Das "Es kommt nichts besseres nach", das wir bei der Neubesetzung des obersten Studienberaters in Heidelberg konstatieren wollen, ist kein final gültiges Gesetz: Bei der Wahl des neuen Rektors haben die einschlägigen Kreise dieses Mal eine bessere Hand bewiesen als seinerzeit mit der des cholerischen, verbohrten und zur Selbstüberschätzung neigenden Siebke. Dies zumindest kann mensch als Fazit einer kleinen Gesprächsrunde ziehen, die heute in der ESG stattfand. Trotz Aushängen der ESG und Einladung im UNiMUT fanden sich neben zwei MitgliederInnen der Redaktion nur noch zwei Studentinnen und zwei anderweitig mit der Universität verbundene Männer ein.
Ein gewisses Format jedenfalls kann mensch dem künftigen Rektor Hommelhoff nicht absprechen. Er tritt weit sicherer auf als Siebke und teilt auch nicht dessen fanatische Verehrung für Studiengebühren -- auf Nachfrage erklärte er sich für unzuständig in dieser Frage, die Langzeitstudiengebühren, von anderen gern als marktorientierter Exorzismus für alles Böse an der Uni porträtiert, sieht er als kleinen Kunstgriff, um abgabensparende Taxifahrer von der Universität zu weisen. Dass er da ganz andere Schicksale schlicht ignoriert, steht ebenso auf einem anderen Blatt wie seine unübersehbare Bereitschaft, in das gewohnte Brambarasieren von Exzellenz und Wettbewerb einzustimmen. Aber gut: Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn einE RektorIn seinen/ihren Job bekommen würde, ohne die großen Klingelwörter anzustimmen.
Und immerhin: Wenn Hommelhoff von einem Studi gefragt würde, ob dieseR lieber in der Regelstudienzeit fertig werden oder aber zwei Semester länger brauchen und dafür fleißig in der Fachschaft oder anderen etwas fachfremden Feldern arbeiten soll, würde er, "ganz klar", zu zweiterem raten. Ja, er will sogar versuchen, künftigen NachfragerInnen nach Studis klarzumachen, dass das Starren auf die Studienzeit nicht Sinn der Sache sein kann.
Ebenfalls als gutes Zeichen muss mensch in diesen Zeiten werten, dass es wieder einen Prorektor für Lehre geben soll. Während Siebkes Rektorat gab es das nicht, angeblich, weil für Siebke Lehre Chefsache gewesen sei. Dass davon nicht viel zu merken war, brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht extra zu erwähnen. Unerfreulich an diesem Entschluss ist allenfalls die von Hommelhoff angegebene Motivation, denn als Indikator für die "Qualität der Lehre" zog er ausgerechnet die wohlbekannten Hochschulrankings heran.
Ebenfalls eher bedenklich klangen Visionen -- der Titel der Veranstaltung war auch "Visionen für die Hochschule" --, nach denen die Uni sich ein größeres Stück vom Weiterbildungskuchen abschneiden möchte. Im Raum stand greifbar, dass solche Kurse eine wahre Goldgrube sind, 5000 Mark für einen Wochenkurs würden da noch als Sonderangebot erscheinen. Wie sich solche massiv gebührenpflichtigen Angebote mit gebührenfreiem Studium vertragen werden, mag sich die Redaktion nicht ausdenken.
Geradezu verblüffendes Problembewusstsein bewies der neue Rektor mit seiner Einführung eines vieren Prorektors und zwar für interne Entscheidungsprozesse. Dennoch hat er sich bisher eine gewisse Naivität erhalten darüber, wie es in einigen Fakultäten abgeht. Als eine Studentin erzählte, dass Prüfungsordnungen per Tischvorlage oder gleich gar nicht im Fakultätsrat beschlossen werden, meinte er, solche Entscheidungen könne man mit drei Zeilen kassieren; zumindest unter dem alten Rektorat wird dies nicht so gehandhabt, wie das Beispiel der OP Germanistik zeigt (vgl. letzte Senatssitzung).
Der Hinweis, dass in Altstadtfakultäten oft nicht alle Fächer durch Studierende vertreten sind und daher die Studierenden eines Faches an der Beschlussfassung z.B. einer Prüfungsordnung nicht beteiligt sind, machte den Rektor in spe eher betroffen, ja er konnte es nicht glauben, kündigte aber an, dass er dafür sorgen werde - vor allem bei der anstehenden Einrichtung neuer großer Altstadtfakultäten - dass Studierende auch auf Fachebene beteiligt werden. Die Redaktion, die weiß, wie oft allein die Möglichkeit, Institutsbeiräte einzuführen abgelehnt wurde und dass die inzwischen die Möglichkeit besteht, auch Studierende beratend im Rahmen des § 23 (3) Grundordnung an der Entscheidungsfindung auf Institutsebene zu beteiligen, ist gespannt, wie vehement sich der Rektor der Sache annehmen wird...
Und schließlich -- nur, um dem Eindruck, der neue Rektor sei so etwas wie ein Messias, entgegen zu treten: Der Standesdünkel winkt auch bei ihm, etwa in seinem Hinweis, die Habilitation habe, gerade in den Geisteswissenschaften, oft genug "enorme Erkenntnisfortschritte gebracht". Dem mag so sein, und vielleicht kann eine Behauptung in dieser Art auch helfen, die im neuen HRG vorgesehene Juniorprofessur abzubiegen -- letztlich ist aber jedes Argument für die Habilitation ein Argument für die Zementierung der Mehrklassenuni mit einem aus C4-Professoren bestehendem Feudaladel, dessen Vasallen im Mittelbau und entrechtetem Fußvolk im Hörsaal. Auch der Vorschlag, die Lehre durch regelmäßige Gespräche mit den Studiendekanen zu verbessern, ist angesichts der Durchsetzungskraft der meisten Amtsinhaber in ihren Fakultäten, insbesondere in der Altstadt, eher eine Floskel als ein Programm.
Ansonsten bittet die Redaktion, Hinweise auf Veranstaltungen dieser Art doch bitte ernster zu nehmen und die Gelegenheiten, mit dem Hochadel zu kommunizieren, auch wahrzunehmen. Unter Bararossa nämlich hatte es die nicht gegeben...
Oh -- als Nachtrag eine kleine Abmilderung: Um 20.15 erschienen 7 wissbegierige ausländische DoktorandInnen, die sich auf die Ankündigung im gedruckten Semesterprogramm der ESG verlassen hatten, da war die Veranstltung leider mit 20.15 angekündigt.