bei der Podiumsdiskussion am letzten Donnerstag mußten sich unser heißgeliebter Herr Trotha (CDU) und sein Kollege Peter Glotz (SPD) mit einem halbleeren Saal begnügen und das, wo sie sich nun voller Energie in den Wahlkampf stürzen. Ohne Fernsehen und ohne Eintrittskarte hatten nur wenige Lust, sich erneut (?) eine Diskussion über Bildung anzutun. Demonstrativ streikten auch die Mikrophone - da konnten selbst die verantwortlichen Fachmänner vom Omniphon-Referat wenig ausrichten: Ein Kabel war locker. Schließlich mußte der Hausmeister die Situation retten. Die Themen des Abends: Hochschule in der Gesellschaft, Forschungspolitik und Ver- und Entstaatlichung. Die Moderatorinnen Christiane (von Unimut) und Annette aus Stuttgart gaben sich redlich Mühe, die Stimmung (diesmal ohne Zwischenrufe) durch Assoziationsspiele aufzulockern. Mit auf dem Podium saß das Vorstandsmitglied des FZS (Freier Zusammenschluß von StudentInnenschaften) Stefan Haux, der offensichtlich nur wenig Lust zu einer heftigeren Auseinandersetzung hatte.

Bianca

Kommentar zur Podiumsdiskussion:

Eins muß man ihm ja lassen, dem Herrn von Trotha: Verkaufen kann er sich. Auf den ersten Blick macht er den Eindruck eines gutmütigen Onkels, der Segen über seine Landeskinder bringt. Man könnte ihm das fast abnehmen, wären da nicht solche Bemerkungen wie die mit der "Elfenbeindiskussion" beim Lokaltermin mit Südwest 3, die er gar nicht besser hätte plazieren können. Oder etwa, daß er in der letzten Diskussionsrunde am Donnerstag, als es um die Mittelzuteilung an die verschiedenen Fachbereiche ging, mal eben so nebenbei erzählte, daß er es für richtig halte, die "Guten" zu belohnen und die "Schlechten" zu bestrafen. Das würde dann heißen, daß erstere (noch) mehr finanzielle Unterstützung erhalten, während den letzteren der Geldhahn (noch) mehr zugedreht wird. Frappierend war auch die Begründung dafür. Das sei eben so: die "Schlechten" seien ohnehin ein Faß ohne Boden, während die "Guten" jeden Pfennig in Leistung umsetzen.

So sieht das halt aus in unserem "Sozialstaat", und die spärlichen Proteste nach dieser Darlegung lassen ahnen, wie weit man sich an diesen Zustand schon gewöhnt hat.

Was ist eigentlich der Sinn dieser Diskussionsrunden mit Herrn v. Trotha? Diskussion bedeutet doch eigentlich, daß Personen oder Gruppen mit verschiedenen Standpunkten bezüglich eines Themas zusammenkommen, um einen Konsens zu finden.

Dienen die Diskussioenn mit Trotha diesem nicht nur dazu, das Image eines gesprächsbereiten Politikers aufzubauen und zu festigen, während die Studierenden sich an seinen, wenn auch immer etwas anders formulierten, aber dennoch immer gleichen Argumenten die Köpfe einrennen? Sind solche Diskussionen (und vor allem, wenn das Fernsehen dabei ist) nicht einfach willkommene Szenarien, um klarzumachen, wer hier in diesem Land was bestimmt und daß die Studierenden trotz allen (?) Engagements da ganz bestimmt nichts zu melden haben werden?

Man kann nur hoffen, daß sich nicht allzu viele vom Geschwätz des guten Onkels einlullen lassen, und daß Trothas Vorhersage, er rechne nicht mit Widerstand (die er übrigens auf die Nachfrage "Womit rechnen Sie nicht?" nicht wiederholen wollte), einer seiner abstrusen Wunschträume bleibt.

Heike


Das Problem mit der Leistung

Wer von der unumstößlichen Naturgesetzlichkeit des kapitalistischen Systems immer noch nicht vollends überzeugt ist, kann sich bei Trotha (CDU) und Glotz (SPD) einer endgültig aufklärenden (?) Beratung unterziehen. Die Selbstverständlichkeit, mit der auch SPD-Mitglied Glotz in seiner Begeisterung für die Marktwirtschaft das unauffällige Wörtchen "sozial" nichtbeachtend unter den Tisch fallen läßt, verursacht dabei offensichtlich nur wenig Bedenken.

Es ist doch längst allgemein anerkannte Wahrheit: Der Wert des/der Einzelnen besteht in seiner/ihrer Leistung. Es gibt Schlechte und Gute, folglich Bessere als andere, und natürlich steht außer Zweifel, daß es nur die Besten sein sollen, aus denen sich unsere Elite rekrutieren muß. Logisch konsequente Forderung: Weg mit den Schlechten von der Uni! Der Gedanke klingt einleuchtend: Menschen in verantwortlichen Positionen müssen für diese Verantwortung willens und auch fähig sein.

Doch wie ist "gut" und "schlecht" definiert? Und - Wer definiert? Und - wovon ist eine so definierte "gute" Leistung abhängig, wovon eine "schlechte"? Eins muß allen unbelehrbaren UtopistInnen endlich klar werden: Es sind weder demokratische, noch soziale und schon gar keine menschlichen Werte, die bei der Beurteilung von Leistung den Maßstab setzen. Es sind auch sicher keine psychisch oder physisch empfindlichen Menschen, die bei der Setzung dieser Maßstäbe ihre Erlebniswelt miteinbringen - und in den allerwenigsten Fällen Frauen.

