"Es ist und bleibt grotesk, dass eine einflussreiche, hochintellektuelle Presse es in den letzten Jahren wagen durfte, unser geistiges Leben mit einer zäh und konsequent anti-arischen Propaganda zu durchsetzen" -- geschrieben hat das nicht ein Mitglied der Burschenschaft Normannia im Bezug auf den UNiMUT, sondern Hans Prinzhorn, von 1919 bis 1921 Assistent an der psychiatrischen Uniklinik Heidelberg und bekannt vor allem wegen seiner Sammlung von Kunstwerken psychiatrisierter Menschen. Dabei ist "sammeln" vielleicht nicht immer das richtige Wort, denn die KünstlerInnen wurden im Regelfall nicht gefragt und natürlich schon gar nicht nach Im- oder Expressionismus klassifiziert. Noch heute finden sich eher Label der Sorte "Schizophrenie", "Paranoia" oder "degenerativer Schwachsinn".
Das Resultat dieser Tätigkeit, die "Sammlung Prinzhorn", stellt die Uni jetzt in neuen Gebäuden aus, pikanterweise in einem Hörsaal, in dem Prinzhorns Nachfolger -- etwa Carl Schneider, der sein Direktorenamt an der Psychatrie mit der Leitung des "Rassepolitischen Amtes in Heidelberg" verband -- die Euthanasiepolitik der Nazis verkündeten. In einer Presseerklärung feiert Uni-Pressesprecher Schwarz den Umzug als eine "Professionalisierung". Doch nicht nur Antifa-Gruppen finden, dass die Ausstellung -- zudem an diesem Ort -- viel zu wenig Distanz zur Entstehung und Geschichte der Sammlung zeigt.
Tatsächlich hatte der Bundesverband der Psychiatrieerfahrenen (BPE) schon 1996 eigene Pläne mit der Sammlung: Sie sollte Kernstück des Haus des Eigensinns werden, das wiederum Teil der einer Gedenkstätte für die Opfer des NS-Euthanasieprogramms in dessen Planungszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 geworden wäre.
Die Ansicht der Universität zu diesem Tauziehen kann mensch auf der Webseite der Sammlung Prinzhorn nachlesen -- im Wesentlichen soll demnach der BPE die Bilder -- oder auch nur einen Teil der Bilder -- nicht bekommen, weil der Glanz der (Beute-)Kunst nur auf die Uni Heidelberg fallen soll.
Nun ist natürlich nicht ganz klar, dass ehemals Psychatrisierte ein größeres Recht auf die Bilder haben als die Uni, in der die Patienten damals einsaßen. Andererseits lässt der Ausstellungskatalog schon ahnen, dass die Uni-AusstellungsmacherInnen die offensichtlich zweifelhafte Person Prinzhorns, den wohl nur die Gnade eines frühen Todes 1933 vor einer tieferen Verstrickung in den NS-Massenmord bewahrte, die historisch belastete Stätte und überhaupt die vielen dunklen Kapitel in der Geschichte der Heidelberger Psychiatrie allenfalls ganz am Rande thematisieren. Wäre dies schon unter normalen Umständen anrüchig, reicht es angesichts der Tatsache, dass viele der ausgestellten KünstlerInnen der Mordmaschine der Nazis zum Opfer gefallen sind, schon stark ins Gruselige -- die Erwartung, der BPE hätte hier bessere Arbeit geleistet, ist wohl durchaus berechtigt.
Solche Überlegungen bewogen die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), zur kritischen Begleitung der feierlichen Eröffnung der "neuen" Sammlung Prinzhorn aufzurufen. Die erste Gelegenheit dazu ist am 30.8. um 17.45 am Universitätsmuseum (das ist im Rektorat in der alten Uni), wenn dort die Ausstellung "Leben und Werk Hans Prinzhorns" eröffnet wird -- die AIHD setzt dagegen das Motto "Keine Ehrung für Faschisten".
Am 11.9. wird um 20 Uhr im TIKK-Theater im Karlstorbahnhof eine Veranstaltung mit BPE-Sprecher René Talbot stattfinden, und zur offiziellen Eröffnung der Sammlung am 13.9. soll dann vor dem neuen Gebäude in der Voßstraße 2 selbst demonstriert werden, die Uhrzeit hier ist 15.45.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.09.2001, 30.08.2001