Wer nicht zahlen kann, muss schaffen

Toil on Campus (25.01.2006)

Auch wenn offizielle Stellungnahmen noch Mangelware sind, wird im Zusammenhang mit der "Debatte" um Studiengebühren in letzter Zeit sowohl vom Rektorat als auch vom MWK immer öfter das Schlagwort "Work on Campus" flotiert. Die andernorts schon erprobte Idee ist einfach: Studierende sollen für die Universität arbeiten und dafür kein Geld bekommen.

Damit das nicht allzu ungerecht erscheint, wird ihnen erzählt, ihnen seien dafür Studiengebühren (die sie in einer halbwegs vernünftigen Gesellschaft ja erst gar nicht zahlen müssten) erlassen worden. Aber akzeptieren wir mal für einen Moment die verquere Gebührenlogik: Studierende arbeiten beispielsweise 10 Stunden pro Woche als TutorIn (mit Vorbereitung und ggf. Korrekturen kommt das leicht zusammen) und "sparen" sich dadurch 500 Euro Gebühren im Semester. Der Stundensatz für Hilfkräfte an der Uni hingegen beträgt nach den jüngsten Lohnkürzungen derzeit 7.53 Euro, was sich bei rund 15 Wochen pro Semester in um die 1200 Euro übersetzt. Work on Campus heißt also: Je nach Sicht der Dinge kriegt ihr 700 oder 1200 Euro abgeknöpft1.

Wer hat...

Da reiche Leute sich auf solche Deals nicht einlassen werden, läuft Work on Campus also auf einen für die Uni günstigen Zugang zur Arbeitskraft zahlungsschwacher Studis hinaus. Ein echtes Arbeitsverhältnis entsteht dadurch natürlich nicht, was schon arbeitsrechtlich einige spannende Fragen aufwirft: Es gibt keine Sozialversicherung, was mit Arbeitsunfällen ist, ist unklar...

Dabei darf als gewiss gelten, dass die bisherigen regulären Wihi-Stellen2, schon jetzt geradezu sündhaft teuer im Vergleich zu 1-Euro-Jobs (die allmählich in den Bibliotheken Einzug halten), ganz unattraktiv werden im Vergleich zu Arbeit zum Nulltarif in Form von WoC-"Stellen". Dementis solcher Überlegungen seitens des Rektorats dürfen getrost in die Ablage "Erhebet die Herzen" sortiert werden. Wer will sich daran noch erinnern, wenn WoC erst einmal eingeführt ist -- und wer könnte Substitutionen dieser Art überprüfen, wo schon im Rahmen der Budgetierung durch "Impulse" niemand mehr die Buchungstricks der Verwaltung versteht.

Propagandistisch richtig aufbereitet allerdings macht WoC ein praktisches Hintertürchen auf, durch das nach außen Aktivitäten zur Verbesserung der Lehre vorgespielt werden können ("mehr" Tutorien, "Hilfe" für sozial schwache Studierende), während intern niemand merkt, dass die gesetzesgemäß zweckgebundenen Studiengebühren, mit denen ja angeblich die Lehre verbessert werden soll, per Kürzung des Wissenschaftshaushalts längst in Straßenbau, Überwachungskameras oder die Hände smarter InvestorInnen geflossen sind.

Außer Tutorien fällt dem Rektorat derweil nicht soviel ein in Sachen Verbesserung der Lehre -- BrainUp-Exzellenzinitiativen und verwandter Mumpitz nehmen in den dort präsenten Köpfen praktisch den gesamten Raum ein. Wo mensch schon mal angefangen hat: Warum sollte man eigentlich nicht die bisher für Tutorien und Übungsgruppen verwendeten Mittel, die in den meisten Fällen gar nicht zweckgebunden sind, auch gleich woanders hinfließen lassen?

