Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi
Dass es mit studentischer Mitbestimmung in Organisationsstrukturen baden-württembergischer Universitäten nicht sonderlich weit her ist, untergräbt nicht nur die politische Legitimation universitärer Entscheidungsprozesse, sondern führt bisweilen auch zu bizarren Erscheinungen. Wie etwa jüngst in der Germanistik.
Da die Neuphilologische Fakultät lediglich eine Studienkommission für gut 20 Fächer beschäftigt1, wurde die -- an den SAL zu stellende -- Beantragung von Tutoriengeldern hier direkt an die Institute ausgelagert. Was als Arbeitsentlastung daherkam, sollte sich als fatale Entscheidung herausstellen. Mangels verankerter studentischer Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Institutsebene2 breiteten sich erst Wochen später Informationen darüber aus, was passiert war: Nichts. Nichts war passiert, eine sachgerechte Beantragung von Tutoriengeldern für die Einführung ins Mittelhochdeutsche lag dem SAL nicht fristgerecht vor, Rückkopplungsmechanismen gab es nicht und so war nichts mehr zu machen. Die Studierenden müssen nun hingegen viel machen, denn es gibt kein Geld für auch nur ein einziges Tutorium in der Mediaevistik.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Einführungsveranstaltung Teil der OP ist, eine durchaus befremdliche Situation. Die Heidelberger Germanistik ist eine der letzten Universitäten, die das Banner der Mediaevistik noch hochzuhalten sucht -- und zwar so hoch, dass möglichst viele nicht darüber hinweg kommen. Fürs kommende Semester gilt nun erstmals: die Mediaevistik steht mit heruntergelassenen Hosen da. Ob ihr die Neuphilologische Fakultät wohl ein paar Feigenblätter bereit hält?
Fazit: Eine stärkere Einbindung der Studierenden stünde den inneruniversitären Entscheidungsstrukturen nicht schlecht an. Sie würde diese nicht nur demokratischer, sondern auch weniger chaotisch machen. Ziemlich sicher wäre ein solches Fiasko in Zukunft dann weniger wahrscheinlich. Momentan allerdings sind dies nur Zukunftsträume. Die sich immer wieder ergebenden Versäumnisse scheinen der sich aus strukturellen Relikten der Ordinarienuniversität ergebenden berufsständischen Ordnung geradezu inhärent zu sein. Anstatt jedoch die Defizite dieser Strukturen zu erkennen und sie zum Zwecke einer effektiven Verwaltbarkeit der Universität oder gar um der besseren Lehre willen zu demokratisieren, erhebt mensch Gebühren und bedient sich ansonsten für die Behebung der Miseren einstweilen kostenlos bei Horaz: quidquid delirant reges, plectuntur Achivi.
1 Zum Vergleich: Die Fakultät für Mathematik und Informatik beschäftigt für 2 Fächer 2 Studienkommissionen (immerhin werden diese beiden Fächer in fünf Studiengängen studiert). Ob sich aus solchen Beobachtungen Rückschlüsse auf die Wertschätzung der Lehre, das Arbeitsethos der jeweiligen Studienkommissionen oder auch die Finanzlage der entsprechenden Fakultät ableiten lassen, sei mal dahingestellt. [Zurück]
2 Während sowohl auf Fakultätsebene (über Fakultätsräte und deren beratende Kommissionen), als auch auf Uniebene (Unirat, Senat, Sentatskommissionen und -ausschüsse) einige (wenige) Studierende miteingebunden sind und zu einer Vernetzung und Rückkopplung der verschiedenen Ebenen mitbeitragen können, ist auf Institutsebene keine verpflichtende Einbindung der Studierenden vorgesehen. Entsprechend wandern Entscheidungen, die in die Hände von Institutsdirektorien oder -direktorInnen gegeben werden, hinter Türen, die Studierenden in aller Regel verschlossen bleiben. [Zurück]