Das hier ist ein Text, den der UNiMUT nicht direkt I geschrieben hat, den wir aber entweder total scheiße oder I| beeindruckend gut finden. I| ============================================================| ------------------------------------------------------------ Richtungsentscheid in der Studiengebührenfrage Am 25.07.2001 verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Berlin über die Rechtmäßigkeit der in Baden-Württemberg bestehenden sogenannten Langzeitstudiengebühr. In diesem Zusammenhang stellen wir Ihnen die von uns als wesentlich erachteten politischen und juristischen Argumente gegen diese Studiengebühr vor. Am 24.04.1997 verabschiedete der Landtag von Baden-Württemberg das Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) mit den Stimmen von CDU, FDP und Republikanern. Dieses von Anfang an umstrittene Gesetz führte in Baden-Württemberg allgemeine Studiengebühren in Höhe von 1000,- DM pro Semester ein. Durch die gleichzeitige Einführung des sogenannten Bildungsguthabens tritt die Zahlungspflicht nach einer Überschreitung der sogenannten Regelstudienzeit um mehr als vier Semester ein. Berechnungsgrundlage sind dabei die Hochschulsemester, nicht die Fachsemester. Studierende, die im Laufe ihres Studiums ihre Fächerwahl ganz oder z.T revidieren, geraten quasi unvermeidbar in die Gebührenpflicht. Dadurch fallen die Gebühren sehr häufig schon vor dem Erstabschluss an bzw. gefährden oder verhindern diesen. Zahlreiche Studierende klagten nach Einführung der Studiengebühren gegen das Gesetz. Inzwischen stehen die ersten vier Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin zur Entscheidung an. Die juristische Argumentation gegen das Landeshochschulgebührengesetz stützt sich im wesentlichen auf folgende Gesichtspunkte: 1) Das Land Baden-Württemberg ist für die Gesetzgebung in Sachen Studiengebühren nicht zuständig, das LHGebG ist somit aufgrund der Kompetenzüberschreitung verfassungswidrig. Dies ergibt sich aus der Rahmenkompetenz des Bundes für das Hochschulwesen in Verbindung mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz länder- und bundesfreundlichen Verhaltens. Das Land Baden-Württemberg verstößt gegen diesen Grundsatz, da es Studienzeiten aus anderen Bundesländern in Baden-Württemberg nachträglich gebührenpflichtig erklärt ( indem sie vom Bildungsguthaben abgezogen werden), ohne dass diese eingebunden gewesen wären oder selbst einen Teil der erzielten Einnahmen erhielten. 2) Weiterhin verletzt das Landeshochschulgebührengesetz das in Art.12 Grundgesetz geschützte Recht auf Berufswahlfreiheit. Der von der baden-württembergischen Landesregierung zur Begründung angeführte ordnungspolitische Lenkungszweck des Gesetzes kann einen derartigen Eingriff in das Grundrecht nicht rechtfertigen. Im Widerspruch zum erklärten Ziel der Landesregierung, Studienzeiten zu verkürzen, bedeutet die zusätzliche Belastung von umgerechnet 167;-DM netto pro Monat für die Betroffenen in aller Regel ein Hindernis bei der Erlangung des Studienabschlusses und führt nicht selten zu einer Verlängerung der Studienzeit gerade bei jenen, die ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbsarbeit sichern. Die Landesregierung will einen Rückgang um rund 18000 Studierende seit Einführung des Gesetzes als Erfolg verkaufen, ohne dass die Zahl der Abschlüsse in diesem Zeitraum relevant angestiegen wäre. So zeigt sich das Gesetz als Instrument der wirtschaftlichen Auslese. 3) Desweiteren verstößt das LHGebG gegen das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot und gegen den ebenfalls verfassungsrechtlich gesicherten Vertrauensschutz. Im Zuge der Einführung der Studiengebühr wurden bereits vor der Verabschiedung absolvierte Hochschulsemester nachträglich gebührenpflichtig erklärt. Wenn auch nachträglich kein Geld eingefordert wurde, so führten diese Semester dennoch zu einer Reduzierung des sogenannten Bildungsguthabens und damit zu einer früher eintretenden Zahlungspflicht. Studierende, die bereits vor der Verabschiedung des Landeshochschulgebührengesetz eingeschrieben waren, wurden mitten im Studium mit einer Gebührenpflicht konfrontiert, die langfristige Studienplanungen über den Haufen warf. Die sogenannten Langzeitstudiengebühren wurden ungeachtet der sozialen und wirtschaftlichen Lage der meisten Studierenden eingeführt. Es wurde vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt, dass ca. 65% der Studierenden regelmäßig erwerbstätig sind und rund 16% mit der Situation konfrontiert sind sich ihren Lebensunterhalt in einer konfliktreichen Doppelrolle selbst zu finanzieren. Die Sicherung des Lebensunterhaltes stellt hierbei entgegen der landläufigen Meinung den Hauptgrund für die Erwerbstätigkeit dar. Gerade gegen Ende des Studiums stellt die Studiengebühr die Studierenden vor häufig unüberwindbare Schwierigkeiten, da nahezu drei von vier Studierenden erwerbstätig sein müssen und der Mühle zwischen Job und Examen nur durch eine gezielte Streckung des Lernpensums entgangen werden kann. Dies zeigt, wie anfällig