Viele Studis ziehen mit Erasmus in die Welt. Manche erinnern sich noch an die alte Heimat. Ganz wenige berichten aus den Flecken, in die sie die Reiselust verschlagen hat. Michael -- sein Name wurde von der Redaktion genauso geändert wie die seiner Mitbewohner -- ist einer von ihnen, und er berichtet in der klassischen Form der Briefnovelle (na ja, Mailnovelle) von seinen Fährnissen in Spanien -- Red.
Nun, wo wohne ich. In einer WG ohne Internet und noch ohne Fernseher, der allein für den Spracherwerb natürlich viel besser wäre, dafür mit einem Norditaliener (Alessandro, sehr reinlich, schlechtes Spanisch) und einem Portugiesen (nicht sehr reinlich, schnelles, vernuscheltes Spanisch=Portugiesisch). Ihr habt es erraten, unsere Umgangssprache ist Spanisch, denn schließlich wollen wir ja alle von den Fehlern der anderen profitieren, oder?
Das Wohnungsfinden war total unproblematisch, ein Anruf und ich stand in einem Loch von 9qm, mit Fenster zum "Lichtschacht" (ich übertreibe), alten Möbeln und Klappbett (sonst hätte man sich nicht bewegen können). Meine jetzige Vermieterin hat mich und andere dann auf der Strasse angesprochen (¿Buscais piso?) und so haben Alessandro und ich uns dann entschieden, zwei schöne, große Zimmer im Osten Salamancas, nur 10-15min von meiner Fakultät zu mieten -- denn auf Dauer ist ein 20er Zimmer in der Jugendherberge doch nichts. Leider wußten wir da noch nicht, dass das nächste Wochenende nur Putzen beinhalten wuerde, denn die Vormieter (die vor drei Monaten ausgezogen waren) hatten eine klebrige Bude hinterlassen.
Doch Bad und Küche blitzten nach 2 Tagen Schrubberei. Zuerst hat mich das schon genervt, aber in anderen, teueren WGs ist es genauso. Bevor Alessandro und ich uns aufgefressen hätten, ist dann José eingezogen und auch die Uni begann, obwohl: bei José noch nicht, der hängt nur ab!
Apropos Uni: ist ganz ok hier, ich verstehe die Dozenten ganz gut. Und wenn man erstmal Tage mit den Vorlesungsverzeichnissen zugebracht hat, dann weiß man zwar immer noch nicht den Sinn von getrennten Raum- und Kursplänen, aber zumindest findet man dann seine Kurse.
Was geht sonst? Heute ist Erasmus-Party, da werde ich mich mal sehen lassen, so um 12 (abends). Ansonsten ist hier von mittwochs bis samstags die Hölle los. Ich ohne uebrigens nur 5 Min. von der Diskomeile entfernt, habe also alle Möglichkeiten.
Ihr wollt noch mehr touristische Neuigkeiten? Die gibt's per Post! Schreibt mir:
Spanien-Michael
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69120 Heidelberg
Ein Hallo aus Spanien -- und auf zu ein paar Kleinigkeiten, die -- wie ich denke -- wert sind, erzählt zu werden. Doch merken wir jetzt alle auf, wer sich so ausdrückt, muss der nicht Zeit zum Nachdenken haben? Ja! Und wie geht das? Dank einzelner Segnungen der modernen Technik bin ich in der Lage, meine längeren Mails jetzt vorher auf "Spot", meinem Laptop (wer sich für die Geschichte der Namensgebung interessiert, schreibe mir), zu formulieren und auf der Diskette der Zukunft -- einer wiederbeschreibbaren CD -- festzuhalten, damit in den Rechnerraum der Bibliothek der Facultad de Filología zu gehen, sie dort einzulegen, und euch schließlich alles zu schicken.
Was also bringt mein gar nicht so ereignisloses Leben hier mit sich? Dafür will ich einige Kategorien einführen, die wahrscheinlich auch im Laufe der nächsten Monate noch wichtig sein werden.
Unter brütender Hitze schleppen sich vier Gestalten auf der Suche nach dem ominösen "rastro" (einem Trödelmarkt) durch Salamanca. Selbstverständlich nachmittags um 16 Uhr, wann jeder normale Spanier schläft oder fernsieht wie meine Nachbarn. Nachdem wir über den Río Tormes, dem Fluß an der Südseite von Salamanca, auf die andere Seite gegangen waren und die Grenze zwischen Altstadt und Neustadt hinter uns gelassen hatten, nachdem wir von einer hilfsbereiten Spanierin ins Industriegebiet geschickt worden waren und trotzdem erfolglos waren, stand fest: keinen Schritt mehr! Als Literaturwissenschaftler war für mich klar, den rastro gibt's nicht, die "andere Seite des Tormes", wo er hätte liegen sollen, ist nur eine Metapher für das "Nichts".
Genau weiß ich zwar nicht, was José denkt, wenn er den einzigen kleinen Topf für seine tägliche Calamares-Fritier-Orgie mit Öl ausfüllt und im Ofen versteckt, aber zumindest seine Vorstellung von der WG mit einem Deutschen und einem Italiener kann ich euch erzählen. Ihr müsst wissen, es ist schwierig, mit ihm zu reden, da sein Tagesablauf aus Schlafen besteht -- so bis 16Uhr, dann aus Lesen und Essen und Ausgehen und schließlich Schlafen (so ab 6Uhr). Ich sehe ihn also recht selten, da ich doch etwas eher heimkomme. Also nicht der typische große, blonde, bierbäuchige und bärige Deutsche und auch Alessandro passt nicht in das Klischee des kleinen, braunen Südländers mit langen, schwarzen, nach hinten zu einem Zopf zusammengebundenen Haaren.
Uni: Ansonsten weiß ich jetzt, dass ich nicht der einzige Deutsche im Russisch-Kurs bin, aber zumindest der mit dem stärksten Akzent. Egal! Ich lerne schön mein Alphabet und wenn ich mal irgendwann richtig lesen kann, dann erzähle ich davon.
Heute war außerdem der Sprachtest für die Spanisch-Kurse. Das lief so ab, dass sich alle Erasmusstudenten (mind. 500) erstmal auf einem Platz getroffen haben, dann sind die Lehrerinnen hinausgestürmt, und haben uns in ein anderes Gebäude geführt, wo wir dann in einem Multiple-Choice-Test irgendwelche Kästchen bitte auszumalen hatten, nicht ankreuzen, einkringeln oder gar unterstreichen, dann wird nämlich der Auswertungscomputer verrückt. Ab morgen hängen dann die Listen mit der Zuordnung Name-Niveau-Kurs aus, ich bin mal gespannt!
Kreuzen? Das ist doch handschriftlich! Genau wie ein Brief - und die bitte an:
Spanien-Michael
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(Es regnet wie aus Kübeln, der Rechnerraum ist frei, wieder Zeit für eine vorbereitete Mail mit Anekdoten aus 2 Wochen Salamanca, auch wenn sie sich diesmal mehr auf die WG und meine Mitbewohner Alessandro und José beschränken.)
Mit Sicherheit habt ihr schon sehnsüchtig gewartet, was sich hier an Neuigkeiten zugetragen hat. Und wie hießen noch mal die beiden Kategorien vom letzten Mal?
Eigentlich wollte ich den Betreff ja Josés Mama nennen -- doch warum habe ich das nicht getan? Vorletztes Wochenende waren historische Tage: Andorra hat seinen ersten Sieg nach insgesamt 30 Partien in der Fußball-Weltmeisterschaftsquali errungen, 1:0 gegen Mazedonien, Spanien hat ein müdes 0:0 gegen Litauen erkickt, und Alessandro ist von der Handwäsche zur Waschmaschine übergelaufen, als er seine erste Kochwäsche angestellt hat. Bald zeige ich ihm dann, wie man die aufhängt, damit sie auch trocknet. Neben der Demonstration der Quellreismethode -- es muß ja nicht immer Pasta sein -- also schon zwei wichtige Fertigkeiten. (José flucht, nochmal)
Doch nun zu Josés Mama, oder besser nicht zu ihr. So wie ich ihn verstanden hatte, was nicht immer leicht ist, da er mir nach seiner Portugal-Rückkehr (jetzt 3 Flüche innerhalb von 1 Minute, Barca ist wohl am Drücker) erstmal auf Portugiesisch geantwortet hat, wollte seine Mama irgendwann mal kommen.
Das ist an sich nicht das Problem, pennen könnte sie im Wohnzimmer (salón), und mich würde doch interessieren, ob die portugiesische Küche aus mehr als frittierten Calamares, Reis und Fleisch besteht. Nur stand am Montag, statt José-Mama auf einmal eine Mikrowelle in der Küche. Ich habe mich dann auch nicht beschwert und sie gleich mal angemacht. [lautes Aufseufzen von José]
Unsere Wohnung verwandelt sich also immer mehr in einen lebenswerten Aufenthaltsraum, jetzt umso mehr, nachdem ich Streichhölzer für den Gasherd in der Küche angeschafft habe, weil meine sensiblen, rauchenden Mitbewohner es nicht übers Herz brachten, die enge Beziehung zu einem ihrer Feuerzeuge zugunsten der Allgemeinheit zu beenden -- zumindest kann ich es mir so erklären. (Riesen Fluch von José nach Lattenschuß, schließlich gewinnt Milan 1:0. Fußballsachverstand setzt sich eben durch.)