In den Naturwissenschaften mag die Einseitigkeit der Perspektive bei der Beurteilung von Leistung noch eine relativ unbedeutenden Rolle spielen, doch wie sieht es bei den Fähigkeiten aus, die nicht direkt meßbar sind? Wer prüft die sogenannte Leistungselite auf ihre soziale und menschliche Kompetenz? Gesellschaftliche Verantwortlichkeit bedeutet doch wohl vor allem , soziale Phänomene zu verstehen, weniger sie erklären zu können. Bildungstheoretiker wie Wolfgang Klafki haben Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur Mitbestimmung und zur Solidarität längst als für das Bestehen der Demokratie notwendige Erziehungsziele formuliert. Diese Kompetenzen scheinen allerdings überhaupt nicht als Leistung zu gelten, wird doch selbst bei einem sozialwissenschaftlichen Abschluß darauf keinen Wert gelegt. Wie wären sie auch zu operationalisieren, noch dazu von Menschen, die nach eigenen Worten die Erfahrung gemacht haben, daß Motivation erst in Wettbewerb und Konkurrenz entsteht? So also sieht die verantwortliche Leistungselite aus: marktwirtschaftliche Gesinnung und fähig zu Kampf und Selbstdarstellung. Wer redet schon von Klafki? Doch schon rotten sich hie und da die als "schlecht" definierten zusammen, geben sich selbst einen Führer und neue Werte und versuchen , ihren verletzten Stolz zu rächen . Die so sorgfältig ausgebildete Leistungselite ist ratlos. Ja, ist da etwa was falsch gelaufen?

Bianca


Keine Nazizeitungen an Kiosken !!!

Mit dieser Zielsetzung haben sich im letzten halben Jahr mehrere engagierte Einzelpersonen zusammengetan. Bei der Verteilung des Flugblattes, welches nebenan abgedruckt ist, versuchte die Gruppe auch mit den PassantInnen ins Gespräch zu kommen.

Jetzt wird eine Kundgebung zu dem Thema stattfinden, am 9. Februar,von 10-18h am Hauptbahnhof ,zu der die Antifa,die Ga Schwarze Katze, das Bündnis gegen Rassismus und der Friedensladen aufrufen.

Mit der Kundgebung wollen sich die InitiatorInnen gegen die faschistische und nationalistische Meinungsnache richten, die von den Nazizeitungen nur noch forciert wird . So erscheint die "Junge Freiheit" seit Neuestem mit einer Auflage von 100000 pro Woche, statt, wie bisher, mit einer monatlichen Auflage von 35000.

Vielleicht habt ihr ja auch Lust, daran mitzuwirken, daß KioskbesitzerInnen Nazizeitungen aus ihrem Sortiment nehmen oder zumindest Eure Zeitung an anderen Kiosken zu kaufen, die es noch gibt und die sich hoffentlich bald vermehren.


Termine

Donnerstag, 3. 2.
20 Uhr Autorenlesung: Zacharias Mathioudakis liest aus seinem Buch "Unter der Platane von Gortyna" (Prosa und Lyrik) Büchergilde Gutenberg, Kleinschmidtstr.2

Freitag, 4.2.
20 Uhr Afrikanischer Kulturabend mit afrikanischem Essen, Musik und Tanz. Studihaus (Dachgeschoß) Eintritt 5DM
Veranstalter: Deutsch-afrikanische Initiative Teele Duniya
20 Uhr Fete Islamwissenschaft/Semitistik, Triplex Mensa

Montag, 7.2.
20 Uhr Autorenlesung: Michael Krüger liest aus seinem neuen Roman "Himmelfarb" (Residenz Verlag) und spricht über seine Verleger-Tätigkeit Weiss'sche Universitätsbuchhandlung, Universitätsplatz 8
20 Uhr Klavierabend mit Jitka Cechova, Stücke von Smeteana, Chopin, Debussy Alte Aula

Mittwoch, 9.2.
Info-Abend
Im vergangenen Jahr wurde im Auftrag der Landesregierung eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Universitäten druchgeführt. Hierzu wurden u.a. die Physik in Heidelberg und die Germanistik in Mannheim durch die Unternehmensberatung Hayek überprüft.
Hayek formulierte aufgrund der Überprüfungen u.a. folgende Empfehlungen:
Bessere Raumnutzung durch Vorlesungen abends und an Samstagen
Systematische und regelmäßige Betreuung durch Lehrende in Kleingruppen, geichzeitig aber
Eine große Anfängervorlesung statt kleiner Einführungsseminare in der Germanistik (zur Personaleinsparung)
Drastische Erhöhung der Lehrverpflichtung des Mittelbaues und z.T. "Forschungsverbot"

Donnerstag 10.2.94 1915 Neue Uni
Informatinen (Abschlußbericht, Kurzufassung, Pressespiegel, Hintergrundinformation):
ZFB, Lauerstraße 1, 11.00-13.00. Tel 542456
19 Uhr Vortrag "Goethes Biologie- die Motive, die Arbeiten, das Werk" von Prof. Dr. Hans Joachim Becker. Eine Veranstaltung der Goethe-Gesellschaft Heidelberg, Universitätsbibliothek, Plöck, Vortragsraum.??Uhr "Kann es nicht metaphysische Letztbegründungen geben?" Vortrag von Prof. Karl-Otto Apel, Heuscheuer II