Vollversammlung zu verfasster Studierendenschaft und Studiengebühren
250 Studis fanden sich heute um 13 Uhr zu einer Vollversammlung in der Aula der neuen Uni ein -- gewiss etwas wenig, um tatsächlich von einer Vollversammlung zu reden, doch angesichts des Termins und des Mangels an Mitbestimmungskultur, der sich über die Jahre an der Uni breit gemacht hat, sicher ein schöner Erfolg für diesen Betrag der Ruperto Carola für den Protest-Adventskalender im Rahmen der Kampagne Kein Spiel mit Bildung von fzs, ABS und dem PM-Bündnis.
Der Vollversammlung wurde zunächst der Text einer Resolution vorgestellt, die in den letzten Wochen an vielen Hochschulen von ähnlichen Veranstaltungen verabschiedet worden war. Anschließend erläuterten einige ReferentInnen die gegenwärtige Lage in Sachen Studiengebühren und Mitbestimmung, vor allem im Hinblick auf das derzeit noch schwebende Verfahren gegen HRG6 (die Entscheidung dazu wurde übrigens jüngst für den 26.1.2005 angekündigt). Besonders eindringlich stellte der AK Semesterticket die Notwendigkeit einer rechtlich abgesicherten Studierendenvertretung am Beispiel der dramatischen Preiserhöhungen dar, die der VRN gegen den Willen der NutzerInnen des Studitickets durchsetzen konnte.
An der anschließenden Diskussion war vor allem bemerkenswert, dass einige (zwei, d.S.) Studierende versuchten, eine "ergebnisoffene" Diskussion über Studiengebühren in Gang zu setzen und "nachlaufende Studiengebühren" als Heilmittel für einige der eingestandenen Defekte der Privatisierung von Bildung zu verkaufen. Warum solche Ansichten wahlweise als naiv oder bösartig zu bezeichnen sind, war (nicht nur) hier bereits nachzulesen (in der Tat nehmen auch die australischen Unis mittlerweile bevorzugt sofort Cash) -- faszinierend ist aber doch, wie gut Bertelsmann sein Geld ins deutsche Propagandaministerium für Studiengebühren, das CHE, investiert hat, wenn sich einschlägig Interessierte mittlerweile schon auf Vollversammlungen von Studierenden trauen, offen studifeindliche Positionen zu vertreten und zumindest auf Verständnis hoffen.
Bei der Abstimmung über die fzs-Resolution zeigte sich aber, dass das CHE doch noch mehr Arbeit vor sich hat als es manchmal meint. Das Bild oben zeigt, dass fast nur gelbe Karten (für Zustimmung) in der Luft waren, während rosa (für Ablehnung) praktisch verschwand. Bei allen Auswahleffekten der befragten Klientel könnte das doch als ein gutes Zeichen für die kommenden Auseinandersetzungen durchgehen.
Als Folge der VV wird es nun eine Gruppe geben, die sich über weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Studiengebühren und für mehr Demokratie an den Hochschulen Gedanken macht. Näheres über den Arbeitskreis werdet ihr demnächst hier lesen können.
Nachtrag (21.12.2004): Offenbar können gewisse Personen gar nicht genug Klischees erfüllen. Ein "Jurastudent im ersten Semester", dessen Name wir zum Schutz seiner Persönlichkeit lieber nicht verraten wollen (es sei denn, er wünscht es), schickte nach der Vollversammlung den folgenden Brief an Rektor und UNiMUT:
Sehr verehrter Herr Professor Hommelhoff,
heute hat eine Vollversammlung der FSK stattgefunden, und zwar zu den Themen Studiengebühren und verfasste Studierendenschaften stattgefunden.
In nur einer Stunde (davon entfielen zwei Drittel der Zeit auf Vorstellung der ohnehin bekannten Resolution) sollte darüber diskutiert und abgestimmt werden.
Auf meine Wortmeldung, die sich dahingehend äußerte, man möge über Studiengebühren differenziert diskutieren und diesen Aspekt vom Rest der Resolution trennen, antwortete man mir und einigen ebenfalls kritischen Kollegen, dies sei nicht möglich. Demokratisch wurde darüber aber nicht entschieden.
Des Weiteren wurde anschließend überhaupt nicht ergebnisoffen diskutiert, sondern es geschaf immer wieder Beeinflussung durch die Initiatoren. Bei der Endabstimmung wurde nur nach den Ja-Stimmen gefragt, auf Gegenmeinung und Enthaltung meinte man, verzichten zu können, da ersteres eine überwältigende Mehrheit gewesen sei. Dies ist zwar objektiv richtig, aber meines Erachtens wurden dennoch elementare Spielregeln verletzt.
