Das hier ist ein Text, den der UNiMUT nicht direkt I geschrieben hat, den wir aber entweder total scheiße oder I| beeindruckend gut finden. I| ============================================================| ------------------------------------------------------------ Hochschulrektorenkonferenz - Der Präsident Bonn, 4. März 2002 Sehr geehrte Frau Böttcher, für Ihr Schreiben vom 21.2.2002 danke ich Ihnen. Dass die HRK direkt nach der fünften eine 6. HRG-Novelle, zumal mit den angestrebten Regelungszielen, - für überflüssig hält, dürfte Ihnen bekannt sein. Das gilt für den Koalitionsentwurf wie für den Ihrer Fraktion. Kurz die Gründe unserer Ablehnung. 1. Es gibt keine Zuständigkeit des Bundes in verfassungsrechtlicher Hinsicht für die angeblich zu regelnden Felder. 2. Es gibt keinen Regelungsbedarf durch den hier mal wieder "Obrigkeit" spielenden Staat. 3. Die Behauptung, jegliche Art von Kostenbeiträgen von Studierenden sei unsozial und schrecke vom Studieren ab, ist im internationalen Vergleich empirisch unhaltbar. Unsozial ist die gegenwärtige Situation, die die oberen Einkommensschichten bevorzugt, unsozial ist die Unterfinanzierung von Kindertagesstätten, von Grundschulen und Hochschulen (siehe neueste Studie von Manfred G. Schmidt). Nachlaufende Gebühren aus dem Bruttoeinkommen von Hochschulabgängern in moderater Höhe, direkt über privatrechtlichen Vertrag an die jeweilige Hochschulen bezahlt, die Verwendung der Einnahmen freiwilliger studentischer Zusammenschlüsse (vgl. die anglo-amerikanischen Student-Unions), das wäre jedenfalls sozialer, hülfe den Hochschulen (nach ein paar Wartejahren) und wäre zugleich Motivation für studentisches Engagement. 4. Die international völlig unübliche Zwangskorporation "Studentenschaft" ist ein Organisationsmodell von vorgestern. Seine historischen Vorbilder finden Sie in den Geschichtsbüchern der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dort wo heute noch die Zwangskorporation in den Ländern existiert, verfügen die studentischen "Parlamente" bei Wahlbeteiligungen von ca. 5 - max. 20 Prozent über eine äußerst dünne, die darauf gesetzten ASTEN, oft mit knappen, wechselnden Mehrheiten operierend, eigentlich über gar keine demokratische Legitimierung. Andererseits: Das HRK-Präsidium tritt mit Nachdruck für eine Stärkung studentischen Engagements und studentischer Mitwirkung in den Hochschulen ein, hält allerdings den von beiden Gesetzentwürfen vorgesehenen Zwangsweg für phantasielos, altmodisch und die angestrebten Ziele verfehlend. Wir werden hierzu - im Dialog mit Studierenden - eigene Vorschläge erarbeiten. 5. Ihre Ausführungen zu den neuen Regelungen im HRG zur Begrenzung der Qualifizierungsphase lassen angesichts nachweislich falscher Tatsachenbehauptungen die für eine sachangemessene Diskussion der zweifellos auftretenden 3 Problemfelder unerlässliche Sachkenntnis vermissen. Insoweit beschränke ich mich hier darauf festzustellen: a) Die Probleme hängen nicht mit der - endlich - vom HRG auf maximal 12 Jahre (Medizin: 15 Jahre) begrenzten Qualifikationsphase des wissenschaftlichen Nachwuchses zusammen, sondern mit den Unsicherheiten bei der Anwendung des gegen unseren Rates - vor ca. 1 1/2 Jahren verabschiedeten Teilzeit- und Befristungsgesetzes. b) Für eine wissenschaftsadäquate Personalstruktur unterhalb der Professorenebene braucht es weder gesetzliche Änderungen noch überhaupt weitere gesetzliche Regelungen. Der jeweils in den Fächern erforderliche, durchaus unterschiedliche Bedarf an Funktionsstellen verschiedener Art (auch mit unbefristeten, aber aus betrieblichen wie in der Person liegenden kündbaren Arbeitsverträgen) für "Dozenten", Oberingenieure, usw. lässt sich ohne rechtliche Hemmnisse differenziert über unterschiedlich