Und das war's nun schon mit Josés Mama? Nein, denn ein Blick in den Kühlschrank verrät mehr. Während meiner unglaublichen Reise in die Tiefen des Gefrierfaches auf der Suche nach meinen restlichen beiden Frühlingsröllchen musste ich entdecken, dass ich leider nichts entdeckte. Ich konnte einfach nicht zu ihnen vorstoßen, da der Weg durch gefrostete Calamares, Fisch & Fleisch blockiert war. Nur die 12 Bockwürstchen, die seine Eltern , bevor sie gleich wieder gefahren waren, außerdem mitgebracht haben mussten, lagen einsam in seinem Kühlschrankfach neben der angeschnittenen Zwiebel, die ein guter Küchengeist (=ich) aus dem Hängeschrank herausgenommen, in Klarsichtfolie eingewickelt und dort deponiert hat.
Der Spanisch-Kurs ist total witzig. Ich bin im fortgeschrittenen Niveau, d.h. hier sind die Leute, die genau wissen, dass sie dieselben Fehler wie früher unbedingt noch mal wiederholen wollen. Wir sind 6 deutschsprachige (5xDtl, 1xA), 6 Italiener und der Rest aus China, Frankreich, Belgien, Rumänien. Eine gute Mischung mit einer netten Lehrerin. Bei der Übung zum spanischen Modus Verbi "Konditional" konnte ich auch einen gewissen Bekanntheitsgrad erringen. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und sollten Vermutungen anstellen, was irgendjemand aus dem Kurs letzte Nacht gemacht hat. 3 Gruppen haben irgendwelche Szenarios über Anca, die Rumänin in meiner Gruppe, angestellt, meine Gruppe hat Frank gewählt, Physiker mit krassem, deutschem Akzent, wenn er Spanisch sprich ("Mutschas Krassias!"), und die restlichen drei Gruppen meinten, mich entweder mit 4 chicas, oder laut singend auf der Plaza Mayor (großer Platz mitten in der Stadt) ohne chicas, oder mit 1 chica aber nicht singend gesehen zu haben. Egal, den Wahrheitswert dieser Aussagen kommentiere ich nicht, und warum gerade mir diese Ehre zuteil wurde, wo wir doch wirklich genügend Italiener hier haben, bleibt mir auch unklar.
Noch mehr Vorschläge bitte an:
Spanien-Michael
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Komplexe Sachverhalte verlangen eine komplexe Darstellung, die manchmal eben auch etwas länger ausfällt -- so wie jetzt. Deswegen, legt euch entspannt zurück, bestellt im Internet-Café noch ein Kännchen und schon geht's los:
Eben noch im Wohnzimmer, und jetzt auf unserer Showbühne: Ich! Doch wollen wir heute nicht den neuesten Zaubererroman vorstellen, "Harry Potter und die gemeingefährliche Klobrille" oder "Warum wir kein Problem mit Stehpinklern haben" (Au!), sondern es geht anstatt um Zauberstäbe um magische Hände! "Michael" bzw. "Mikael" oder "Miguel" oder wie der nette Bankangestellte meine Versuche honorierte, ihm meinen Namen auf Englisch mitzuteilen, "Maikel" - und das hört sich fast wieder baskisch an. MIKAEL ruft es durch die Wohnung und reißt mich von den Nachrichten weg, das heißt von den 30 Minuten Sport, 10 Minuten Autounfällen (für angehende Medizinstudenten zum Teil bestimmt sehr interessant) und dann wird neben dem Boulevard doch noch ein bißchen Politik gequetscht.
MIKAEL schreit es durch die Wohnung, wobei "es" José ist, der das Ende seiner Kaltwäsche abgewartet hatte, die Tür der Waschmaschine öffnete und ... schnell wieder schloß! Wie in der Werbung war das Wasser, voll Freude ihn zu sehen, José entgegengestürzt.
Doch was tun? Die Gebrauchsanweisung durchlesen, den Schleudergang reinlegen, die Nachbarn fragen, bei der Firma anrufen? Nein, Mikael ist ja da, der Mann mit den heilenden Händen in Technikfragen. Und so stehen, vielmehr knien sie dann da, José und Mikael, in Denkerpose, den Kopf in die Hand und die Stirn in Falten gelegt. Welches Lebenszeichen würde die Maschine als nächstes von sich geben, was hatte dieses plötzliche Rucken begleitet von einem markdurchdringenden Knack zu bedeuten, warum wehrt sich die Wäsche nicht, wenn sie geschleudert wird, das muß doch wehtun, nein, die ist ja mittlerweile sicher ertrunken, in dem ganzen Wasser. Also ich erspare euch jetzt weitere Höhenflüge der abendlichen Waschmaschinen-Philosphie und biete euch zwei Erklärungen an.
"Spare in der Zeit, so hast du in der Not." Welch weises Wort, wenn ich daran zurückdenke wie ich letztens morgens um 9 erwachte (nur zur Info, das ist früh!), mir die Hände waschen wollte, den Wasserhahn aufdrehte -- und? Es kommt kein Wasser, genauso wie in der Badewanne, in der Küche und überhaupt; nichts, null. Daß man sich Hände und Haare auch mit Mineralwasser waschen kann -- und zum Glück kaufe ich stilles -- ist ja nicht das Problem, aber irgendwie schon doof, oder? Alessandro wollte mir, als er in seiner verpeilten Morgenautomatik ins Bad schlich, auch erstmal nicht glauben, doch der Beweis, als auch nach mehrmaligem Herumdrehen am Haupthahn nichts kam, überzeugte ihn! Doch man soll ja nicht alles so negativ sehen, das Gute an der Sache war, daß wir den chronischen Mangel an Klopapier, das am Abend zuvor ausgegangen war, gar nicht so spürten!
Nachdem ich überprüft hatte, ob eine Benachrichtigung im Briefkasten liegt oder irgendein Zettel im Haus hängt, ob die örtlichen Wasserwerke sich vielleicht auf diese Weise an uns rächen wollten, weil wir bisher die Nebenkostenabrechnung weder bekommen noch bezahlt hatten, klingelte ich dann bei unseren Nachbarn, die mir freundlicherweise mitteilten, dass die Wasserleitungen von 7 bis 7 repariert werden. Und das Gute daran? Ich weiß jetzt, was Wasserleitung auf Spanisch heißt, und ich bin der Mann, der das Wasser wieder zum Laufen gebracht hatte.
Ich fahre nach Madrid. Würden die Jungs es schaffen, selbständig Klopapier einzukaufen, zu putzen, würden sich die Müllbeutel exponentiell vermehrt haben, würde die Wohnung unter Wasser stehen, weil José... Fragen über Fragen, aber schließlich sind sie ja alt genug und haben für den Notfall meine Handynummer, wenn sie sich nicht entscheiden können, welches Waschmaschinenprogramm sie auswählen sollen.
Also ich geb's ja zu, ein bisschen gespannt war ich schon, als ich weggefahren bin. Schließlich war eine sich übergebende Frau auf dem Bussitz vor mir nicht unbedingt das beste Omen. Aber sie haben alles hingekriegt! So konnte ich in Ruhe Madrid besichtigen. Highlights waren "Sol" mit dem Anfangspunkt aller Landstraßen Spaniens, dem "Kilometro Cero", das Museum Thyssen-Bornemisza, sowie eine Aufführung der Volksbühne aus Berlin, die hier gastierte. Als Erinnerung daran und an Madrid habe ich jetzt ein aktuelles November-Programm der Volksbühne sowie eine Grippe mitgebracht, die mich schon während der Aufführung kräftig mitfiebern ließ und die ganzen Tage vor die schwierige Entscheidung stellte, ob ich wegen der Katze in der befreundeten WG, wo ich freundlich aufgenommen wurde, schniefen musste oder doch wegen der Erkältung.
Was ich bisher unterschlagen habe, ist mein spanischer Weihnachtskalender und die leckeren Lebkuchen, die es im "Plus" in Madrid gab. Ich bin also auch hier nicht nur auf "Turrón", spanisches Weihnachtsnougat, angewiesen.
Ein Segen unserer Heizung, die wir seit dem 1. November angestellt haben. Also zumindest jene Leute heizen, die das intuitive Heizungaufdrehen - die Richtung, wo "+" draufsteht, wird's wärmer, wo "-" draufsteht, das Gegenteil - verstehen (ich) und die es erklärt bekamen (Alessandro).
Doch unterstütze ich mein Gesunden nicht nur mit einer angenehmen Raumtemperatur, sondern auch mit Tee, viel Tee. José würde sagen "Tee" und macht sich einen Spaß daraus zu zählen, wie viele Tassen ich so am Tag trinke. Also er schaffe das ja nicht, so viel "Kräuter"-Tee zu trinken, wobei er auf meine Sandalen schielt, die in den Nationalfarben Jamaikas gestreift und mit dem Schriftzug "My Beach Spirit" verziert sind, überstrahlt vom Marihuana-Symbol. Ich möchte an dieser Stelle versichern, dass diese noch die vernünftigsten in dem Touri-Geschäft waren, denn wer will schon Sandalen mit lila Blümchenblüten oder Lepardenmuster? Ich muß an dieser Stelle aber auch zugeben, dass der erfrischende Plastik-Geruch dieser Sandalen, mir über Wochen immer ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert hat.
Darauf fuchtelt José hysterisch den Dampf vom "Tee" weg und wir gehen alle zu dem Gespräch über, ob nun seine Fanta mit immerhin 8% Saftgehalt krasser sei oder Alessandros Wein. Danach ereifern uns gegenseitig über Calimocho (Mischung aus TetraPak-Wein und Cola), José & Ich "arme Cola", Alessandro "armer Wein". Ohne Übergang dann zu den schönsten Einspanischungen englischer Audrücke, statt Hot Dog "Perrito Caliente", oder die "Backstreet Boys" --"Chicos de la calle detras" -- wie heißen dann "The Doors" -- "Las Puertas"? Mich überläuft's.