das Öko(nomische)-System StudentIn ist. (Zahlen aus der Studie "Die soziale Lage der Studierenden in Baden-Württemberg", 1999, der landesspezifischen Aufarbeitung der 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.) Die Landesregierung sieht in der Studiendauer eines der Hauptprobleme der Hochschulen. Sie reflektiert aber nicht, dass lange Studienzeiten nicht per se unsinnig sind (z.B. zwei sich ergänzende Studienabschlüsse; Fachwechsel; faktisches Teilzeitstudium wegen Erwerbstätigkeit oder Kindererziehung). Sie sah sich bisher auch nicht in der Pflicht herauszufinden, weshalb längere Studienzeiten entstehen. Vielleicht weil sie befürchtet, dabei mit den Mängeln ihrer eigenen Hochschulpolitik konfrontiert zu werden. Es scheint sehr viel einfacher sich nicht intensiver mit den sog. Langzeitstudierenden auseinanderzusetzen, sie aber stark und pauschal zu kritisieren. Zur Berechnung des sogenannten Bildungsguthabens werden Regelstudienzeiten herangezogen. Hier wird nicht zur Kenntnis genommen, dass Regelstudienzeiten Anfang der 80er Jahre eingeführt worden sind, um die Hochschulen zu verpflichten, das Studienangebot so auszurichten, dass es möglich ist, ein Studium in der entsprechenden Zeit zu absolvieren. Dies ist bis heute in vielen Studiengängen allenfalls auf dem Papier gelungen. Die Landesregierung Baden-Württembergs stellt diesen Ansatz auf den Kopf und verpflichtet nun die Studierenden, innerhalb der Regelstudienzeit das Studium zu beenden. Die noch immer existenten Defizite in den Studienbedingungen werden weder öffentlich eingestanden noch gar einer strukturellen Kritik unterzogen, sondern den RegelstudienzeitüberschreiterInnen als individuelles Versagen in die Schuhe geschoben. Eine aktuelle Studie (November 2000) des Hochschul-Informationssystems (HIS) weist darauf hin, dass nach wie vor Kinder aus Familien der sogenannten bildungsfernen Schichten an der Hochschule unterrepräsentiert sind. Weiterhin besäßen Kinder aus Elternhäusern mit hohem kulturellen, sozialen und ökonomischen Potential große Vorteile. Unserer Auffassung nach haben Studiengebühren - auch sogenannte Langzeitstudiengebühren - gerade auf jene potentiellen Studierenden einen Abschreckungseffekt, deren Studienfinanzierung nicht über ein finanzstarkes Elternhaus abgesichert ist. So mag der Hochschulzugang in der Theorie gesichert sein, der Abschluss wird aber in der Praxis oft genug verhindert. Studiengebühren potenzieren dieses Risiko. Die Landesregierung ignoriert die tatsächliche Situation der Studierenden. Um Statistiken vordergründig zu bereinigen und den Anschein innovativer Hochschulpolitik hervorzubringen, wird das Bauernopfer vieler Tausend StudentInnen gebracht, deren weiterer Lebensweg und deren beruflichen Aussichten die Regierung kalt lässt. Das Ganze ist eingebettet in eine Politik, die ihre Aufgabe nicht in der Gewährleistung eines öffentlichen Bildungswesens sieht, sondern es lediglich auf eine ökonomisch maximal (aus)nutzbare Bildungselite abgesehen hat. Das Landeshochschulgebührengesetz nimmt bundesweit eine Türöffnerfunktion für Studiengebühren in jeglicher Form ein. Viele Bundesländer stehen mit Gesetzentwürfen zur Einführung oder Ausdehnung von Studiengebühren in den Startlöchern. Deshalb wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Signalwirkung nicht zu unterschätzen sein. Um weitere Signale gegen die Einführung und für die Abschaffung von Studiengebühren zu setzen, wird der Berliner Aktionsrat begleitend zum Verhandlungstermin demonstrative Aktionen vor dem Bundesverwaltungsgericht unternehmen. Hierzu möchten wir Sie einladen, wobei wir den genauen Ort und die genaue Zeit leider erst später bekanntgeben können. Wir hoffen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht unserer Einschätzung von der Verfassungswidrigkeit des Landeshochschulgebührengesetzes anschließen wird. Die Konsequenz wäre eine Vorlage vor das Bundesverfassungsgericht und möglicherweise die Nichtigerklärung des Gesetzes. Die unterzeichnenden Arbeitsgruppen und Organisationen sehen im juristischen Kampf gegen Studiengebühren nur einen Teil ihrer Aufgabe. Letztlich müssen Studiengebühren politisch verhindert werden. Am 24.7. wird eine Pressekonferenz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin stattfinden, bei der auch VertreterInnen der unterzeichnenden Gruppen Rede und Antwort stehen werden. Eine Einladung wird Ihnen rechtzeitig zugehen. Diese Presseerklärung wurde verfasst von VertreterInnen der folgenden Gruppen und Organisationen: AG Rechtsstreit Landeshochschulgebührengesetz Berliner Aktionsrat Landesausschuss der Studentinnen und Studenten der GEW Baden-Württemberg (LASS Ba-Wü) Anti-1000-AK Karlsruhe Freiburger Initiative gegen Bildungsabbau und Studiengebühren e.V. (FIBS) u-asta Universität Freiburg Landes-ASten-Konferenz Baden-Württemberg (LAK) Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) ---- Die Rechte für dieses Dokument verbleiben bei der/dem AutorIn. Der UNiMUT distanziert sich von allem, was hier drin steht.