dotierte BAT-Stellen befriedigen, sofern das jeweilige Land finanziert. Der Anteil an - wegen des Qualifizierungsbedarfs - befristeten Qualifikationsstellen sollte von den Fächern selbst definiert werden. Er wird in der Regel zwischen 2/3 und 4/5 der aus dem Landeshaushalt finanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen ausmachen. Hier von "ausufernder Praxis der Befristung" zu schreiben, zeigt entweder erneut mangelnde Sachkenntnis oder den Wunsch, die Kreativität von Forschung und Lehre durch der österreichischen "Pragmatisierung" ähnliche Pfründen zu ersticken. c) Das HRK-Präsidium bekennt sich dazu, Wissenschaftler(inn)en aller Altersgruppen die Chance zu (befristeten) Projektkarrieren auch auf lange Zeit - ähnlich wie in USA oder Großbritannien - zu geben; allerdings muss das nicht unbeträchtliche Arbeitsmarktrisiko von den Betroffenen selbst getragen werden und darf nicht zulasten der Institution Hochschule gehen. Deren Mitarbeiterstruktur kann und darf weder mit sich einklagendem Dauerpersonal noch mit der Versorgung von Sozialfällen "zugemauert" werden. Für diese befristeten "Drittmittelkarrieren" bedarf es im Teilzeit- und Befristungsgesetz (nicht im HRG) entsprechender rechtlicher Klarstellungen bzw. Änderungen. d) Korrekt von Ihnen diagnostiziert ist das Fehlen von Vertrauensschutz gewährenden Übergangsregelungen für im Qualifizierungsprozess Befindliche oder diesen gerade Abschließende. Hier wäre evtl. eine Stichtagsregelung in die umsetzenden Ländergesetze einzufügen. e) Die HRK hat die Federführung einer Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der "Allianz", aus der in Kürze Vorschläge zur wissenschaftsadäquaten Lösung der auch von uns identifizierten Probleme zu erwarten sind. Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen, dass die von Ihnen (für die 6. HRG-Novelle) vertretene Forderung einer "vollständigen Durchlässigkeit zwischen den Studienabschnitten" bei Bakkalaureus/Bachelor und Magister/Master Studiengängen nicht nur den Sinn der Wiedereinführung dieser alteuropäischen Abschlussgrade verfehlt, sondern auch den jungen Leuten schadet, solche Programme für sich auszuwählen, da ihre jeweiligen Prüfungs-Leistungen bei fehlender Leistungs-Hürde abgewertet würden. Für die HRK ist - entsprechend der internationalen Anforderungen - klar: Vor jedem Übergang in ein Magister/Master-Programm ist die Eignung der Bewerber zu prüfen und festzustellen. Sonst machen sich die deutschen Hochschulen lächerlich. Ich habe Ihnen ausführlich geschrieben, weil Ihren aus unserer Sicht weder wissenschaftsadäquaten noch sonst sachgerechten Positionen in der Öffentlichkeit zu selten widersprochen wird. Ich erlaube mir daher, sowohl Ihr Schreiben als auch meine Antwort auch anderen Akteuren in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik zugänglich zu machen. Mit freundlichen Grüßen Prof. Dr. Klaus Landfried ------------------------------------------------------------------------------------- Maritta Böttcher - Mitglied des Deutschen Bundestages Berlin, 18. März 2002 Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Landfried, haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 4. März, das mich einigermaßen in Erstaunen versetzt hat. So ist für mich die vehemente Ablehnung der Institution der verfassten Studierendenschaft durch die HRK, wie Sie in Ihrer Argumentation zum Ausdruck kommt, neu. Die HRK ist nach eigenem Selbstverständnis eine Vertretung der deutschen Hochschulen und nicht allein ihrer Präsidentinnen und Präsidenten, Rektorinnen und Rektoren oder gar einer Statusgruppe. Von daher überrascht es mich, dass die hohe Akzeptanz, die die verfasste Studierendenschaft bei praktisch allen relevanten studentischen Organisationen