Wie bereits sein Vorgänger Trotha wird auch der derzeitige Wissenschaftsminister Frankenberg nicht müde zu erklären, dass die Verfasste Studierendenschaft (vgl. unseren Schwerpunkt unabhängiges Modell) von Übel sei, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden in Baden-Württemberg hervorragend seien und durch jedwede Änderung nur schlechter würden. Dass Studierende, die im Ländle innerhalb der bestehenden rechtlichen Bestimmungen etwas zu erreichen suchen, oft genug andere Erfahrungen machen, wird geneigten LeserInnen unserer Zeitung nicht neu sein .
Aufgrund der letzten Änderung des HRG müsste nun aber auch Baden-Württemberg eine Verfasste Studierendenschaft einführen. Vor der Bundestagswahl am 22.11. hatte MWK-Chef Frankenberg auf diesbezügliche Anfragen regelmäßig erklärt, man warte die Wahl ab und werde klagen, wenn die Wahl nicht das gewünschte Ergebnis bringe. In für das Chaosministerium überraschender Konsequenz verkündete der Minister am 29.11. in einer Presseerklärung: "Wir bereiten die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Studiengebührenverbot und gegen die Pflicht zur Einführung verfasster Studierenderschaften mit Nachdruck vor und sind zuversichtlich, dass andere Länder mit uns den Weg der Verfassungsklage beschreiten."
Wer jetzt erwartet hätte, dass sich Baden-Württemberg mit Bayern zusammen tun würde, irrt. Bündnispartner in dieser Sache ist bisher vor allem Ronald Barnabas Schills Partei. Ganz abschaffen will Schill die VS jedoch nicht -- man will das HRG elegant aushebeln: Christian Brandes (31), der hochschulpolitische Sprecher der Schill-Partei, will die Studierenden von "einer Zwangsmitgliedschaft" befreien. Sie sollen in Zukunft selbst entscheiden, ob sie Mitglied der Studierendenschaft sein wollen, d.h. es soll ein "Austrittsrecht" geben. Schill hat allerdings mit diesem Modell evtl. Aussichten auf Erfolg, denn Sachsen-Anhalt praktiziert dieses Modell bereits. Eins sattelt Schill aber auf die Geschichten in Sachsen-Anhalt noch drauf: Genau genommen soll es in Hamburg kein Austritts-, sondern ein Eintrittsrecht geben, nach einem Jahr Zwangsmitgliedschaft würden die Studierenden jedes Jahr aufs Neue in die VS eintreten müssen und sonst eben nicht mehr Mitglied sein. Was dies bedeutet, weiß jedeR, der/die jemals eine Aktion von Studierenden erwartet hat, die keinen prüfungsrelevanten Schein verspricht.
Das Ziel dieser Maßnahme -- wie auch der Bestrebungen Frankenbergs -- ist klar: Studierende sollen den Mund halten, eine handlungsfähige Studivertretung soll es nicht geben. Zu akuten Problemen hört man sie wie bisher gerne an, aber rechtliche Möglichkeiten, selber aktiv zu werden, sollen sie nicht haben.
Geschickt argumentiert Brandes auch mit der Vokabel "Zwang" -- ohne zu sagen, warum nicht gleichzeitig die Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern oder gar das zwangsweise Eintragen in Wahlregister abgeschafft werden. Auch die Zwangsbeschulung aller Schulpflichtigen in Deutschland oder den Zwang, rechts zu fahren, könnte Schill konsequenterweise zur Diskussion stellen.
Doch Schill macht sich nicht nur allgemeine Gedanken zur Reduktion von vorgeblichen Zwängen -- Schill gibt sich vor allem sozial. "Studenten sind knapp bei Kasse", so Brandes, "ohne die Mitgliedschaft sparen sie einen Semesterbeitrag von 6,50 Euro." Doch gerade hier müsste Schill noch genauere Absprachen mit den Freunden von der Union führen, denn nach der gängigen baden-württembergischen Argumentation sind Gebühren -- und es geht hier nicht um 6,50 Euro, sondern prospektiv um mindestens das Zehnfache -- unumgänglich. Baden-Württemberg ist bestrebt, "alle Optionen für eine Verbesserung der Einnahmen zugunsten der Hochschulen und damit der akademischen Ausbildung der jungen Generation offenzuhalten" und prüft daher gerade, wie allgemeine Studiengebühren -- natürlich sozial ausgewogen -- eingeführt werden könnten.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 07.05.2003