Ihr wollt mehr, dann schreibt mir!
Spanien-Michael
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Gegeben: America hat seinen neuen, alten Präsidenten, ich war in Zamora, der Wäscheständer platzt über.
Gesucht: der Zusammenhang
Lösung: In den kleinen, alltäglichen Dingen offenbaren sich die großen Wahrheiten von der Sinnlosigkeit des Lebens, die Parabeln von der Unzulänglichkeit jeglichen Strebens. Kaum ist die Wäsche, die du vor ein paar Tagen aufgehängt hast, getrocknet, hängt irgendein Idiot seine klatschnassen Sachen so daneben, daß du noch mal warten kannst. Oder ist es etwa fair, daß nach erfolgreicher Reinigung blumig duftende und ethnisch getrennt aufgehängte Socken, Unterhosen, Hemden und Hosen, falls der Wäscheständer (tendedero) nicht wegen der einseitigen Belastung der extremen Flügel plötzlich umkippt, noch in diesem Zustand der olfaktorischen Unschuld den Tabak- und Bratölausdünstungen ausgesetzt werden?
Nein, natürlich nicht! Aber an bestimmten Dingen kann man nichts ändern, muß man resignieren und sagen, wenn die anderen damit zufrieden sind, ok.
Ob Anna Bosch als Korrespondentin aus dem Hauptquartier der Demokraten von TV España 1 damit zufrieden war, dass ihr Name vom Moderator der Sendung zur Wahl in den Vereinigten Staaten, der uns allen eine lange, intensive Nacht voller Leidenschaften verspricht, dass ihr Name ständig "Bosk" ausgesprochen wird, obwohl alle fähig sind "Bush" mit "sch" zu sagen? Ob ich zufrieden war, daß auch um 5 Uhr morgens, nachdem es Alessandro nicht interessiert und José um 4 Uhr schlappgemacht hat, kein Ergebnis vorlag, und ich mich dennoch zum 10 Uhr-Kurs in die Uni schleppte?
Ja und was hat sich wohl die Museumsaufsicht im Ausstellungsraum des Ethnographischen Museums in Zamora gedacht, einer Kleinstadt, die mit ihren unzähligen romanischen Kirchen, einer ebensolchen Kapelle mit vollständig erhaltenem Chorgestühl ca. 1 Stunde von Salamanca entfernt liegt, was hat sich diese Aufsicht gedacht, als ich sie in vorauseilendem Gehorsam angesprochen habe, ob auch sie, wie ALLE anderen Aufsichtspersonen bisher, ebenfalls die Herkunftsländer unserer Reisegruppe (5 x Deutschland, 1 x Italien) wissen möchte? Nein, hier nicht.
Was sich die Bedienung in dem sehr familiären Restaurant, wo wir den Großteil der Siesta essend verbracht haben, dachte, als sie mich bestimmt danach fragte, ob ich wisse, dass Steinbutt (rodaballo) ein Fisch sei? -- Ob sie wohl meinte, es sei nicht bekannt, daß in jedem Fisch, besonders in den großen, Gräten versteckt seien?
Was denken sich wohl die Bruderschaften, die in Ku-Klux-Klan-Kostümen zu Ostern in Umzügen menschengroße Figuren zusammengestellt zu Szenen aus der Passionsgeschichte Christi auf ihren Schultern tragen, bis zu 36 Mann pro Szene!
Und dann kam der Nebel, der in Boston und Zamora ständig im Hintergrund präsent gewesen war. Er schwappte, nachdem ihn kurze Strahlen der Hoffnung tagsüber vertrieben hatten, wieder durch die Stadt. Wir hasteten in ihm halb blind zum Busbahnhof, letztendlich froh, heil und pünktlich herausgekommen zu sein, und ich fragte mich, ob der Nebel vielleicht auch über den Atlantik in die Wahlkabinen geschwappt sei?, in dieser langen, intensiven Nacht voller Leidenschaften, an deren Ende, wie bestellt aber ohne Krankenversicherung ein Fischgericht mit weiteren Jahren des Krieges, der Abwanderung von Arbeitsplätzen, der Schulden kam.
PS: Mikael runs the Joghurt down -- Hallo zu einer neuen kulinarischen Köstlichkeit. Falls ihr euch vor Portugiesen fürchtet und ganz sicher gehen wollt, dass sie euch auch wirklich nichts von dem superleckeren (superrico) Salat wegessen, und damit meine ich nicht den Fakt, dass er nicht frittiert war. Getreu meiner Frage an José, ob es eigentlich etwas gebe, was er nicht frittiere (freír) --- (Schweigen, überlegüberleg, Schweigen) -- Ich: Nutella? José: Grins! Ja dann macht doch einfach ein Joghurtdressing und seht dabei zu, wie ihr Gesicht immer länger wird: Salz (oh), Peffer (uh), Chili (äh), Petersilie (bäh), Oregano (würg). Denn: "Joghurt ist per Definition süß! Da kommt kein Salz rein!" Und das Dressing würgt -- äh -- wirkt auch bei Italienern, die sich der konservativen Küche verschrieben haben, weil die so gut "konserviere".
Zweifel, Probleme? Her damit!
Spanien Michael
FachSchaftsKonferenz
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Nachdem wir uns die Frage gestellt haben, warum sich die Tasse in der Mikrowelle immer so dreht, dass der Henkel am Ende hinten steht, können wir das Problem erörtern, was man macht, wenn der Wäscheständer etwas unvorteilhaft aber halb leer behängt, die eigene Waschmaschine jedoch gerade fertig geworden ist? Ganz einfach, man lässt die Wäsche in der Trommel, über den Tag, über Nacht! Alles ganz pragmatisch hier! Nach diesen Trockenübungen auf zu neuen Ufern: Ich mache jeden darauf aufmerksam, dass das Lesen der nächsten Zeilen zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden bis zur Geisteskrankheit führen kann.
Überlebenspacket: ein Sack Paßphotos, 1000 Kopien des Personalausweises, Kenntnis der Nummer des eigenen Personalausweises (auswendig & flüssig) Doch der Reihe nach, denn nichts soll verschwiegen werden. Der Weg jedes Erasmusstudenten führt zu allererst zu dessen Fachbereichskoordinator. Dort wird man dann nett nach Herkunftsuni, Wohnort in Deutschland und in Salamanca gefragt, was alles im Computer festgehalten wird. Dieses baut aber nicht dem Besuch beim Generalkoordinator der Fakultät vor, bei dem man ebendieses noch einmal angibt. Merke: Hier gibt es zwar Beziehungen, aber keine Vernetzung. Doch den Besuch beim Generalkoordinator kann man gleich nutzen, um seine begehrte Unterschrift auf dem provisorischen Studentenausweis zu bekommen, der jedoch von den Bibliotheksangestellten nicht anerkannt wird (wozu er sonst gut ist, weiß ich nicht).
Aber ich greife weit voraus. Nach dieser persönlichen Bestandsaufnahme geht es zum Büro für internationale Studentenangelegenheiten. Hier steht man sich in der Schlange mit anderen Erasmus-Studenten die Beine in den Bauch und die Grippe in den Hals. Wenn man dann die Pforte durchschritten hat und an Cerberus, hier in Gestalt einer Frau, die penibel darauf achtet, dass die Tür nach draußen immer schön geschlossen, der Eingangsbereich frei -- "Es gibt ja schließlich noch andere Abteilungen hier!" -- und sie im Warmen bleibt, wenn man also an dieser Frau vorbei ist, steht man auf der Treppe und wartet dort bis man die Stufen in den Erasmushimmel erklommen hat, und Petrus einen schließlich in sein Großraumbüro bittet, wo man dann ein vorher - zum Beispiel draußen, im Eingangsbereich, auf der Treppe - ausgefülltes Formular inklusive Paßphoto und Personalausweisnummer sowie der eigenen Adresse in Deutschland und in Salamanca abgibt.
Hier bekommt man dann einen Schriebs, der einen die Teilnahme an einem Sprachkurs (ich erzählte davon) ermöglicht. Dafür muß man diesen Schriebs nur im Sprachkursbüro vorzeigen, deren Überweisungsträger zur nächstgelegenen Bank bringen und bezahlen, damit dann zurück zum Sprachkursbüro, vorzeigen und kann sich dann für einen Termin vormerken lassen, bekommt von denen dann ein Bestätigungsschreiben und den Hinweis auf den Sprachtest (ich erzählte davon), nach dem man dann seinen Namen, sowie Kursnummer und -ort in einer Liste sucht, darauf dann dieses dem netten Typ im Sprachkursbüro samt dem Bestätigungsschreiben vorzeigt, sein Buch abholt und jetzt endlich in den Kurs kann!
Sooooo -- und jetzt zur Immatrikulation? Na gut, hier ist eigentlich nur zu sagen, dass zwar alles fast so ist, wie es den Anschein hat, nur später. Das betrifft die laut angekündigte und leise verschobene Vollversammlung, wo alle Erasmusstudenten vermehrt darauf hingewiesen wurden, dass erst ab dem 22. Oktober die Immatrikulation erlaubt ist. Das betrifft ebendiese Imma, für die man sich dann schließlich ab dem 25. Oktober Termine holen konnte, von denen die ersten nicht belegten erst eine Woche später waren. Ja und was macht man dann dort? Adresse angeben, wobei die Sekretärin dann fragt, was denn das für ein Buchstabe am Ende von "gmx" sei, ich dann das Stottern kriege, sie dann "Sag mir ein Wort mit...", ich "äh" (und wofür sie mich dabei, hält will ich gar nicht wissen) und ihn ihr dann doch in meiner unvergleichlichen Kaligraphie aufzumalen "x", sie "jaja, ist schon schwierig ein Wort damit zu finden."
