Parteipolitik mal anders
Im November konstituierte sich wie in jedem Jahr der sogenannte "AStA", über den wir hier schon häufiger berichtet haben. Kurz gefasst handelt es sich um ein mundtotes Gremium, welches in Baden-Württemberg 1977 unter Ministerpräsident Filbinger eingeführt wurde, um über das Verbot der Verfassten Studierendenschaften VS hinwegzutäuschen. In ganz Baden-Württemberg wird dieser Ausschuss an den Hochschulen in der Regel durch ein u-Modell, ein unabhängiges Modell, ersetzt. In Heidelberg ist dieses u-Modell die Fachschaftskonferenz (FSK). Sie setzt sich im Gegensatz zum "AStA" ohne gesetzliche Restriktionen und allgemein für die Studierenden ein - der "AStA" dürfte sich beispielsweise nicht zur Hochschupolitik oder zum Semesterticket äußern.
Um dem Gesetz Genüge zu tun, konstituierte sich der "AStA" einmalig, wählte eineN VorsitzendeN, beschloss einen Haushalt zur Vergabe der knappen Mittel zur "Förderung studentischer Belange durch den AStA" und trat danach nicht mehr zusammen, da er ja ohnehin nicht über die Interessen der Studierenden zu sprechen hat. So war es zumindest bisher.
Basierend auf den Ergebnissen der letzten Senatswahl hat es sich in diesem Jahr (wie auch schon zweimal in früheren Jahren) ergeben, dass die Liste der FSK keine absolute Mehrheit bei den Senatswahlen erreicht hat. Im Gegensatz zu den früheren Fällen haben sich in diesem Jahr allerdings die parteipolitischen Hochschulgruppen Jusos, GHG, LHG und RCDS zusammengeschlossen, um gemeinsam die bisherige Praxis, den "AStA" als mundtotes Gremium nicht tagen zu lassen, zu beenden. Dies kam sehr überraschend, waren zumindest Jusos und Grüne bisher gegen den "AStA" badenwürttembergischer Ausprägung und wollten ihn nicht als Studierendenvertretung legitimieren. Die Grünen waren in ihrer wilden Zeit vor 20 Jahren sogar "Gründungsmitglieder" der FSK.
Ein kleines Überbleibsel dieser inzwischen wohl abgelegten Vorstellungen ist allerdings noch zu erkennen. Formal wollten die Juso/GHG/LHG/RCDS-Koalition gar nicht der "AStA", sondern einen "VFA" - einen "Vorübergehenden Finanzausschuss" einsetzen. Betrachtet man jedoch die von ihnen geplante Zusammensetzung des "VFA", wird schnell zur Gewissheit, was man bereits vermuten kann: Es sollte eigentlich der "AStA" tagen, nur unter anderem Namen - und anderem Vorsitz: bei Finanzfragen hat nicht die GHG den Vorsitz, sondern der RCDS. Ob die Wählerinnen und Wähler der Jusos und der GHG dies mit ihrer Stimme unterstützen wollten?
Getreu diesen Umbennungsspielchen der bunten Koalition wurden anfangs auch die FSK-Vertreter_innen im "AStA" Mitglied des VFA. Zumindest wurden sie auf dessen Homepage aufgeführt. Dass die FSK-Vertreter_innen weder gefragt noch darüber informiert wurden, zeigt, auf welche Art und Weise hier gearbeitet werden soll. Dass man nicht einmal die Namen aller vorgeblichen Mitglieder richtig schreibt, zeigt, wie bereits gearbeitet wird. Unabhängig davon hatten alle FSK-Vertreter_innen bereits im Vorfeld der konstituierenden "AStA"-Sitzung unmissverständlich klar gemacht, dass sie für eine inhaltliche Arbeit im "AStA" aus den bekannten Gründen nicht zur Verfügung stehen, sondern weiterhin im unabhängigen Studierendenvertretungsmodell arbeiten wollen. Die FSK wird sich daher auch nicht an den als "VFA" getarnten "AStA"-Aktivitäten beteiligen. Da die einzige Aktivität der Runde besteht, Geld zu verteilen wäre eigentlich die Bezeichnung ZASTA weitaus passender gewesen.
Update (25.11.2009): Die (angeblichen) FSK-Vertreter_innen im "VFA" haben gegenüber den Webseiten-verantwortlichen ihre Irritation darüber geäußert, dass sie in diesem Ausschuss Mitglied sein sollen, obwohl sie dem nie zugestimmt haben. Zwar gab es keine Antwort auf die Bitte um Erklärung, es wurde aber mit einer Webseitenänderung reagiert. Die aktuelle Version der Seite zeigt im Vergleich zur oben verlinkten Version keine FSK-Mitglieder mehr. Ob diese Änderung lediglich die Korrektur eines Kommunikationsfehlers zwischen den GHG/RCDS-Vorsitzenden des "VFA"/"AStA" und der Webadministratoren war, oder ob die Zusammensetzung des "VFA" tatsächlich durch einen Eilentscheid des RCDS/GHG-Vorsitzes geändert wurde ist unklar.
