Am 2. Oktober wurde im Museum der Sammlung Prinzhorn die Ausstellung "Todesursache: Euthanasie -- Verdeckte Morde in der NS-Zeit" eröffnet. Diese Ausstellung setzt sich mit der systematischen Ermordung von Patientinnen und Patienten der Psychiatrie Heidelberg in den Jahren 1939-1945 auseinander. Unter den hospitalisierten Kunstschaffenden, deren Werke zur Prinzhorn-Sammlung gehören, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausstellung neunzehn ermitteln können, die den sogenannten "T4"-Aktionen bzw. ab August 1941 der "wilden Euthanasie" zum Opfer gefallen sind. Neben einer Einführung mit Texten und Fotos zur Organisation der Ermordung von Anstaltsinsassen konzentriert sich die Ausstellung auf die Werke der Opfer und eine kurze Rekonstruktion ihrer Lebensläufe.
Als Ergänzung zur Ausstellung wird ein 12-minütiges Video gezeigt, "The Alien" von Reinhardt Heinen. Es thematisiert die medizinisch vermittelte Angst vor dem Fremden und Andersartigen und den Mechanismus der reduzierenden Objektivierung von Andersartigkeiten, klammert aber aus der breit erforschten Palette von "Othering"-Prozeduren Andersartigkeiten von Rasse und Kultur weitgehend aus -- Schwarze etwa und Angehörige "primitiver", also meist schriftloser Kulturen.
Für die informierte Besucherin, den informierten Besucher bietet die Ausstellung leider wenig Neues. Für die Medizin und insbesondere die Psychiatrie in Deutschland mag diese Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit, auch der Gestus einer sich zur individuellen Kreativität demonstrativ bekennenden Medizin ein Novum sein -- aber die Geschichtswissenschaft hat die brisante Rolle der Psychiatrie im NS-Reich bereits vor nun 10 Jahren detailliert in die öffentliche Auseinandersetzung eingebracht. Götz Aly hat 1989 "Aktion T4" (eine Begleitpublikation zu einer Ausstellung, in 4 Heidelberger Institutsbibliotheken vorhanden) publiziert und die Rolle der "T4"-Aktionen als "Probelauf" der Massenvernichtung von damals öffentlich unerwünschten Bevölkerungsgruppen erörtert.
Bei der Untersuchung der Entstehung einer bis dahin ungeahnten Dimension von präziser Ermordung kommt der systematischen Ermordung von Psychiatrieinsassinnen eine enorme Bedeutung zu, weil sich hierbei die Akzeptanz der Bevölkerung zum recht mysteriösen Verschwinden und "Versterben" marginalisierter Gruppen sondieren ließ. Weder wird dieser "Auftakt", gewissermaßen deren "Erfindung" in der Psychiatrie, deutlich gemacht, noch eben die Schlüsselrolle von Verwandten der Kranken eigens herausgestellt, denn das fehlende Engagement von Verwandten war eines der entscheidenden, die Ermordung begünstigenden Kriterien für die verantwortlichen Ärzte. Die Wirksamkeit von Protesten wird durchaus benannt, aber der Zusammenhang muss genau gesucht werden.
Während die Ausstellung zu dieser interessanten Entwicklung wenig Übersicht bietet, enthält der einleitende Essay von Gerrit Hohendorf im Katalog eben eine solche profunde, detaillierte Einführung. Leider muss auf diesen Beitrag verzichten, wer nicht die doch nicht eben kleine Summe von etwa 22 Euro locker machen kann oder den Katalog schlicht übersieht. Der vergleichsweise große Raum, der dem Video zukommt, wirkt unmotiviert und wenig inspirierend, zumal doch einge Punkte nicht ausgelotet werden oder doch besser beleuchtet werden könnten. Zum Thema Fremdheit für das imperialistische Europa böten sich einige der Werke selbst an, zum Beispiel eine der Bildergeschichten von Karl Gustav Sievers. Seine witzige Kolonialismus-Kritik ist umso aufschlussreicher, wenn wir uns überlegen, dass er die Abwertung und Beschränkung vom Fremdheit innerhalb eines herrschenden Systems am eigenen Leibe zu spüren bekam, und dessen Schwäche im Umgang mit dem Fremden im Äußeren aufdeckt.
Die Ausstellung "Todesursache: Euthanasie -- Verdeckte Morde in der NS-Zeit" ist
bis zum 02.03.03 in den Ausstellungsräumen der Prinzhorn-Sammlung, Voßstraße 2,
69115 Heidelberg zu sehen.
Öffentliche Führungen Mi, 18.00 und So, 14.00 Uhr.
Öffnungszeiten Di - So 11.00 - 17.00, Mi - 20.00 Uhr.
Mitte Januar/Februar findet im Rahmen der Ausstellung eine öffentliche Vortragsreihe statt.
Elsbeth Kneuper und Michael Enßlen