Und zu Weihnachten - oder zu Ostern? - kriege ich dann meinen Studentenausweis!, den ich selbstverständlich noch in einem anderen Büro mit Extraformular beantragen mußte.
Alles klar? Na dann bis bald, aber gleich noch etwas Erheiterndes, PS: Bruchstücke Nachdem unsere Toilettenspülung provisorisch repariert worden ist, nein, nicht von der Vermieterin oder deren Ehemann sondern von einer Delegation aus einer anderen WG, die ähnlich Probleme hatten und sich jetzt auskennen, läge natürlich nichts näher, als symbolisch und auch tatkräftig das Wasser wieder kräftig laufen zu lassen! Doch nein, da ja selbst bei funktionierender Spülung eine klitzekleines Rinnsal seinen Weg in die Kloschüssel findet, haben José und Alessandro beschlossen, den Hahn abgedreht zu lassen; denn das kostet ja sonst gerade über Nacht Unmengen von Wasser und auch Geld.
Was macht ihr eigentlich, wenn eure Abtrockentücher dreckig sind, weil sie zum Beispiel zum Händesäubern nach einer Tomatensaucenorgie, zum Tischabwischen nach selbiger und danach nun zusammengeknüllt einsam und verlassen und halb feucht auf dem Tisch liegen? Mit der dreckigen Wäsche waschen? Nein, laut italienischer Logik sind die dreckig, also kann man sie doch nicht so einfach zur dreckigen Wäsche tun, denn die würden sie ja dreckig machen! -- Hä? Mund zu und alle Fragen offen! - Ich hab's aber trotzdem gemacht, hihi (sind aber auch schon wieder schmutzig)!
Aufbauendes bitte an:
Spanien Michael
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Nachdem auch hier der Weihnachtsbaum auf der Plaza Mayor aufgestellt wurde, denke ich, ist es Zeit, euch allen adventliche Grüße auszurichten, verbunden mit dem Wunsch, daß sich irgendwann auch bei euch die adventliche Ruhe einstellen möge.
Es muß ja von der Adventsstimmung nicht so trostlos sein wie bei uns im Piso, wo wir es nur geschafft haben, einen Weihnachtskalender aufzuhängen, dessen Türchen wir aber alle abwechselnd öffnen. Es hat etwas gedauert, bis ich José und Alessandro das System erklärt habe, aber jetzt scheint es anzukommen und Schokolade in das Katerfrühstück integriert worden zu sein.
Dafür sind für woanders Champions! Spanien ist Weltmeister im Hallenfußball, Spanien hat den Davis Cup gewonnen, in einem packenden Match konnte Moya Roddick besiegen. Spanien ist mit Dani Pedroso auf dem Motorrad Weltmeister in der 250ccm-Klasse geworden -- und damit auch ich! Ich? Ja, denn - somos campeones! Wir sind Champions! -- meine Handyfirma sponsert Dani.
Champion werde ich im Anpassen: ich wurde heute wegen meines Akzents für einen Chilenen gehalten; ich bestreiche mein Brot mit Nucilla, der hiesigen Nutella, die sogar Alessandro als nicht so schlecht (no tan mal) qualifizierte; ich esse mich so langsam durch das Regal mit Turrón im Supermarkt, dem spanischen Weihnachtsnougat in tausend Sorten!
Aus der WG: Mentalitätsunterschiede zeigen sich nicht nur im Putzverhalten männlicher Kleinstädter zur Adventszeit. Während mir meine beiden Südländer zu Anfang immer schön ihr dreckiges Putzwasser im Eimer gelassen habe, damit -- ja, warum eigentlich? -- damit ich nächste Woche am Putztag nicht mehr neu einlassen muß?; damit ich mir Suppe von koche oder was? Nein, auch bei der Justierung und ständigen Neuausrichtung der Fernsehantenne treten sie zutage, denn falls man mal den Fehler begeht zu versuchen, dem ständigen Fernsehmüll auszuweichen und das Programm umzuschalten: weißes Rauschen!
José als eher emotionaler Typ, versucht es dann mit der Zufallsmethode, nach drei vergeblichen Versuchen des rationalen Ausrichtens wird die Antenne eben zwischen Fernsehgehäuse und Wand geworfen -- und, es klappt! Wir haben Empfang!
Ich dagegen justiere die Antenne, drehe sie und probiere, letzte Streifen zu eliminieren, indem ich systematisch die Winkel der überschlagenen Beine beim Hinsetzen auf der nahen Couch austeste, sie akribisch zu messen und den Empfang entsprechend zu optimieren versuche, während ich mit dem Kopf mal in die eine, mal in die andere Richtung nicke, um dann ein klares Bild zu erhalten, so daß schließlich beides zu dem gewünschten Ergebnis führt.
Kleine Impressionen - aus dem Deutsch-Kurs. Profesora fragt: "Kennt ihr Andorra?" Antwort von einer spanischen Kommilitonin: "Ja klar!" Profesora ist erfreut, denkt kurz nach, dann: "Also ich meine das Drama von Max Frisch." - Werbung (also die Teile, die für 15 Minuten die Filme unterbrechen): "Was passiert mit Rotkäppchen in einer Stierkampf-Arena?" Muhh, kriisch, muh, galoppgalopp, kriisch Ansonsten passiert hier nichts. Alessandro hat seine Brieftasche verloren, andere wurden in Madrid ausgeraubt, José hat Streß mit seinen Leuten in Portugal, nur mein Leben ist langweilig. Ich musste dann mit beiden bis zwei Uhr nachts trinken, ekelhaft! Aber was tut man nicht alles, für seine Compañeros de piso.
So, daß war es für dieses Jahr aus Spanien. Ich mache mich bald auf nach Madrid und von dort dann Richtung Heimat, euch allen ein schönes Fest und guten Rutsch, nächstes Jahr geht's weiter -- das ist eine Drohung.
Ein FROHES NEUES euch allen,
ich hoffe, ihr seid nicht minder schlecht gerutscht als ich und habt in den Ferien genug Energie für 2005 gesammelt.
Nach meinem Deutschlandaufenthalt samt Abstechern nach Heidelberg bin ich also wieder in Spanien. Damit wäre eine der großen Fragen der Menschheit geklärt: Wo bin ich? Nachdem ich den Klimawechsel von Madrid (ca.10°) auf hiesige Verhältnisse (ca. 2°) nur mit größter Mühe über mich gebracht habe, da es sich der Reif hier so langsam an den Bäumen gemütlich gemacht hat, das Kondenswasser meine Fenster einfrieren ließ, so daß sie sich nur ruckartig öffneten, und ich mit Alessandro passenderweise auch noch Tiefkühlgemüse gekocht habe, hat mich Salamanca wieder.
Doch halten wir hier inne und stellen wir eine weitere große Frage der Menschheit: Wer bin ich? Seit meiner Hausarbeit über "Die Suche nach dem Verweisungszusammenhang als Suche nach der Identität. Eine Interpretation von Rainer Maria Rilkes 'Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge nach rezeptionsästhetischen Gesichtspunkten'" bin ich mir da auch nicht mehr ganz so sicher. Deswegen wird es jetzt Zeit, dieser Sache zumindest mal empirisch auf den Grund zu gehen.
Ich könnte mich natürlich einfach "Michael" nennen. Unter den deutschen und meinen philologischen Kommilitonen kein Problem, denn die könnten das aussprechen. Ich präzisiere, letztere würden sich aus Stolz zumindest Mühe geben. Aber trotz allem bliebe das ungute Gefühl, mit dem wesentlich älteren und haarloseren DAAD-Lektor verwechselt zu werden, besonders letzteres ist ja bei mir noch nicht der Fall -- und nominell soll es auch so bleiben. Und wenn es dann nicht die spanische Unkenntnis in Fremdsprachen gäbe, könnte ich ja auch auf das Englische ausweichen. Doch was hat der nette Bankbeamte aus meinem durch internationale Größen wie Jackson oder Jordan bekannten Vornamen gemacht? Maikel. Nach dem Schock war auch eine englische Verballhornung meines Nachnamens leicht zu verschmerzen. Und was der andere Bankbeamte schreiben oder gar denken würde, wenn ich ihn nicht ständig davon überzeugte, daß ich die n's in meinem Nachnamen doch keine u's sind, das möchte ich mir lieber nicht vorstellen, eventuell an einen ehemaligen, brandgefährlichen rumänischen Securitate-Untergrund-Agenten, zuständig für die gesamte iberische Halbinsel und spezialisiert auf monolinguale Schalterbeamten. Doch verlassen wir diesen Ort / und begeben uns anders fort: Wie ich in meiner WG heiße, wisst ihr ja schon. MIKAEL hallt es durch die heiligen Hallen, wenn die Waschmaschine spinnt, MIKAEL, wenn die Wasservorräte meiner Mitbewohner zur Neige gegangen sind, MIKAEL, wenn der beflissene Rat zur Verschönerung unserer Wandgestaltung gebraucht wird: links die Ecke noch ein bißchen runter... oder doch nicht?
