Gründe fürs Deutschlernen, für die Emigration und das Tutorium, das nicht stattfindet
...dass es für eine Elite auch immer eine Masse braucht, die eben nicht das hat, was die Elite auszeichnet? Wahrscheinlich schon, aber trotzdem mag die Lektüre des schönen Textes "Elite" gegen "Masse" oder: Legitimation sozialer Ungleichheit, den Morus Markard im Jahr 2000 verfasst hat, noch manch Einsicht zur immer wieder angefachten Debatte um Exzellenz und Elite bringen. Und wo wir gerade auf der Webseite des BdWi sind: Torsten Bultmanns Analyse "Die Eliten und die Massen -- Kritik eines bildungspolitischen Stereotyps ist wie auch Ausführungen von Ingrid Fitzek zum Vorbild Amerika ebenfalls sehr lesenswert.
...dass der Abteilung Schlüsselkompetenzen (nach eigener Einschätzung "ein Competence-Center an der Uni Heidelberg") des ZSW zwar seit Neujahr zwei Stellen fehlen, es an Geld aber gewiss nicht mangelt? Zu diesem Schluss muss mensch bei der Lektüre der Einladung zur Tagung "Schlüsselkompetenzen: Sclüssel für (Aus-) Bildungsqualität und Beschäftigungsfähigkeit?" kommen, denn diese findet nicht etwa in Uni-Räumen statt, sondern in der (eingestandenermaßen schickeren) Print Media Academy. Was die Miete im Glaswürfel kostet, wissen wir nicht, mit tausend Euro ist da allerdings wohl noch nicht viel gekauft. Wozu auch Tutorien (für die das Geld sonst ausgegeben werden könnte) an einer Hochschule für Exzellenzen und Eliten?
...dass ihr euer Schicksal mit 217157 anderen teilt? Das spezielle Schicksal nämlich, gerade unter Frankenberg an einer Uni in Baden-Württemberg eingeschrieben zu sein, unter einem Wissenschaftsminister, der sich nicht entblödet, eine solche Zahl in einer Antwort an den Landtag zu nennen. Es ist ja schön, wenn das statistische Landesamt sowas glaubt, aber jedem/r anderen ist wohl klar, dass wenigstens die letzten drei Stellen dieser Zahl mit reichlich Entropie gesegnet sind. Die gestellte Frage goutiert mensch übrigens besser nicht nach einem ausgedehnten Mahl.
...dass eure Chancen, noch mit Kopftuch unterrichten zu dürfen, schlecht stehen, wenn ihr gerade noch an eurem ersten Staatsexamen sitzt? Am 13. Januar hat das hiesige Kabinett einstimmig beschlossen, Lehrerinnen Kopftücher verbieten zu wollen. Am 31. März soll dann der Landtag das Gesetz abnicken, und danach heißt es: Kopftuch ab oder Kopf ab, Frau! Männer dürfen offenbar noch Kopftuch tragen, weil: wir sind ja eine freie und gleichberechtigte Gesellschaft. Den Frauen bleibt das (ausdrücklich erlaubte) Kreuz, weil: das ist mal ein klasse Symbol für Freiheit, Menschenliebe und Gerechtigkeit. Ha!
...dass eine ganz spezielle Segnung der freien Marktwirtschaft im Mai 2003 schon 53 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg erreicht hat? So viele dürfen ihrem Arbeitsdrang mittlerweile auch nachts und am Wochenende nachgehen, während es in den Zeiten der Knechtschaft, Überregulierung und gewerkschaftlichen Verkrustung (1996) erst 49% durften. Mehr faszinierende Daten in dieser Richtung findet ihr beim Statistischen Landesamt.
...was Emergenz ist? Nun, wenn eine Bildersuche nach "Gefahr" auf Google derzeit an zweiter Stelle einen Link auf eine Werbeseite fürs Deutschlernen der Association of German Teachers of Victoria (incorporated) liefert -- dann ist das Emergenz.
Walter I. Schönlein