Update (26.11.2009): Aus Sicht der Juso-Hochschulgruppe ist der "VFA" nach den Mehrheitsverhältnissen des "AStAs" besetzt. Dies legt den Schluss nahe, dass die zuerst verlinkte Zusammensetzung doch die ursprünglich gewollte war und inzwischen durch Beschluss des GHG/RCDS-Vorsitzes abgeändert wurde. Offenbar wurde diese Änderung den Mitgliedern aber noch nicht mitgeteilt.
Bevor Missverständnisse entstehen: der "AStA" wird aus den vier Studierenden gebildet, die bei den Senatswahlen in den Senat gewählt werden sowie sieben weiteren, die Mitglied im Senat wären, wenn es dort mehr Plätze für Studierende gäbe. Die FSK kandidiert für den Senat, da sie dort die in den Fachschaften, Arbeitskreisen und Referaten erarbeiteten Positionen einbringen und vertreten will. Eine Mitgliedschaft im Senat bedeutet eine Zwangsmitgliedschaft im "AStA". Ein Rücktritt im "AStA" bedeutet einen Rücktritt im Senat - wer also studentische Interessen im Senat vertreten will, muss zwangsweise "AStA"-Mitglied sein. Die FSK stellt Mitglieder in diesem Scheingremium also nur, weil es der einzige Weg ist, im Senat mitzuwirken. Zudem tritt die FSK für die Mitbestimmung aller Gruppen an der Hochschule ein, z.B. durch Mitarbeit in der AG Studentische Mitbestimmung (AGSM).
Wie die Arbeit im "VFA"/"AStA" ablaufen wird, ist bereits durch die erste "AStA"-Sitzung vorgezeichnet. Dort wurde zunächst ohne größeres Nachdenken der (übrigens von der FSK erstellte) Haushalt des Vorjahres vorgelegt (inklusive einiger längst obsoleter Bemerkungen zu Buchungsfehlern des Jahres 2007 sowie eines korrekt übertragenen Rechtschreibfehlers). Nachdem die FSK-Vertreter_innen anmerkten, dass dieser Haushalt nicht aktualisert sei, entwickelte die Koalition erst in der Sitzung einen neuen Haushalt, den wir hier nicht kommentieren möchten, von dem man sich aber hier selbst ein Bild machen kann. Ein Ergänzungsantrag der FSK-Mitglieder, z.B. für den Bildungsstreik, den Unimut oder den Antifa-AK explizit Gelder einzuplanen, fand keine Zustimmung der Koalition - Begründung gab es dafür keine. Wir können erwarten, dass diese Arbeitsweise nun im als "VFA" bezeichneten "AStA" fortgesetzt werden soll. Was das für einzelne Gruppen bedeutet, die bislang unterstützt wurden, ist unklar.
Update (19.12.2009): Die Zusammensetzung des vfa hat sich inzwischen zahlenmäßig wohl eingependelt: nachdem man der FSK zwischenzeitlich 6 Plätze zugewiesen hatte, hat sich die Zusammensetzung inzwischen über längere Zeit hinweg konstant bei der Zahl der Plätze im "AStA" eingependelt.
Veränderungen gab es bei der personellen Zusammensetzung: es gab eine Rücktrittswelle bei den Jusos: Mia Koch und zwei weitere nachrückende Jusos, Gerri Kannenberg und Carola Rühling, traten im Senat zurück, so dass nun Christian Soeder für die Jusos im Senat sitzt. Da im vfa unabhängig von den Uniwahlen irgendjemand sitzen kann, haben die Jusos Tobias Vorlaufer hierfür gewählt. Beim RCDS gab es auch einen Rücktritt: Julia Dingemann ist nicht mehr stellvertretende RCDS-Vorsitzende. Sie wurde auch vom RCDS nicht als stimmberechtigtes Mitglied in den vfa gewählt - dieses Amt hat jetzt Peter Braun inne. Allerdings bleibt Julia Vorsitzende des vfa und Ansprechperson im vfa für den RCDS. Der vfa hat inzwischen auch eine Geschäftsordnung.
Aktualisierung (02.02.2010): Julia ist nicht mehr Mitglied des RCDS. Sie bleibt aber im vfa, denn mit den Leuten vom vfa versteht sich sich prima - nur mit den Jungs vom RCDS läuft es halt nicht mehr so gut ... Etwas unklar ist, was das bedeutet: Der RCDS glaubt, er sei jetzt weiterhin Mitglied im vfa - obwohl keine im "AStA" vertretene Gruppe mehr. Die Jusos, LHG und Julia gehen davon aus, dass Julia jetzt eine neue Gruppe suchen muss und ihre Stimme in diese mitnimmt - obwohl die im vfa ja schon von Peter geführt wurde. Die GHG mag zwar Julia auch und will sie weiterhin als vfa-Vorsitzende halten, will aber auch Peter und damit dem RCDS eine Stimme im vfa geben - obwohl sie sein Verhalten gegenüber Julia unmenschlich findet.
Der RCDS fordert jetzt bis nächste Woche einen Beschluss des vfa. Wir sind gespannt, wer da mitstimmen darf. Vorsitzende des vfa bleibt Julia aber auf jeden Fall. Nach Satzung prinzipiell auf ewig, denn der/die Vorsitzende wird in der ersten Sitzung des vfa gewählt und nur bei Rücktritt wird Neuwahl erforderlich.