"Miguel" ist da am einfachsten, für die Spanier, da sie sich nicht irgendwie den Mund verrenken müssen, für die Erasmus-Leute - obwohl gerade die Italiener ein bißchen entgegenkommender sein könnten, fährt für sie doch Mikael Schumáker -- und letztendlich auch für mich, da ich nicht groß erklären muß, daß mein richtiger Name tatsächlich auch in ihren Sprachen existiert, und nicht zuletzt auch, weil ich so ab und zu als Spanier durchgehen kann...
Und wer jetzt glaubt, dies wäre schon alles gewesen, muß sich nun enttäuscht sehen, denn noch sind wir nicht beim Russisch-Kurs. Dort mache ich als Michail die Tiefen der Grammatik unsicher. Ok, ich gebe es zu, die Oberfläche; denn so richtig tief bin ich bei meinen Bemühungen, mich der Sprache durch kursorisches Vokabeln- und Grammatiklernen anzubiedern, nicht nähergekommen. Aber wenigstens kann man meinen Namen ohne Probleme schreiben und mit allen Schikanen deklinieren. Ja einmal habe ich in einem Dialog als Quotendeutscher sogar mal die Rolle eines Maxim übernommen. Als Kommilitonen dann nach dem Inhalt des Gesprächs und meinem dortigen Namen gefragt wurden, war die Antwort: Michail!
Und ihr könnt Michail auch unter der alten Adresse erreichen:
Spanien Michael
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Priewjet euch allen,
heute beschäftigen wir uns mit interkultureller Verständigung und der dafür benötigten Sprache bzw. mit meinem Russisch-Kurs.
International verständlich war die zunehmende Verzweiflung im Gesicht unserer Profesora in den letzten drei Sitzungen vor der Klausur. Sie hatte sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften bemüht, uns zum Lernen zu bewegen, uns durch Arbeitsblätter, deren Umfang linear zur Anzahl der hinter uns liegenden Sitzungen stieg, zu motivieren. Aber wir haben es eben nicht so einfach, die Sprache zu lernen, wie sie, die mit ihren Eltern vor Franco nach Russland geflüchtet war.
Wir Inostranjetzi (Ausländer, Extranjeros) sind dafür sogar nach Spanien gegangen: 1 Tschechin, 1 Portugiesin, 1 Belgierin, 2 Polen, wobei es letztere als Slaven ziemlich einfach haben, was Vokabeln und Aussprache angeht. Mir als Deutscher fallen zwar die ganzen "sch"'s nicht so schwer wie den natürlich auch im Kurs vorhandenen Spaniern, die manchmal Probleme haben, ein "b" von einem "w" zu unterscheiden, aber gegenüber Polen...
Ach ja, ich war nicht der einzige Deutsche: angefangen haben wir zu dritt, nach einem Monat ist Lisa dann nicht mehr gekommen, keiner weiß warum, ob ihr die Possessivpronomina nicht zugesagt haben? Nach Weihnachten haben wir auch Nathalie verloren, ohne ein Wort zu sagen, erschien sie nicht mehr. Jetzt frage ich mich, wie lange noch.
Doch zusammen mit Aymeric, meinem links von mir sitzenden - man vergleiche die geographischen Verhältnisse - französischen Nachbarn aus der dritten Bank, der Ausländerreihe, kämpfe ich mich tapfer durch unbekanntes Grammatik-Terrain. Er war es auch, der eine in unserem Lehrbuch auftauchende Frau namens "Brischita Bardowa" gleich als Brigitte Bardot identifizierte. So lichtet sich der Wald in Russisch also peu á peu und wir können nun mehr Augenmerk auf die Konjugations-Schlingpflanzen am Boden richten. Was bleibt ist nur der Trost, daß andere noch viel schlechter sind.
Vielleicht liegt es aber gar nicht an mir, daß es nur so schleppend mit dieser Sprache vorwärtsgeht. Ich bin motiviert und besuche interessiert den Kurs; aber jedes Mal, wenn ich Vokabeln lerne, die auf meinem Blatt in den drei Spalten Russisch, Spanisch und Deutsch stehen, was immer eine Mordsnachschlagarbeit ist, jedes Mal also, wenn ich mich diesen Listen zuwende, überfällt mich eine solche Müdigkeit, eine solche Müühhh... - und jetzt überlegt euch mal: wenn ich schon bei nur 20 Minuten Russisch-Lernen am Einpennen bin, was machen die dann in Russland, wo die das den ganzen Tag sprechen?
Kein Wunder also, denke ich mir in diesen profunden Reflexionen kurz vor dem Wegdämmern, dass Russland wirtschaftlich nicht so richtig vorankommt. Wenn schon die 3. Person Singular des Verbes "gehen", also der Grundeinheit jeglicher Bewegung und Betätigung, wenn diese Form "idiot" heißt..., na also.
Doch wir haben hoffentlich alle das Russische Roulett, auch Klausur genannt, überlebt, mit welchen Verletzungen wir davon gekommen sind, wird sich zeigen. Jetzt liegt es nicht mehr in unseren Händen.
Reaktionen, Beiträge, Zweifel und Probleme? Dann schreibt mir:
Spanien-Michael
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Do swidanja!
PS: In unserer WG denken sich Alessandro & ich immer neue Gerichtsvariationen aus den Zutaten Reis, Eier, Tomaten, Zucchini, Frankfurter aus. Ziehen uns gegenseitig mit Werbung auf, (Alessandro): "Na, Mikael, kaufst du dir jetzt die Sandmännchen-CD?" -- (Mikael): "Klar, und dann schenke ich sie dir!" , ich "Warum kennt man von Deutschland nur Schlechtes? Hitler, Fußball..." José: "...Michael".
Es ist an der Zeit, den alten Kategorien wieder eine Aufwartung zu machen: Wie hat sich denn unser piso in der Zwischenzeit so weiterentwickelt? Da wäre zuerst das natürliche Gläser-Gleichgewicht zu nennen; so strenge ich mich an, die Anzahl der zerbrechenden Gläser durch kräftiges Essen der hiesigen Nutella und dem damit verbundenen Erwerb neuer Trinkbehälter auszugleichen. Doch was berührt uns wirklich? Unser Wasserkocher, so daß Teewasser nicht mehr Tasse für Tasse in der Mikrowelle erhitzt werden muß, bei welcher der Stift im ehemals angesteckten Zeitschalter verrutscht ist, unsere Teekanne, so daß das vom Wasserkocher erhitzte Wasser in einen größeren Bestimmungsort überführt werden kann, unsere ergonomisch geformte Plastik-Suppenkelle mit einem Griff aus echt imitiertem Holz erworben in einem madrilenischen Chinesen-Geschäft für ein herzliches "60 céntimos, caballero" ?
Nein! , denn man hat begonnen einen automatischen Weckdienst im Haus zu installieren, der aus Bauarbeitern besteht, welche die Wohnung unter unseren Nachbarinnen gründlich renovieren. So wie ich es sehen und hören konnte, haben sie wirklich sämtliche Kacheln von den Wänden geklopft und auch das letzte Stück Fußboden herausgerissen.
Normalerweise geht das Mo-Fr von 8:30-14:30 und 16:30-19:30, oder so. Aber dann haben die sogar am Samstag gearbeitet. Hallo!, es gibt Leute, die müssen lernen, José ist gerade ins Bett gegangen und will schlafen?! - Alessandro und ich haben jetzt auch rausbekommen, warum José als Student der Erziehungswissenschaften immer so viel schläft: er arbeitet an einem Projekt über die Auswirkungen des Alkohol- und Schlafkonsums auf die Lerntätigkeit.
Nebenbei: José hat sich jetzt bereiterklärt, die allgemeinen Sachen zu kaufen wie Öl, Küchenrolle, Seife, Spülmittel -- und Klopapier. Wahrscheinlich hat er keine Lust mehr gehabt, die Tage "ohne" zu überbrücken. Was werden wir also als nächstes einkaufen, jetzt, wo sich die Bauarbeiter sogar schon auf unseren Einkaufszetteln bemerkbarmachen. Waffen, um sie umzubringen, sowie noch mehr Seife und Waschmittel, um unsere Hände und Kleidung in Unschuld zu waschen?
Doch mittlerweile -- angesichts der pulsierenden Regelmäßigkeit des Lärms - bezweifeln wir, dass diese Sphärenklänge wirklich Geräusche von Bauarbeitern sind, die uns animieren wollen, Worte wie Presslufthammer und Schlagbohrmaschine auf Spanisch zu lernen. Vielleicht ist es eine unbekannte Lebensform, die über Morsezeichen mit unseren Nachbarn von oben kommuniziert, die ständig am Möbelrücken zu sein scheinen. Egal, diese Himmelsmelodien haben uns auf die Idee gebracht, alles aufzunehmen, an unseren Rechnern zu mixen und als Housemusic ins Netz zu stellen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann wir die spanischen Charts überrollen!
Doch eigentlich haben wir ja in der Klausurenzeit was anderes zu tun - warum müssen die XXX-Bauarbeiter auch gerade jetzt -; José: "Mann, morgen muß ich echt anfangen zu lernen." Alessandro: "Das sage ich mir auch jeden Tag." Ich: "Und ich tu's!"
Und so versackt man dann schließlich in trauter Dreisamkeit vorm Fernseher: "Der Guru", "Hart's War", "Behind Enemy Lines", die in allen Studenten-WGs obligatorischen Simpsons mal nicht mitgerechnet. Denn wir sind diejenigen, die noch dableiben, während rum um uns herum Leute das Land verlassen. Als Erinnerungsstücke bewahren wir ihre Tee- und Essens-Vorräte in unseren Schränken und gedenken ihrer mit einem weinenden Auge und erfreuten Magen.
