Umstellung der Lehramtsstudiengänge beginnt

Neue Verordung fürs Lehramtsstudium (07.09.2009)

Die Umstellung der Magister- und Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master hat sich in der Praxis mehr oder weniger als Katastrophe erwiesen - selbst Bundesbildungsministerin Schavan musste dies inzwischen einräumen. Was sich in Baden-Württemberg an den Universitäten im Zusammenhang mit der Umstellung der Lehramtsstudiengänge abzeichnet, lässt eine Fortsetzung derselben erwarten und keineswegs eine sinnvolle, nachhaltige Reform des Lehramtsstudiums. Die Vorgaben des Ministeriums deuten hier und da eine Verschärfung der Probleme an -- u.a. im Bereich des Praxisbezugs und der Schulpraktika, sowie des Hochschulzugangs. Was hier verordnet wird, dürfte sich nicht nur für die künftigen Lehramtsstudierenden als wenig sinnvoll, sondern in nachhaltiger Weise auch für die Schulen als kaum praktikabel erweisen.

Lehramtsstudium in Baden-Württemberg

Angehende Gymnasiallehrkräfte studieren in Baden-Württemberg im Rahmen von Staatsexamensstudiengängen an den Universitäten. Der Staat erlässt in diesem Fall eine allgemeine Verordnung (die jedoch recht detailliert ist), die an den Hochschulen dann umgesetzt wird, außerdem ist der Staat an den Prüfungen beteiligt. Die Studierenden anderer Lehrämter studieren an den Pädagogischen Hochschulen (PHen) oder den Pädagogischen Fachseminaren, diese dreigeteilte Lehramtsausbildung ist einmalig in der BRD.

Ende August hat das Kultusministerium eine neue Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien (Gymnasiallehrerprüfungsordung I - GymPO I) erlassen. Die Verordnung muss bis zum 1.09.10, d.h. zum WS 10/11 von den Universitäten umgesetzt werden. Hierzu gibt es an der Uni Heidelberg eine uniweite Kommission sowie weitere Kommissionen auf Instituts- bzw. Fakultätsebene.

Geplante Veränderungen im Lehramtsstudium

Die Verordnung sieht vor, dass nun auch die Staatsexamensstudiengänge modularisiert werden. Lehramtsstudierende müssen künftig in Baden-Württemberg einen Lehrerorientierungstest und ein zweiwöchiges Orientierungspraktikum vor Studienbeginn absolvieren; das Praktikum kann noch bis zum Beginn des 3. Semesters abgelegt werden. Als neuer Studienbestandteil müssen zudem Module Personale Kompetenz absolviert werden, der Fachdidaktikanteil wurde erhöht. Wer das Schulpraxissemester ( SPS ) nicht besteht, kann kein Staatsexamen für das Lehramt mehr ablegen.

Der Reformbedarf der Lehramtsausbildung an den Universitäten im Ländle ist unbestreitbar und vielfach beschrieben worden. Umso wichtiger ist es, die Probleme ernsthaft anzugehen und eine stimmige Reform einzuleiten. Durch eine bloßen Übernahme der BA-Modularisierung, die sich in der Praxis derzeit meist als Verschlimmbesserung erweist, geht genau diese Chance verloren. Emanzipatorische Absichten können so nicht umgesetzte werden, wenn es nur drum geht, die von oben verordnete Reform mit möglichst wenig Aufwand umzusetzen.

Gut ist allerdings, dass sich Unis und Ministerien darauf einigten, keine BA-MA-Studiengänge mit einer Selektion nach dem BA einzuführen, sondern einen modularisierten 10-semestrigen Studiengang, der auch Raum für Reformimpulse hätte. Auch die geplante Erhöhung des Fachdidaktikanteils und die Einführung von Anteilen zur Ausbildung der "Lehrerpersönlichkeit" könnten eine Weiterentwicklung des Studiums ermöglichen. Allerdings lässt bereits der Entwurf befürchten, dass dies nicht wirklich angedacht ist; was anhand zweier Aspekte im Folgenden aufgezeigt wird.

Kritikpunkt 1: Praxisanteile werden nicht sinnvoll ins Studium eingebunden

Künftig ist ein selbst organisiertes Orientierungspraktikum in der Schule Voraussetzung für die Zulassung zum gymnasialen Lehramtsstudium. Ein Problem liegt darin, dass direkt nach der Schule der Perspektivwechsel vom Belehrten zum Lehrenden ohne Unterstützung selten vollzogen wird und das Praktikum somit herzlich wenig für das weitere Studium bringt. Hinzu kommt ein Orientierungstest. Derartige Tests dienen bereits jetzt letztlich dazu, Interessierten willkürlich einen Studienplatz zu verwehren und sind daher grundsätzlich abzulehnen.

