Personalprobleme am Heidelberg Center in Santiago de Chile
Im März 2002 begann der erste Kurs in "European Political Studies" am gerade neu eröffneten Heidelberg Center in Santiago de Chile. Zwar war der Kurs mit 28 statt der vorgesehenen 40 Studierenden nicht ganz ausgelastet, doch man -- d.h. die Spitze der Uni Heidelberg -- wollte als einer der ersten auf dem "Markt" Lateinamerika präsent sein. Mit der ersten Ausgründung der Heidelberger Universität sollte Lehre exportiert werden. Dieser Export geschieht dadurch, dass die Veranstaltungen in Santiago von DozentInnen aus Heidelberg (oder zumindest von DozentInnen, die in Europa studiert haben) abgehalten werden; Unterrichtssprachen in Chile sind allerdings Englisch und Spanisch.
Für die Studierenden sind -- so die Überlegung hinter diesem Konzept -- Kurse in Santiago billiger als ein Studienaufenthalt in Heidelberg, zumal für Berufstätige, die sonst gar keine Chance auf einen Abschluss deutscher Provenienz hätten. Auch für die Uni Heidelberg ist die ganze Sache eher billig: derzeit steckt sie wohl um die 250.000 Euro pro Jahr in das Projekt, der Rest kommt vom Land Baden-Württemberg, dem DAAD -- und von den Studierenden. Im Gegensatz zu ihren KommilitonInnen in Deutschland müssen diese nämlich 6000 Dollar Studiengebühren pro Kurs zahlen. Auf Dauer soll das Center sich ganz selber tragen.
Geleitet wird das Center von Walter Eckl, dem bisherigen Leiter des Heidelberger Studienkollegs, und seiner aus Chile stammenden Frau. Wissenschaftlicher Leiter war bis Anfang 2003 Professor Dieter Nohlen, ein ausgewiesener Südamerika-Experte. Auch seine KollegInnen im ursprünglichen "Lehrkörper" machten einen guten Eindruck, uns selbst nach Nohlens Weggang sieht die Personalliste immer noch nicht schlecht aus, auch wenn die Frage nach der genauen Funktion emeritierter Professoren in einer solchen Einrichtung wohl erlaubt sein muss.
Das "Angebot" des Centers soll neben Weiterbildungs- und Deutschkursen auch Masterkurse umfassen, vorgesehen waren International Law und European Political Studies. Dass sich trotz der kurzen Werbephase immerhin 28 Studierende für das besagte "Angebot" interessierten, war bereits ein Indiz dafür, dass die "Nachfrage" vorhanden ist. Die "European Political Studies" zumindest kamen auch ganz gut an -- die ersten AbsolventInnen konnten Anfang 2003 zufrieden ihren Abschluss in Empfang nehmen. Doch gerade dieser Studiengang wurde erst einmal suspendiert, denn Professor Nohlen hat seine weitere Mitarbeit an dem Projekt eingestellt. Grund sind Gerüchten zufolge Unstimmigkeiten mit der Verwaltung. Ob man den Studiengang nun fortführen will - oder kann - und wer "man" ist, ist der Redaktion nicht so ganz klar.
Anfangs lag die inhaltliche Leitung des Studiengangs bei Professor Nohlen, die Administration in den Händen von Dr. Eckl. Seit dem Rückzug Nohlens hat Professor Murswiek zwar formell die Leitung des Kurses, doch das ist eine Zwischenlösung, da Murswiek kein Spanisch kann und Sozialpolitikexperte ist. Dass er die Kurse so fortführen kann, wie Nohlen sie angefagen hat, ist unwahrscheinlich.
Das zukünftige Profil des Heidelberg Centers ist also etwas unklar -- trotz der rundum optimistischen Berichte anlässlich der jüngsten Südamerikareise von Ministerpräsident Teufel. Diese wiederum stand ihrerseits unter einem schlechten Stern, denn nach Teufels Rückkehr musste er sich aber eine schriftliche Rüge vom Landespresserat gefallen lassen. Grund der Rüge: Gerade mal zwei JournalistInnen fanden die Reise wichtig genug, um (gegen 50 % der Kosten) zur Berichterstattung mitzufahren. Da das keine Entourage für einen so wichtigen Landesfürsten ist, hatte Teufel kurzerhand billigere und sogar "kostenlose" (das heißt von SteuerzahlerInnen finanzierte) Teilnahmen angeboten, und dies hat wenigstens für den Landespresserat ein Gschmäckl.
Leider wurde der UNiMUT nicht eingeladen, wir hätten sehr gerne vor Ort recherchiert und hätten unsere Objektivität auch ganz gewiss nicht verloren. Dafür ist aus Heidelberg der Rektor mit nach Südamerika gefahren, auf wessen Kosten der Rektor, ist der Redaktion nicht bekannt; der Verfasser der Pressemitteilung über den Besuch im Heidelberg Center war aber eher auf Kosten des Ministerpräsidenten dort. Oder garnicht.
Auch wenn es gerade ein paar Probleme gibt und in Zukunft ein paar Streichungen im "Angebot" geben sollte -- einen juristischen Studiengang, ein paar Deutschkurse, nette Konzerte und Abendvorträge kann man im Heidelberg Center sicher anbieten. Es gibt nämlich bereits ein Goetheinstitut in Santiago de Chile und dessen Niveau toppt die Uni Heidelberg mit Sicherheit -- zumindest was den Lehrkörper angeht.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 05.04.2003, 03.01.2004