Auch etwas abzugeben? Dann schickt es an mich:
Spanien-Michael
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Tschüß, Michael
PS: Die Russisch-Klausur ist zurück: die Hälfte durchgefallen, ich nicht. Deswegen und durch andere Effekte ist unser Kurs leider dezimiert: das exzessive Abschlussausgehen nach der Klausur hatte wohl doch zu viele Kräfte gekostet, und einige Spanier haben sich in ihr Erasmusjahr davongemacht.
PPS: Verbesser' dein Russisch mit Michails Eselsbrücken! Wie merkt man sich prodawietz (Verkäufer)? Ganz einfach, ein Prada-Witz! "Darf's sonst noch was sein?"
Wer nach der letzten Mail jedoch denkt, daß die Weiterentwicklung unseres pisos nur auf technischer Ebene stattfindet, den muß ich korrigieren. Wir sind dabei, auch unsere artistischen Fähigkeiten auszubauen. Angefangen mit abstrakter Konzeptkunst, die -- anfangs ungeplant und eher zufällig -- sich in ein Happening ungeahnten Ausmaßes entwickelte. So sind die 8 Mülltüten und zwei Eierpaletten im Flur für Unkundige nur Aufforderung, doch endlich mal den Müll herunterzubringen, dem meine Mitbewohner jedoch kundig seiner wahren Bedeutung widerstehen. So stellen die Tüten in ihrer zufälligen und zutiefst subjektiv aggregierten Repräsentation die empirischen Ausmaße des wichtigsten Antriebsfaktors der modernen Wegwerfgesellschaft und damit die andere Seite des internationalen Konsums dar. Dieser Müll stand nicht nur zufällig eine Woche bei uns, sondern mahnte ständig des ewigen Vergehens und Vergessens, der Austauschbarkeit des Einzelnen in der durch Arbeitswillen geprägten Industriegesellschaft, so daß es schließlich nur konstruktiv war, ihn den Weg alles Seienden beschreiten zu lassen, indem Alessandro und Ich kurzerhand und kurzentschlossen in einer konzentriert konzertierten Aktion zupackten und ihn seiner Intimität beraubten, als wir ihn in die Sammelstationen eines auf den Transport dieser Artefakte spezialisierten städtischen Betriebes zu einer noch größeren Ausstellung abgaben.
Kontrastiv dazu Josés weiterhin bestehende Großformate, entstanden aus zu großer Freizeit, aus ästhetischen Empfinden oder aus einem Überschuß an Kreativität, um den früher vorherrschenden Krankenhausstil unseres Flurs (weiß und geschmacklose Landschaftsbilder) durch weiße und gestaltlose Collagen aus Herrenmagazinen ästhetisch aufzuwerten, wobei er bei seiner dritten schließlich auf DIN A2 angelangt ist und entdeckt hat, dass es einen Hintergrund gibt, den man nicht nur ausfüllen, sondern zu dem man auch Vordergrundmotive in Beziehung setzen kann.
Doch wo wir gerade bei Müll sind, lohnt es sich noch von dem Vormittag zu berichten, an dem es tierisch im piso gestunken hatte. War es der übliche Geruch nach faulen Eiern, der sich manchmal aus dem Hauptwasserhahn verflüchtigt, nein, der riecht nicht so angebrannt. Dann kam es vielleicht von draußen als übliche Morgenwelle über die Straße geschwappt, wenn alle Welt ihre Gasheizungen anschaltet, nein, dafür war es zu spät. So blieb nur noch eine Möglichkeit, es musste aus der Küche selbst kommen. Wir gingen mit dem Schnupperradar auf Schnupperkurs und hängten unsere Nasen in wirklich alles rein, was rumlag, und siehe da, nach vorschriftsmäßigem chemischen Näseln, fand sich ein angebrannter Eierkarton im Müll! Alessandro und ich schauten uns an, will uns da einer verkohlen? Was hatten die Stimmen zu bedeuten, die ich heute morgen im Halbschlaf gehört hatte? Doch die außerirdischen Handwerker von unten? Waren endlich die Wasserwerker gekommen, um den Wasserhahn an besagtem Haupthahn abzulesen? Nein, denn das hätte zu gefährlich werden können. Also blieb nur noch eine Möglichkeit: José!
Und tatsächlich! Nachdem er eisige Kälten und sengende Wüsten durchquert hat, war er endlich am Drachenturm ... nein, das war wer anders, also er war irgendwann ins piso gekommen, hatte dann telephoniert, dabei eine geraucht, in den Müll geascht und sich gefragt, ob er einen Brand hatte, oder ob dieser Geruch extern war, wovon schließlich das fachgerechte Löschen abhängen sollte, dessen Früchte Alessandro und ich mittags zu riechen bekamen, und dessen Quelle wir dann entsorgten. Selbstverständlich getrennt, denn - auch wir recyceln jetzt!
Und hier für alle, bei denen noch ein Brief an mich rumliegt, meine Adresse, schließlich soll ja alles seine Bestimmung erreichen:
Spanien-Michael
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Bis bald, Michael
"Die Zeit der anderen Auslegung wird anbrechen, und es wird kein Wort auf dem anderen bleiben, und jeder Sinn wird wie Wolken sich auflösen und wie Wasser niedergehen." Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, S. 56.
Nachdem ich schon Josés Großformate, die die Zweidimensionalität der heutigen Schönheitsvorstellungen widerspiegeln, sowie die acht Mülltüten im Flur vorgestellt habe, welche in ihrer aggregierten Einheit die Vergänglichkeit allen Seins repräsentieren, werfen wir nun einen Blick in die Ateliers unserer Artisten. In meiner Kreativkammer findet sich, die bisherigen Motive aufgreifend und spielerisch variierend, die Installation "implodierende Flaschen". Wer jetzt an die bestehenden Hüllen einst verschiedener Alkoholvorräte denkt, liegt völlig falsch. Es handelt sich um ein Kunstwerk, das aus wie zufällig hin- und aufeinandergestellten und danach scheinbar vergessenen, sich selbst überlassenen und eingestaubten 5-Liter-Wasserbehältern besteht, die in ihrer Leere die Lehre an, in und für sich reflektieren. Im Gegensatz dazu verlegt sich Alessandro auf die Zeitgeschichte in einem Werk, das zugleich kritisch auf den Nationalismus Nordeuropas anspielt, "Before Ariel", und das durch seine Konkretizität den Kontakt gerade zur jüngeren Bevölkerung Europas sucht, indem es über seine Elemente -- getragene Kleidung -- Brücken in das einundzwanzigste Jahrhundert, und durch die Integration verschiedenster Bestandteile von Wäsche aus allen Ländern des alten Kontinentes die europäische Einigung voranbringt, da es regionale Unterschiede nicht einfach ausbügelt.
Aber nun mal raus und ab zur Uni, genauer zur Bibliothek, wo mich immer schon das Schild angesprochen hat, welches die dortige Benutzung von Mobiltelephonen untersagt und die mutwillige Nichtbeachtung dieses Verbots mit Ausschluß aus der Bibliothek und ihrer sämtlichen Angebote sanktioniert... - und ich war so blöd und hab' mein Handy tatsächlich anfangs noch ausgemacht! Denn jeder hat sein Móvil an, einschließlich der Bibliothekare, und Stimmen auf dem Klo bedeuten nicht das Deklamieren sapphischer Verse sondern vielmehr das Nachgeben eines ganz bestimmten menschlichen Triebes, nämlich dem der Kommunikation. Doch warum dürfen wir eigentlich unseren tragbaren Fernsprechern den Austausch von Funksignalen mit Sendestationen nicht gestatten? Weil alle Bücher über einen GPS-Transmitter ein Signal ausstrahlen, wodurch man sie in einer Bibliothek, deren System weder den Standort des Buches angibt, noch die virtuelle Präsenz im Computer auch deren Pendant in der Realität einschließt, und auch die Bibliothekare nicht weiterhelfen können, wenn das Buch nicht an seinem, durch langes Suchen in Regalen endlich gefundenen, Platz ist. Nein! Hängt das vielleicht mit der von den Bibliothekaren in einem tausendjährigen Evolutionsprozess entwickelten Technik der aerosolen Teeraufnahme zusammen? Denn, obwohl das Rauchen Bibliotheksbenutzern untersagt ist, lassen die Angestellten wenn schon nicht ihre Köpfe, so zumindest ihre Zigaretten munter vor sich hin qualmen.
Und was das Ehepaar gedacht hat, als ich mit einem Freund .... Doch beginnen wir vorne: Um nicht noch mehr als sowieso zu spät zu kommen, habe ich auf dem Rückweg von der Uni keinen Umweg über mein piso gemacht, um noch Geld zu tanken, und bin gleich in das piso eines anderen Deutschen gegangen, der zwar auch temporal blank war, aber sowieso noch Geld abheben wollte. Nachdem wir am, im und um's Kino herum gesucht haben, die Auskunft eines Taxifahrers uns auch nicht weiterbrachte als der pure Zufall, welcher uns aber nur eine geschlossene Bankfiliale offerieren konnte, haben wir dann mal geschaut, wieviel Geld wir denn noch so zusammenkratzen können: 10-11€. Damit haben wir dann das Kino für insgesamt 7,60 Euro bezahlt. Zur Feier des Tages, und weil synchronisierte Filme den Vorteil haben, daß die Synchronsprecher kaum schneller reden können als die Figuren, haben wir uns dann für den zeitlosen Action-Klassiker "Electra" geeinigt. Schließlich sollte man im Sprachenstudium kein Medium und keinen Jargon ungeprüft übergehen. Doch bevor uns so viel Gutes widerfahren sollte, stellte sich eine viel drängendere finanzielle Frage: Was tun mit den verbleibenden 3 Euro und der zu überbrückenden halben Stunde? Suchen wir ein Café und fragen, ob sie uns was zu trinken und zu essen für jeweils 2 Leute geben. Und es hat geklappt! Bar "Grama" in Bahnhofsnähe, von einem etwas älteren Ehepaar betrieben, hat uns zwei Bier und zwei Stücken (groß und lecker) von ihrer Tortilla gegeben! Klasse! - Nach dem Kino haben wir dann immernoch 40 Cent gefunden, aber in eine Bar reinzugehen und zu fragen, ob wir noch zwei Spritzer Rum oder so kriegen, was bei einem guten Tag des Kellners sicher kein Problem gewesen wäre, aber das haben wir dann doch nicht gemacht. Denn wer weiß schon genau, ob die oben zitierte Zeit der anderen Auslegung, wo Kellner auch dies machen, bereits gekommen ist.
