Gut 50 Personen waren gekommen, um sich im Mannheimer Schloss über die Juniorprofessur zu informieren. Ihre Geduld wurde etwas auf die Probe gespannt, denn der erste Redner, Gerd Köhler, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der GEW, holte weit aus. Er legte in 11 Thesen dar, wie die GEW die jetzige Situation an den Hochschulen beurteilt, welche Handlungsfelder sie sieht und welchen Platz die Juniorprofessuren in den Strukturen einnehmen (können). Leider kam er eigentlich nicht auf den Punkt, die Juniorprofessuren. Das Publikum erfuhr aber dann doch, dass die Juniorprofessuren erst durch die HRG-Änderungen vom Freitag vergangener Woche - sofern sie vom Bundesrat bestätigt werden - eingeführt werden und dass ihre konkrete Ausgestaltung davon abhängt, wie die Länder die Rahmenbestimmungen umsetzen. Insgesamt begrüßt die GEW die Juniorprofessuren bei aller Skepsis als einen ersten Schritt zur Abschaffung der Habilitation, bemängelt aber ein fehlendes Gesamtkonzept für alle Beschäftigten an den Hochschulen
Mehr zur Einschätzung der Juniorprofessuren erfuhr man aus den Beiträgen des übrigen Podiums. Der Mittelbauvertreter im Senat der Uni Mannheim berichtete ausführlicher über Mannheimer Interna der Habilitationsverfahren, nach deren Schilderung man sofort bereit gewesen wäre, einer Abschaffung der Habilitation zuzustimmen. Insgesamt sah er in der Juniorprofessur eine Chance, die Abhängigkeiten der Habilitierenden lockern. Das Bild, das die Presse gerne als Begründung für die Juniorprofessuren anführt, wonach "der Prof" seine Assis nur schamlos ausnutzt und man ihnen deshalb durch die Juniorprofessur einen Freiraum verschaffen muss, wurde aber von vielen Anwesenden in Frage gestellt. Allerdings scheint es nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein, da viele dann doch aus ihrem Bekanntenkreis einschlägige Erfahrungen referieren konnten.
Sebastian Nürnberg, studentisches Mitglied im Hochschulrat der Uni Mannheim, befürchtete, dass die JuniorprofessorInnen ihre Lehraufgaben "nach Unten" weiter geben würden, eine Entwicklung, die bereits heute die Lehre belastet. Insgesamt leidet darunter wieder einmal die Lehre, denn die Forschung würde vielleicht gerade noch laufen. Auch Christoph Klein-Brabender, langjähriger Mittelbauaktiver in Baden-Württemberg und derzeitiger Leiter des Bereichs Hochule und Forschung in der GEW Baden-Württemberg sah die Juniorprofessuren - wiewohl er generell einen Ausstieg aus der Habilitation begrüßte - sehr kritisch. Das Lehrdeputat der Juniorprofessuren wird sich anfangs nur auf eine oder zwei Veranstaltungen belaufen, aber dann zunehmen. Allerdings stellt eine Vorlesung für jemand, der/die bisher noch keine gehalten hat, eine enorme Belastung dar, es kann leicht sein, dass man mit der Vorbereitung einer zweistündigen Vorlesung völlig ausgelastet ist. Wenn dann noch Drittmittel eingeworben werden, DoktorandInnen und Studierende betreut und in den Gremien mitgewirkt wird, bleibt keine Zeit mehr für Forschung. Diese aber ist notwendig, strebt man eine Professur auf Dauer an... Auch er sah hier die Gefahr einer Verlagerung von Lehr- und Betreuungsaufgaben auf den verbleibenden Mittelbau und Hiwis. Wie Gerd Köhler vermisste er ein umfassenderes Konzept, dass den angehenden Professoren die Sicherheit eines Tenure Track eröffnen könnte. Nun kann es passieren, dass man nach 6 Jahren wieder neu anfangen muss.
Generell müsste man endlich der Tatsache Rechnung tragen, dass an den Hochschulen Menschen Daueraufgaben wahrnehmen, ohne Prof werden zu wollen. Zur Einführung der Juniorprofessuren sollen (Ober-)Assistenten, Rats- und andere Stellen wegfallen, die bisher oft in der Lehre Daueraufgaben wahrnehmen. Wenn all diese Funktionen von Hiwis wahrgenommen werden, verschlechtert sich die Situation in vielen Fachbereichen.
Konsens am Podium war jedenfalls, dass Bestimmungen, wie denn die Evaluation der Juniorprofessuren nach 6 Jahren von Statten gehen solle, in der jetzt verabschiedeten Novelle fehlen und die ganze Sache überhaupt überstürzt angegangen worden sei. Ausführlich wurde am Ende mit dem Publikum erörtert, ob nun die Habilitation verboten sei, was aber von Verschiedenen als verfassungswidrig und somit nichtig angesehen wurde, oder ob es nicht vielmehr dazu kommen werde, dass in einigen Fächern weiter habilitiert werde und in anderen Fächern das Weiterkommen via Juniorprofessur zur Regel werde. Zu einem Ergebnis kam man jedoch mangels genauer Gesetzeskenntnis und hellseherischer Fähigkeiten nicht.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 11.01.2002