genießt, für Ihre Bewertung keine Rolle spielt – obwohl Sie sich ausdrücklich auf einen geplanten „Dialog mit Studierenden“ beziehen. Dass die Beteiligung an studentischen Wahlen zu wünschen übrig lässt, ist unbestreitbar. Allerdings stützt sich auch die Legitimation von Präsidentinnen und Präsidenten, Rektorinnen und Rektoren der Hochschulen auf die eben mit diesen Wahlbeteiligungen gewählten studentischen Vertreterinnen und Vertretern in den Hochschulgremien. Auch bei anderen Statusgruppen haben wir es häufig mit sehr niedrigen Wahlbeteiligungen zu tun. Wollen Sie deshalb gleich die gesamte Hochschulselbstverwaltung abschaffen? Mir war bisher auch nicht bekannt, dass die HRK die Einführung von Studiengebühren befürwortet. Mir ist nicht entgangen, dass diese Frage in den Gremien der HRK immer wieder kontrovers diskutiert wird. Darüber verfolge ich mit Interesse, wie sich das von der HRK in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung getragene Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) massiv für Studiengebühren stark macht. Aber dass von Ihnen geäußerte Meinung bereits von einem Beschluss des HRK-Plenums gedeckt wäre, ist mir nicht bekannt. Ihren Argumenten möchte ich inhaltlich entgegen halten, dass durchaus bereits die von Ihnen mit beförderte Diskussion über die Einführung von Studiengebühren potenzielle Abiturientinnen und Abiturienten von der Aufnahme eines Studiums abschreckt. So geben nach einer im Auftrag des sächsischen Wissenschaftsministeriums durchgeführten Untersuchung knapp zwei Drittel der befragten Eltern an, dass ihnen im Falle der Einführung von Studiengebühren die Finanzierung des Studiums nicht mehr möglich wäre. Internationale Vergleichsdaten zeigen aber, dass Deutschland in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Hochschulabsolventinnen und –absolventen braucht. Studiengebühren lösen nicht etwa, sondern verschärfen das Problem einer ungleichen Verteilung der Lasten staatlicher Ausgaben. Akademikerinnen und Akademiker zahlen nach ihrem Studium an den Staat weit mehr zurück, als ihre Ausbildung dem Staat gekostet hat - dies hat eine vom Deutschen Studentenwerk vorgelegte Studie nachgewiesen. Hinzu kommt, dass nach Maßgabe der von einer sozialen Schieflage geprägten Steuerpolitik des Bundes grundsätzlich eine Ungleichheit von Finanzierung und Nutzung steuerfinanzierter öffentlicher Einrichtungen besteht. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass zu den Nutznießern des Hochschulstudiums nicht nur die Hochschulabsolventinnen und –absolventen gehören, sondern die Gesellschaft insgesamt von deren Ausbildung profitiert. Speziell die Wirtschaft ist auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen und fragt diese in wachsendem Umfang nach, ohne dass jemand auf die Idee käme, jene Unternehmen, die Hochschulabsolventinnen und –absolventen einstellen, zur Zahlung von Studiengebühren heranzuziehen. Wenn ich mit Gesetzentwurf der Bundesregierung für eine sechste Novelle des Hochschulrahmengesetzes gleichwohl nicht einverstanden bin, dann deshalb, weil die Koalition statt des verbindlichen Ausschlusses von Studiengebühren unbestimmte Ausnahmeregelungen plant: Selbst Gebühren ab dem ersten Semester sind so nicht ausgeschlossen. Langzeitgebühren in mehreren Bundesländern werden nachträglich legitimiert, die Einführung von Gebühren in Folge von Studienkontenmodellen ausdrücklich ermöglicht werden. Aus Sicht der PDS gibt es daher keine Alternative zu einem gesetzlichen Ausschluss von Studiengebühren ohne Wenn und Aber. Ihre Behauptung, der Bund habe in verfassungsrechtlicher Hinsicht keine Zuständigkeit für die von uns vorgeschlagene Änderung des HRG, hätte einer eingehenderen Begründung bedürft. Ich kann diese