Und damit ihr die Möglichkeit besitzt, die Zeit einzuleiten, zu der mein Briefkasten überquellen wird, hier noch mal meine Adresse:
Spanien-Michael
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Tschüß, Euer Michael
Da quält man sich also samstags um halb drei nachmittags aus dem Bett, stellt sich die großen Fragen der Menschheit, schimpft über die spanischen Leb- und Schlafgewohnheiten, aber schließlich ist man ja als Kulturwissenschaftler quasi gezwungen, diese zu assimilieren und sich anzupassen, und ich kann sagen, es ist nicht einfach; doch die Belohnung für soviel Anstrengung lässt nicht lange auf sich warten. Eine kalte Sonne eröffnet den Blick auf einen strahlendblauen Himmel ... und Schnee: Ausgewachsene Eingeborene spielen und zeigen als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit dem neuen Aggregatzustand des Lebensspenders archaische Rituale, die darin bestehen, einander den Kreislauf des Wassers in beschleunigter Form näherzubringen, wozu sie sich -- als Zeichen der Harmonie mit der Umwelt - mit kugelförmig gepressten Schneemassen gegenseitig markieren, die durch eine eigens hierfür adaptierte Kulturtechnik manuell beschleunigt werden, um der Erdanziehung in ballistischen Kurven widerzustehen vermögen, äh zu widerstehen vermögen, äh zu widerstehen. Die echte Freude ist verständlich, denn wie wir in einer repräsentativen demographischen Umfrage, also nach Selbstaussage einer nicht zufällig ausgewählten Person, feststellen konnten, war dies für einige der erste Kontakt mit diesem für uns schon zur Selbstverständlichkeit gewordenen Umweltphänomen.
Doch nicht nur draußen macht der Winter Fortschritte. Da unsere letzte Heizungsrechnung exorbitant, dabei aber für hiesige Verhältnisse nicht ungewöhnlich war, müssen wir sparen. Jetzt tritt die Aktion "bájala" ("runter mit ihr" => natürlich der Heizung) in Kraft. Wir vermissen alle die Dschungeltemperaturen in Flur, Bad und Küche, aber in letzterer heizt beim Kochen ja der Gasherd mit, und sind auf die nächste Rechnung gespannt, ob unsere Anstrengungen honoriert werden.
Doch sind das nicht die einzigen Taktiken. José und mir war gleich klar, wir müssen mehr Leute auf fiestas einladen, denn 1) die bringen die Getränke mit, so daß man die Kälte weniger spürt, 2) die bringen ihre Körperwärme mit und treiben die Raumtemperatur hoch. Eine andere Methode war, da wir im Medienzentrum Küche jetzt auch noch den Fernseher haben, so daß wir kochen und glotzen können, um nun den Konflikt aus der unendlichen Anzahl der Stecker von Discman, Lautsprechern, Mikrowelle, Wasserkocher, Verteilerkabel und der leider endlichen Anzahl von Steckdosen zu lösen - oh ich habe den übergeordneten Satz verloren egal einfach weiterschreiben das hat keiner gemerkt - ganz einfach den des Boilers rauszuziehen! José hat diese effiziente Methode, gleich doppelt zu sparen - einmal den Verbrauch an Gas, da das Wasser ja ungeheizt ist, und zum anderen den Verbrauch von Wasser an sich, das in seiner reinsten, kältesten und klarsten Seele aus der Leitung schießt, so daß man in Rekordzeit duscht, im Selbstversuch selbstverständlich selbstlos getestet: Wir haben den Stecker jetzt wieder drin!
Stecker draußen war dagegen beim Kühlschrank: fast hätten uns die Pinguine begrüßt, oder wir wären unter die Eis-Produzenten gegangen. Denn immer noch war das Gefrierfach voll von Josés Fleisch-Vorräten für den dritten Weltkrieg, die er allerdings vergessen hatte, denn man konnte sie ja auch nicht mehr sehen vor all' dem Eis. So hat nicht nur seit Monaten nichts mehr hineingepasst, was schließlich auch für das Eis selbst galt. Das ist dann auch dementsprechend durch die Klappe gekommen und wollte sich mit dem Kühlschrankinhalt verbrüdern. Doch so nicht, keine Einheit in diesem Kalten Krieg! Schließlich soll man ja aus der Geschichte lernen -- und das heißt vor allem: raus mit den unerwünschten Elementen!
Dafür war natürlich erstmal politisches Tauwetter herzustellen, weshalb ich die Nachschublinien gekappt habe, bevor die schmutzige Arbeit mit Hammer und Meißel begann. Schicht für Schicht kristallisierten sich schwarz-rot-orange eingefrorene Filets vom Boden, zeugten jahrhundertealte Eissäulen anhand ihrer Calamaresringe vom Klima früherer Epochen, ebenso erhaltene Fischstäbchen bewiesen, daß auch längst vergangene Kulturen über verblüffend ähnliche Techniken der Lebensmittelkonservierung verfügten wie wir heute. Da ich Hoffnung hatte, eventuell auch auf einen Ötzi zu stoßen, klopfte ich mich behutsam durch die Eismassen, die mir als Versinnbildlichung des Klimawandels bald entgegenfielen: Ob sie aber über Oberammergau, oder aber über Unterammergau, oder aber überhaupt nicht in die bereitgestellten Salatschüsseln stürzten, war nicht gewiß. Gewiß ist aber nun, nachdem ich mit eiskaltem Händchen und eiskalter Miene diese Arbeit beendet habe, daß wir, unterstützt von José, der sich auf die Filets gestürzt hat, wieder Platz im Gefrierfach haben.
Da man jedoch nie wissen kann, was die nächste Gasrechnung bringen wird, bitten wir um Spenden. Sie können in Form von Lebensmitteln (gern auch gefrostet), Briefmarken und Schecks an folgende Adresse geschickt werden:
Spanien-Michael
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Tschüß aus Spanien. Michael
Fangen wir an mit einer programmatischen Geste meiner Russischlehrerin: In der ersten Stunde nach den Osterferien haben wir alle natürlich erzählen dürfen, wo wir waren (Präpositiv mit B oder Ha), wie wir dorthin gekommen sind (Präpositiv mit "Ha"). Damit wir uns aber auch im Akkusativ abmühen, wurden dann gleich die Verben der Bewegung eingeführt, wofür sie als symbolische Einführung die Tafel sauberwischt, auf der noch vom vorherigen Kurs stand: Declaration of Independence.
Wir aber entwickeln erfolgreich Taktiken, die Probleme der russischen Grammatik zu umgehen. So empfiehlt es sich, weiter hinten zu sitzen, Endungen zu verschlucken oder zu vernuscheln. Wenn man zwischen zwei Präpositionen wählen muß, einfach beide kurz hintereinander sagen, oder einen Satz laut beginnen ("ICH...") und danach immer leiser werden (... habe...) , so daß die Dozentin zweifelt, ob es nun an ihren Ohren liegt, daß sie uns nicht versteht.
Wo ich nun die letzte Mail schon mit dem Blick aus dem Fenster als Natureingang gestaltet habe, was habe ich denn heute auf Lager? Ein spanischer Großfamilientruppentransporter kommt die Straße heraufgefahren und hält, es steigt eine junge Spanierin aus, die auch hält, und zwar eine Plastik-Tüte unbestimmten Inhalts. Dann steigt noch jemand aus, eine ältere Spanierin, die versucht, sich zu halten, jedoch scheitert und in einer zweiten bereitgehaltenen Plastik-Tüte ihre Magensäfte anvertraut. Worauf dann weitere Personen sich zu ihr begeben, sie zu halten.
Da meine spanische Umgebung beinahe mein Englisch verdrängt hätte, habe mir erfolgreich einen Englisch-Deutsch-Sprachaustausch mit einem native speaker organisiert, wo wir uns jede Woche abwechselnd in einer der beiden Sprachen unterhalten.
- Doch unter der Rubrik, wie bringt man Italiener durcheinander oder schafft es, daß eine Überschrift länger als der eigentliche Text wird -
Alessandro: Ich habe jetzt auch einen intercambio? José: Wovon?
Unsere Gasrechnung konnten wir um ein knappes Drittel senken, auch beim Strom haben wir ein Zehntelchen rausgequetscht. Und jetzt kommen die warmen Tage! Ohne Heizung, Wasser kommt von selbst warm aus dem Heißwasserhahn, Laptop-Akkus werden nur noch in der Uni aufgeladen, die Sonne schenkt uns ihr kostenloses Licht, Tauben werden uns gebraten in die Münder fliegen und der Tormes führt Honig und Milch!
