Zwei Stunden nach der Vollversammlung der Studierenden tagte ebenfalls im Neuenheimer Feld, nämlich in der Aula im Klausenpfad, der Große Senat, ein erlauchtes Gremium, in dem neben allerlei Dekanen und anderen Habilitierten tatsächlich auch sieben Studis sitzen -- und diesmal waren rund zweihundert weitere auf den Rängen vertreten, denn der Große Senat ist das einzige offizielle Uni-Gremium, das sich dem Beispiel der FSK angeschlossen hat und öffentlich tagt.
Die Öffentlichkeit war also diesmal vertreten und konnte sich aus erster Hand überzeugen, wie Uni-Demokratie von heute aussieht, schon bei der Tagesordnung bügelten die Professoren mit ihrer Mehrheit zwei Tagesordnungspunkte von studentischer Seite nieder. Themen wie eine Verlängerung der Rückmeldefrist und eine Resolution gegen Studiengebühren fanden die Spectabilitäten und Magnifizienzen nicht besonders interessant. Nun, diese Blockabstimmung brachte die Studis ordentlich auf, die folgende Sitzung wurde mit reichlich Zwischen- und Buhrufen, hin und wieder auch Applaus und Gesängen begleitet und so sicher zum interessantesten Großen Senat seit 20 Jahren.
Die Studis waren unter anderem gekommen, weil ein neuer Rektor gewählt wurde (davon war an dieser Stelle schon die Rede): Jürgen Siebke, ein VWLler, der allem Anschein nach stolz auf seine Reputation als Studifeind ist. Jedenfalls hatte er keine Probleme, einfach so zu verkünden, er finde Studiengebühren Klasse, und zwar nicht mal, weil sie Geld bringen, sondern vor allem, weil sie so wunderbare Marktelemente in die Unilandschaft einführen -- was dann auch der langjährige Vorsitzende des großen Senats, der Jurist Höpfner, für eine im europäischen Kontext "wenig opportune" These hielt. Klar, inneruniversitäre Demokratie ist für Siebke auch Quatsch, nur weil die BRD eine Demokratie ist, müsse die Uni das noch lange nicht sein. So ätzte unser neuer Rektor noch eine Weile rum, bis er so in so etwa allen kritischen Fragen gerade die studifeindlichste Position geäußert hatte und das Spiel allmählich langweilig wurde.
Im letzten Satz ist dann schon verraten, dass Siebke am Schluss natürlich mit souveräner Profmehrheit gewählt wurde -- allerdings nicht ganz unbehindert, die Studis störten diese "Wahl", wo sie konnten. Einige der Profs erinnerten dabei ein wenig an Marie Antoinette (das war die mit "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen"); sie verwechselten diese Forderung nach echter Demokratie mit Anarchie. Wesentlich weniger Einsicht hatte die französische Königin auch nicht für die Sorgen der Demo vor ihrem Schloss. Wir alle wissen, was mit Marie Antoinette geschah...
Besonders nett noch eine Szene: Einer der Profs meinte, vor sechs Jahren habe die Uni einen Juristen gebraucht (Herrn Ulmer nämlich), heute brauche sie einen Volkswirt (und er sei Herrn Siebke ja so dankbar etc.pp). Antwort aus dem Publikum: Wenn das so weitergeht, dann brauchen wir bald einen Historiker.
Nun, heute jedenfalls haben die Studis mal wieder gezeigt, dass sie das "Weitergehen" nicht so einfach hinnehmen werden. Und noch stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich Historiker mal mit unserem Widerstand beschäftigen werden -- Historiker an demokratischen Unis, die sich nicht als Durchlauferhitzer zwischen Abi und Industrie verstehen,denn
Dieser Artikel wurde zitiert am: 07.02.2001