Allerdings erstreckt sich meine Beschwerde auch insbesondere auf die Berichterstattung auf dem Internetauftritt "Unimut". Dort wurde die offensichtliche Mindermeinung, die sich im Grunde genommen nur darauf erstreckte, über Studiengebühren vernünftig zu diskutieren und sie nicht vorneweg abzulehnen, als "Propaganda durch die Bertelsmannstiftung" (?) abgetan.
Anscheinend ist die FSK nicht so demokratisch, wie sie vorgibt, zu sein, und das enttäuscht mich, vor allem weil ich hier an einer Universität bin. Durch mein politisches Engagement weiß ich, dass sich demokratische Diskussionen, die auch kontrovers sind, initiieren lassen. Dieser wich die FSK wohl aber aus (in Anbetracht der extrem kurzen Zeit).
Mein Fazit bedeutet, Magnifizenz, dass diese Resolution nicht als repräsentativ zu werten ist, weil erstens schon die Einladung zur Versammlung eine Meinung vorweg genommen hat und weil zweitens kein Raum für demokratische Auseinandersetzung gegeben war.
Allgemein bin ich grundsätzlich bereit, über das Strategiepapier der Universität, über Studiengebühren, etc. zu reden. Aber dafür bedarf es günstigerer Voraussetzungen. Ich wollte, dass Sie die Mindermeinung erfahren. Ich werde diesen an Sie gerichteten Brief auch an die FSK weiter leiten.
Nein, das ist kein Fake, es gibt ernsthaft Leute, die sowas schreiben. Und auch, wenn es so aussieht, als wollten wir uns mit dieser Veröffentlichung das verschaffen, was mit "cheap laugh" am Besten umschrieben ist: Das Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst eben auch das Recht, sich öffentlich zum Narren zu machen.
Nachtrag (12.1.2005): Noch ein Brief zum Thema:
Hallo liebe Fachschaftler,
ich war am Montag auf der Vollversammlung. Und ich fand das Ganze wirklich gut gemacht bis zu dem Punkt als der Vertreter der Heidelberger Alternative auftrat. Unabhängig von dem was er gesagt hat, fand ich allein die Tatsache, dass ein Parteivertreter dort gesprochen hat extrem kontraproduktiv. Das war einfach eine unnötige Politisierung dieser Veranstaltung. Ich denke Hochschulpolitik sollte wirklich nur insofern politisch sein, als dass studentische Interessen davon betroffen sind. Es ist klar das Studiengebühren ein allgemein sehr politisches und kontroverses Thema ist, aber eine Studentenvertretung kann eb en nur dann Erfolg haben wenn sie die Interessen aller (oder zumindest der Mehrheit der) Studenten vertritt und zwar unabhängig von der persönlichen, politischen Einstellung der Studenten. Leider war dies am Montag nicht immer der Fall. Wenn Kritik an Studiengebühren in einem Zug mit Kritik an Hartz IV oder gar Kapitalismuskritik genannt wird, ist das Wasser auf die Mühlen derer, die Studentenvereinigungen von vornherein als links-idealistische Gruppen ansehen. Eine schlagkräftige Anzahl von Studenten kann so heutzutage nicht mehr erreicht werden. Auch wenn's vielen schwer zu fallen scheint, aber wenn man ernst genommen werden will, sollten die Weltverbesserungsvorschläge, so berechtigt sie auch sein mögen, bei Studentenvertretungen wirklich außen vor bleiben.
Ich will euch hiermit nicht unterstellen, dass die u.a. von dem Parteivertreter gesagten Dinge eurer Meinung entsprechen aber wenn dieser ans Mikofon gebeten oder gelassen wird, sieht's nun einmal sehr danach aus.
Ansonsten kann ich nur nochmal sagen, dass ich eurer Engagement echt gut und sinnvoll finde.
Grüße und viel Glück im neuen Jahr.
Alexander Erlewein
...wobei die Frage bleibt, warum mensch ohne einen gewissen politischen Hintergrund überhaupt gegen Studiengebühren sein möchte -- denn dass sie prima marktwirtschaftliche Instrumente sind, wird niemand bestreiten wollen. Mithin ist irgendwie fundierte Kritik an Studiengebühren immer auch (ggf. auch sehr milde) Kapitalismuskritik. Aber das nur nebenbei -- Red.