Vergangenheit und Gegenwart

Bereits bisher stieß die Praxis der Vergabe von Wihi-"Stellen" immer wieder auf Kritik. Es gibt Institute, in denen Wihi-Gelder an Leute gehen, für die es keine Stellen gibt, die aber bei Prof. xy promovieren. In anderen Instituten ist Voraussetzung für das Ergattern eines Wihi-Vertrags eine 1,0 in der Zwischenprüfung. Am nächsten Institut wieder nimmt man auch einfach irgendwen, damit die Mittel nicht verfallen. In dem Sinn könnte WoC eine gute Nachricht sein, denn damit wäre in Zukunft zumindest ein Vergabekriterium einheitlich: Dünnes Konto.

Auch ein Blick in der Vergangenheit enttäuscht nicht, denn die Attraktivität von Arbeit zum Nulltarif hat nicht erst das aktuelle Rektorat entdeckt. Schon vor gut zehn Jahren stellte der damals vor später glücklicherweise wieder vergessenen Ideen sprudelnde Prorektor Greiner Überlegungen an, ob nicht die Aufsichten in Bibliotheken ehrenamtlich zu leisten wären. In kleinen Instituten ist dies tatsächlich nicht unüblich, da dort keinerlei Mittel für Aufsichten vorhanden sind. Was aber nun passiert, wenn eine ehrenamtliche Aufsicht ausfällt und die Bibliothek eben einen ganzen Tag geschlossen ist , was passiert, wenn diese Kraft klaut oder Bücher verleiht, die nicht verliehen werden dürften, wenn sie falsche Auskünfte gibt, solche Fragen brachten die Diskussion damals zu einem Ende.

Will teach for food

Ebenfalls diskutiert wurde seinerzeit, ob man nicht das Abhalten eines Tutoriums für Lehramtsstudierende als Fachdidaktik verrechnen könne und so in den LA-Fächern zugleich das Angebot an Fachdidaktik (superkostenneutral) verbessern würde.

Auch diese Diskussion wird jetzt wieder aufgewärmt, dieses Mal von der Abteilung Schlüsselkompetenzen des ZSW, die im November über einen breiten Verteiler ein Papier zur Vermittlung von, nun, eben "Schlüsselkompetenzen" in den neuen gestuften Studiengängen verschickt hat. Das Abhalten von Tutorien und auch Beratungen (hier würde man sich auf Studierende bestimmter Fachrichtungen beschränken) würde nach diesem Konzept Scheine geben, gar obligatorische Studienleistung werden. Besonders attraktiv ist dieser Plan natürlich für die derzeit vor allem in den ehemaligen Magisterfächern an den künftigen BA-Prüfungsordnungen herumbosselnden Profs. Diese nämlich kämpfen nachhaltig mit den in allerlei Eckwertepapieren vorgesehenen "Ergänzungsbereichen" mit "Berufsorientierung", die kaum sinnvoll mit Inhalt zu füllen sind. Scheinlösungen (im doppelten Sinn) von zentraler Stelle kommen da wie gerufen.

Nicht, dass wir etwas gegen ehrenamtliche Arbeit hätten: Beratung in Fachschaften, nightline, unserethalber auch Lehre im Fahrradschrauben (URRmEL) oder engagiertem Journalismus (UNiMUT) ist eine feine Sache, eine feine Sache übrigens, die bereitzustellen sich offenbar mit jedem Konterreformschritt immer weniger Studis leisten können. Doch hat freiwilliges Engagement mit selbstbestimmter Agenda rein gar nichts mit Leistungsnachweisen (Zwang) oder dem platten Verkauf der Arbeitskraft (Fremdbestimmung) zu tun. Und damit haben wir die beiden Kernbegriffe all der Ideen zu WoC.


1 Geld freilich, das die Uni spart -- bei der ist allerdings von vorneherein klar, dass der Betrag 700 Euro sein wird, denn die Studiengebühren sind direkt oder indirekt im Landeshaushalt bereits vervespert. [Zurück]

2 Die Anführungszeichen stehen hier, weil es keine Wihi-Stellen gibt. WiHis werden in aller Regel aus Sachmitteln finanziert, die genausogut auch Bücher, Klopapier oder repräsentative Notebooks für den Ordinarius kaufen können. [Zurück]

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.04.2006