Auffassung nicht teilen. Zwar dürfen gemäß Art. 75 Abs. 2 GG Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Ländern „nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten“. Ferner sind die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers im Bereich der Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten. Gerade im Falle der Studiengebührenfrage ist unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes das Erfordernis einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG evident, was auch eine Ausnahme im Sinne von Art. 75 Abs. 2 GG rechtfertigt. Eine rahmengesetzliche Sicherung der Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums im Hochschulrahmengesetz ist daher ebenso wenig zu beanstanden wie die übrigen in Einzelheiten gehenden und unmittelbar geltenden Reglungen des Hochschulzugangs (§§ 27 ff.). Im Gegenteil liefe die Einführung von Studiengebühren der völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zuwider, das Recht auf Bildung jedes Individuums anzuerkennen und voll zu verwirklichen. Im von der Bundesrepublik Deutschland 1973 unterzeichneten und 1976 in Kraft getretenen Internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. II S. 1569) wird anerkannt, dass zur Realisierung des Rechts auf Bildung „der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden“ muss. Der Bundesgesetzgeber ist daher gefordert, einer gegenläufigen Entwicklung hin zu einer allmählichen Entgeltlichmachung des Hochschulunterrichts durch die sukzessive Wiedereinführung von Studiengebühren entgegen zu treten. Was die neuen HRG-Vorschriften zur Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal betrifft, werden aus meiner Sicht auch die Hochschulen früher oder später umdenken müssen. Wer hohe Anforderungen an die Qualität der Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stellt, muss ihnen angemessene Arbeitsbedingungen bieten – auch wenn sie keine Professur inne haben. Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie die Auffassung vertreten, dass das Arbeitmarktrisiko von „Befristungskarrieren“ „von den Betroffenen selbst“ getragen werden müsse. Wenn die Hochschulen weiterhin das Risiko einseitig den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufschultern wollen, werden sie es im Wettbewerb mit ausländischen Arbeitgebern sowie mit der Industrie immer schwerer haben, qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu gewinnen. Dass Sie zumindest inhaltlich mit unserem Vorschlag für eine Übergangsregelung zum HRG-Befristungsrecht übereinstimmen, freut mich. Ihre Vorschlag, dass auch die Länder eine entsprechende Stichtagsregelung in die Landeshochschulgesetze aufnehmen könnten, ist aber leider nicht realisierbar. Gemäß § 72 Abs. 1 HRG gelten die §§ 57a und 57f HRG unmittelbar und sind daher keiner Umsetzung durch die Länder zugänglich. Wenn sie mir schon in Ihrem Schreiben mehrfach mangelnde Sachkenntnis vorwerfen, was ich an dieser Stelle ausdrücklich zurückweise, hätte ich von Ihnen erwartet, sich vor Ihrer harschen Kritik an unserem Gesetzentwurf sorgfältig über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Von daher kann eine von der HRK wie von der PDS geforderte Übergangsregelung allein ins HRG selbst aufgenommen werden. Ich rechne daher in diesem Punkt mit Ihrer Unterstützung bei der Anhörung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 17. April. Entsprechend Ihrer Praxis behalte ich mir vor, unsere Korrespondenz anderen hochschulpolitischen Akteuren sowie Vertreterinnen und Vertretern von Mitgliedshochschulen der HRK zur Kenntnis zu geben. Mit freundlichen Grüßen Maritta Böttcher ---- Die Rechte für dieses Dokument verbleiben bei der/dem AutorIn. Der UNiMUT distanziert sich von allem, was hier drin steht.