Der Preis des Studitickets explodiert
Nachdem in einschlägigen Medien der Uni Heidelberg die Bedrohung des vielgeliebten Semestertickets durch Preiserhöhung oder gar Abschaffung breitgetreten wurde, stehen wir nun endlich vor vollendeten Tatsachen. Die Zukunft des Semesterticket ist für vier Jahre festgeschrieben und findet ihr Happy End bei einem Verkaufspreis von 120 Euro und einem leicht erhöhtem Rückmeldebeitrag. In runden 10-Euro-Schritten eilen wir den Vorstellungen des VRN für einen angemessenen Preis für das Ticket entgegen.
Genauer wird der Solidarbeitrag, den alle Studierenden bei der Rückmeldung bezahlen, ab dem nächsten Wintersemester auf 20 Euro steigen (5 Euro davon sind offiziell als "für die Abendregelung" deklariert). Der Preis für das Semesterticket wird zu diesem Zeitpunkt auf zunächst 89 Euro erhöhrt und soll dann parallel zum Preis des Maxx-Tickets steigen -- wird das Maxx-Ticket etwa um 1.50 pro Monat teurer, fallen für das Semesterticket 9 Euro mehr an, weil es ja sechs Monate gilt (und in diesem Rahmen wird sich die Inflation auch bewegen).
Mal wieder haben die Studis spüren können, was es heißt, mit einem Monopolisten zu verhandeln. Glücklicherweise ist uns der VRN jedoch aus reiner Nächstenliebe etwas entgegengekommen. Der ursprünglich angepeilte Verkaufspreis von 138,- Euro wurde durch die leichte Anhebung des Grundpreises für alle Studis im VRN-Einzugsgebiet, immerhin 79.000 an der Zahl, quasi umgerechnet. Ein echtes Entgegenkommen, genau wie die Beibehaltung der Abendregelung in Heidelberg. Da sehen wir gewiss alle gern über den Preisanstieg von knapp 50% hinweg.
Zum Glück konnte uns der VRN jedoch auch erklären, warum diese "Anpassung" notwendig wurde. Derzeit werden nämlich die Zuwendungen für den Ausbildungsverkehr aus den Landeskassen um jährlich 4% gekürzt. Dazu kommt eine betriebswirtschaftliche Ungereimtheit, die dafür sorgt, dass dem VRN jährlich 8% der Landeszuschüsse verloren gehen. Um eine Vorstellung zu geben: Im Augenblick kassiert der VRN für jedes verkaufte Studiticket noch einmal 138 Euro vom Land.
Nun kann jedeR, der/die mal mit Mathematik zu tun hatte (oder auch nicht) gerne nachrechnen. Aber wir wollen uns natürlich nicht beschweren und sind lieber glücklich mit unserem Ticket, gestattet es uns doch die Nutzung des phänomenalen VRN-Angebotes mit seinen pünktlichen Bahnen voller freier Sitzplätze. Schließlich wollen wir doch alle gerne bis zur französischen Grenze fahren und nicht etwa nach Karlsruhe, Heilbronn oder gar Darmstadt. Und sicherlich wird auch kaum einE StudierendeR wegen der paar Kröten abspringen und gar mit dem Fahrrad oder dem Auto fahren.
Bestimmt. Na gut. Freuen wir uns also auf mehr Platz in den Straßenbahnen und Bussen und mehr Verkehr auf den Straßen im Verkehrsmekka Heidelberg.
In den harten Verhandlungen um das Semesteterticket wollten sich Unis, Studentenwerke und Studierende aus Heidelberg und Mannheim zusammenraufen, um ein faires Semesterticket auszuhandeln. Auch wenn die Anfänge eigentlich Anlass zur Hoffnung gaben, stellte sich doch bald heraus, dass Worte vergänglich sind. Nachdem der VRN sehr resolut auftrat und mit einem vorzeitigen Ende der Verhandlungen drohte, wurden die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Koalition der Gerechten -- Rektorate, Studiwerks-Chefs und Studierende der Hochschulen im VRN-Gebiet -- schmerzhaft deutlich.
Prinzipiell hieß die Maxime der Unis und Studentwerke: Semesterticket um jeden Preis. Die VertreterInnen der Studis hatten so ihre Zweifel und begannen mit einer wissenschaftlichen Befragung der Studierenden, welche die bereits durchgeführte Umfrage des StuWes überprüfen sollte.
Hier kam Spannendes zutage. Anscheinend sind nur wenige Studis (15%) bereit, mehr als 100 Euro zu zahlen und offenbar können ca. ein Drittel der Befragten auf ein Auto umsteigen. Aufgrund dieser und anderer Ergebnisse stellten die Studierendenvertretungen die Forderung auf, den Ticketpreis bei 100 Euro zu deckeln. Der VRN machte sofort klar, dass an seinen Forderungen eines Semestertickets für schlussendlich 120 Euro nichts zu drehen sei.
Nun galt es also, das Angebot erstmal abzulehnen, auch wenn dies natürlich eine ernste Gefährdung des Tickets bedeutet hätte -- in den Augen der Studi-Vertretung die einzige Möglichkeit, glaubwürdig zu verhandeln. Und schon war er gekommen, der große Moment, als sich die Koalition der Gerechten in alle Winde zerstreute.
Leider gelang es den Studi-VertreterInnen nicht, den Verwaltungsrat unseres Studentenwerks von der Dringlichkeit einer Ablehnung zu überzeugen. Stattdessen drängte der Rektor, kraft Amtes Vorsitzender dieses Gremiums, auf eine Annahme des Angebotes, da alles andere ja unverantwortlich sei. Unverantwortlich für eine Elite-Uni, die neben einem Elitestudienangebot auch die Standardausstattung haben sollte -- und dazu gehört neben einer Mensa inzwischen halt auch ein Semesterticket. Und so stehen wir also vor der drastischsten Preiserhöhung seit dem "genialen Erfolg" des Angebots bei seiner Einrichtung 1993. Um zum Schaden noch den Spott zu fügen, möchte das Rektorat übrigens gern, dass die Schäfchen glauben, es habe wie ein Löwe für sie gekämpft und verweist auf "Erfolge" wie ein Sonderkündigungsrecht, sofern der Preis des Semestertickets über 120 Euro steigen wird oder die Quote der KäuferInnen zu stark einbricht.
Diese eklatante Missachtung des Willens der Studierenden illustriert neben vielem anderen auch eins: Die Forderung nach Verfassten Studierendenschaften ist nicht eine Spintisiererei von Profilneurotikerinnen und Berufsquerulanten. Hätten wir nämlich in Baden-Württemberg die Verfasste Studierendenschaft, die VS, hätte die Studivertretung selbst mit dem VRN verhandeln können -- so, wie es in den meisten Bundesländern ja auch geht. Aber auch das neue LHG sieht keinesweg vor, die entsprechende Bundesregelung umzusetzen, und so werden Rektoren und VRN-Chefs weiterhin unter sich ausmachen, wie viel euch das Studiticket kostet.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 20.12.2004, 26.01.2005, 31.01.2006, 31.01.2006