Das SPS muss in Zukunft bestanden werden. Die Entscheidung, ob man weiter auf Lehramt studieren darf oder nicht, fällt der/die SchulleiterIn, der/die in die Organisation des Studiums zu keiner Zeit eingebunden war und evtl. die Person, über die er hier urteilt, nie im Unterricht gesehen hat und nur aufgrund von Berichten betreuender Lehrkräft urteilt. Im zweijährigen Referendariat stellte die erste Zeit an der Schule einen Orientierungsraum dar, nun wird der erste ernsthafte Schulkontakt damit belastet, dass am Ende eine Entscheidung über alles oder nichts steht. Solange die jetzige Praxis die Betreuung der PraktikantInnen und die angelegten Kriterien extrem schwanken und in diesem Bereich keine Änderungen angedacht sind, ist dies völlig inakzeptabel. Anstatt durch das SPS einen Austausch zwischen Schule und Universität, zwischen Theorie und Praxis zu ermöglichen, wird es nun zum Selektionsmittel.

Über eine Finanzierung des SPS - einige Studierende müssen sich für die Zeit ein zweites Zimmer und die Fahrtkosten selbst finanzieren - wird übrigens auch nicht nachgedacht. Ob sich in Zukunft nur noch reichere Studierende ein Lehramtsstudium leisten können, wird sich zeigen...

Kritikpunkt 2: Ansätze zur inhaltlichen Neugestaltung werden bereits im Vorfeld verspielt

Darüber was Modularisierung sein soll, hat man sich beim Formulieren offenbar keine großen Gedanken gemacht: es ist, z.B. bei Fachdidaktik, von "Modulen" im Umfang von 12 ECTS die Rede. 12 ECTS ergeben aber umgerechnet auf Lehrveranstaltungen ungefähr 2 - 3 Veranstaltungen. Hier könnte man ein einziges sinnvolles Modul aus aufeinander abgestimmten Veranstaltungen vorsehen. Stattdessen könnten nun aber auch zwei, drei oder vier "Module" eingeführt werden. Diese hätten dann den Umfang je einer Veranstaltung und müssten nicht aufeinander abgestimmt sein. Da jedes Modul mit einer Prüfung schließen muss, wird ohne Not die Zahl der Prüfungen erhöht: Prüfungsinflation statt Studienreform.

In welcher Form die Fachdidaktik angeboten werden soll, bleibt unklar. Stellen dafür gibt es weiterhin nicht, das Land stellt nur mehr Abordnungen von Lehrkräften zur Verfügung. (D.h. Lehrkräfte unterrichten statt in der Schule an der Uni Fachdidaktik). Bereits bisher wurde Fachdidaktik fast ausschließlich so angeboten. Forschung oder nur aufeinander abgestimmte Veranstaltungen sind so nicht machbar. Immerhin müssen die Veranstaltungen dann nicht mehr wie bisher oft über Studiengebühren finanziert werden...

Ausblick

Insgesamt ist es bedauerlich, dass keine Evaluation der letzten Umstellung von 2001 durchgeführt wird. Anstatt über ein besseres Studium nachzudenken, wird nun die oft unbefriedigende bisherige Praxis fortgeschrieben. Auch die Verzahnung der Praxisphasen mit dem Studium bleibt eine hohle Phrase. Zudem werden bei den geplanten Reformen bereits bestehende Tendenzen der Beschränkung des Hochschulzugangs verschärft.

Es ist zu befürchten, dass nur in einigen Fächern die Chance genutzt wird, die Studiengänge neu zu gestalten und ansonsten nur eine Umetikettierung vollzogen wird, die dann am Ende nicht nur die genannten negativen Folgen befördert, sondern auch bestehende Tendenzen der sozialen Ausgrenzung und Vermarktung von Wissen fortführt -- und eine Reform des Lehramtsstudiums aus den Augen verliert.

Um eine sinnvolle Studienreform vorzunehmen, reicht es nicht, allein auf einzelne Bereiche zu blicken. Die Entwicklungen müssen im Gesamtzusammenhang bedacht und vor diesem Hintergrund bewertet werden. Eine fitte Kommission an der Uni Heidelberg, engagierte und qualifizierte Zuarbeit aus den Fächern und ein Rektorat, das sich für das Lehramtsstudium stark macht, sind hierfür unabdingbar. Bisher wurden uniweit nur technische Details und formale Rahmenvorgaben diskutiert, es bleibt abzuwarten, welche Fächer hierüber hinausgehend, modularisierte Prüfungsordnungen vorlegen.

Es muss kaum erwähnt werden, dass die Beteiligung der Studierenden auch nicht so gut läuft. In einigen Fächern ist studentisches Engagement ohnehin wertgeschätzt und vorgesehen, in anderen muss es unabhängig organisiert werden. Wer Interesse hat sich an der Arbeit zu beteiligen, kann sich beim AK Lehramt der FSK oder den Fachschaften melden und sich über die Umsetzung vor Ort informieren.

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