Apropos Tormes, unser Fluß in Salamanca. Erinnert ihr euch noch an die erfolglose Suche nach einem gewissen "rastro", einem Trödelmarkt auf der anderen Seite (otro lado) des Flusses (del río)? Nun, wer hat in der Oskarverleihung den Preis für das beste Titellied abgeräumt? Jorge Drexler (eigentlich aus Uruguay) mit "al otro lado del río", einem Lied über vier Erasmus-Studenten, die unter sengender Sonne.... -- nee; aber trotzdem werde ich mich schon mal vorsorglich als freischaffender Prophet anmelden.
Und was machen so unsere künstlerischen Betätigungen? José entwickelt sich zum Friedensaktivisten. Zumindest interpretieren Alessandro und ich so die vor 4 Wochen gewaschenen weißen Bettlaken, die seit ebendiesem Zeitpunkt auf der Wäscheleine vor unseren Fenstern zum Innenhof hängen und den ewigen Kreislauf des Waschens und Trocknens beschreiben. Vielleicht machen es sich ja bald Flechten auf ihnen gemütlich und schreiben in ihrem Wachstum das englische Wort für Geschwindigkeit, wie es als Forderung während des letzten Irak-Krieges aus Rom kommend ebenfalls vor den Fenstern hing: pace!
Und wo wir schon bei Kirche sind, dürfen ein paar Ausführungen über die Osterwoche hier natürlich nicht fehlen. Jeden Tag eine neue Prozession, während der eine Maria- und eine Jesus-Figur von bis zu 30 Trägern durch die Straßen getragen wird, umrahmt von Fackelträgern in Ku-Klux-Clan Kostümen, den Brüder- oder Schwesternschaften. Begleitet werden sie dabei von schiefen Trompeten, und hiermit meine ich nicht die Haltung der Musikanten, die, wenn schon nicht "Brother Lewis", so dann doch wenigsten andere fromme Lieder im marschierenden Piccolo-Trompeten-Satz anstimmen.
Dies alles unter dem tiefblauen Abendhimmel mit Straßen gesäumt von prozessionshoppenden Salmantinern und Touristen. Da ich mir als interessierter Mitteleuropäer gleich die erste Prozession angeschaut hatte, ließ die Belohnung nicht lange auf sich warten -- und zwar mit zwei Fotos in der hiesigen Presse, auf denen ich mehr oder weniger gut in der Masse zu sehen bin.
Habt ihr Interesse an einem todsicheren System für eure Fußball-Toto-Wetten? Ganz einfach den Portugiesen-Faktor bestimmen. José macht es zumindest so: Wo am meisten Portugiesen drin sind, die gewinnen. Geklappt hat es ja schon bei Chelsea-Barcelona, und bei Bayern-Chelsea sieht es ja auch nicht so schlecht aus.
Apropos Fußball: ein echter Schock war hier natürlich das Ausscheiden von Real Madrid und Barcelona. Gerade letzteres hat mich auch persönlich mitgenommen, weil ich es nicht sehen konnte, da ich dienstags immer von 20 bis 22 Uhr Uni habe. Also habe ich José gefragt, ob er mich nicht bei jedem Barca-Tor einmal, und bei jedem Chelsea-Tor zweimal anklingeln kann, während ich im Seminar anstatt auf glühenden Kohlen auf vibrierendem Handy sitze. Dreimal zwei in den ersten 15 Minuten, dann zweimal eins und dann wieder einmal zwei, das konnte nicht sein, da wird man ja total verrückt! Hatte José sich geirrt, oder wie war nun der Endstand? 4:2 für Chelsea.
Zum Abschluß für für alle, die die ca. 2 1/2 monatige Endphase noch schnell nutzen wollen, mir einen Brief zu schreiben, meine Adresse:
Spanien-Michael
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Jetzt aber Tschüß, Euer Michael
Eeeeiiii,
Wie viel Zeit ist vergangen seit der letzten Mail. Da weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll. Warum nicht ganz von vorne?
Am Anfang war das Wort. Und was das Wort war, habe ich vergessen, und in Goethes Faust hineinzugucken, da fehlt mir allein schon für das Öffnen die Kraft, Macht, Tat. Deswegen überspringen wir einfach ein paar Jährchen und begeben uns gleich nach Spanien, wo vom 18.-22- April 2005 eine Tagung stattfand: "Situation und Perspektiven der Literatur der deutschen Schweiz". Organisiert wurde das ganze von einer salmantiner Professorin und einer Professorin aus Madrid. Daher sind denn auch am 18. frühs um sieben 15 salmantiner Germanistik-Studenten nach Madrid gefahren -- und einer, weil er zu spät gekommen ist, - erreichte Madrid eben eine Stunde später; damit hier keine Missverständnisse aufkommen, ich war's nicht. Für alle ging es zuerst ins Hostal, dann zur Universität "Complutense", wo das Spiel beginnen sollte.
Langweiliges Vorlesen von vorbereiteten Vorträgen, der Overhead-Projektor oder Polylux war nur Dekoration wie ein Bild des jugendlichen Königs Juan Carlos, der uns - wie gegenüber das Kruzifix - aufmunternd zulächelte: "Das wird schon." Da's aber nicht wurde, bin ich dann schnell dazu übergegangen, längst fällige Postkarten zu schreiben und den Anschein zu wahren, als ob ich mir die wichtigsten Ergebnissen der anschließenden Pseudo-Diskussionen notieren würde.
Doch da Akademiker ja die Elite des Landes darstellen (sollten?), lernten wir schnell daraus, und dementsprechend ging es am nächsten Vormittag in den Prado, wohin sich auch Franco Sopino verdrückt hatte, einer der eingeladenen Schweizer Schriftsteller, deren Bücher besprochen wurden. Von Mittwoch bis Freitag, wo der Kongreß in Salamanca war, habe ich mich dann noch rarer gemacht, schließlich hatte ich ja noch Uni parallel! Aber Silvio Blattner, den musste ich mir antun, und als Sahnehäubchen noch die Abschlussworte des Schweizer Botschafters, einen herrlichen Akzent haben die, und der Versuch des Vizerektors der Uni Salamanca, uns auf Englisch (!) den Abschied zu versüßen.
Fazit: Die Uni von Salamanca sieht besser aus als die Complutense von Madrid (von deren Cafeteria im Waschsalonstil und unserem stilvollen Gewölbekeller ganz zu schweigen!), wir waren mehr salmantiner Studenten als madrilener, nur das bessere Deutsch der madrilener Professorin ließe sich als Punkt auf Seite der Hauptstadt anrechnen.
Dies soll er also gewesen sein, der Anfang der Abschlussreihe meiner Berichte von der iberischen Halbinsel. Da sich einige von euch schon Sorgen gemacht haben, ob es mir gut geht bzw. was oder wer mich vom Schreiben abhält, habe ich mir vorgenommen, euch noch von dem zu berichten, was in den letzten drei Monaten passiert ist. Nun gut, und damit auf in die zweite Runde mit dieser, nun schon der fünfzehnten Mail.
PS: Nur mit der Ruhe, die nächste Mail wird wieder länger. Und die Postadresse ist selbstverständlich dieselbe geblieben:
Spanien-Michael
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Sehnsüchtig erwartet (also das nehme ich jetzt einfach mal an, denn schließlich tun die in Fernsehen und Radio ja auch immer so, als ob sich Millionen von Menschen nur nach der neusten medialen Errungenschaft gesehnt hätten und diese Sehnsucht einzig mit einem gezielten Fingerdruck auf der Fernbediehung stillen könnten), hier nun die neuesten alten Notizen aus meinem leider längst verlassenen piso.
Oder
Oder
Von unten: a) von den Handwerkern: das allseits beliebt-bekannte Hämmern der Bauarbeiter, das sich in der Endphase der Konstruktion neuer Zivilisationen auf vereinzelte gezielte Schläge zu Beginn der Arbeitszeit (8 Uhr, wenn das Stockwerk drüber mit Studenten noch schläft) beschränkt, die höchstens wiederholt werden -- zum Beispiel mit leichtem, arhythmischen Angeträller auf der Schlagbohrmaschine -, um die Studenten, die trotz allem wieder in Morpheus' Arme gefallen sind, endgültig herauszureißen und ihnen die Nerven zu rauben, da für den Rest des Tages selbstverständlich (!) Ruhe herrscht. b) von den (Verzeihung!) Idioten aus dem ersten Stock: fast ausschließlich samstagvormittags lässt sich ihr Gebrülle oder überlaute Sprechgesangmusik oder aber überlaute Sprechgesangmusik kombiniert mit den Versuchen einer leider nicht zu glücken scheinenden Kommunikation in Harmonie (Gebrülle) oder Streit (GEBRÜLLE) genießen; ein Glück, das ich's wenigstens nicht verstehe!
Von draußen: a) Da unterhält sich eine Familie, sagen wir, die Frau schiebt ein Neugeborenes samt Kinderwagen durch die Straße, was dann von Vorbeikommenden positiv quittiert wird, so daß sich Freunde, dann Nachbarn und schließlich das ganze Viertel samt der Viertel-Katzen, die Freudengesänge anstimmen auf welche die Viertel-Hunde mit Ruhmeshymnen reagieren, um den neuen Erdenbürger scharen. b) Dann gibt es natürlich das fast schon niedliche Jubilieren der Schulkinderchen im colegio nebenan, die Müllabfuhr in jeder Nacht um 12 (selbst dran schuld, wer da daheim ist), die Krankenwagen, die über den Paseo fahren, Jugendliche einer Blaskapelle, die auch schon mal in ihrer Freizeit vorbeimarschierend üben...
Von nebenan: a) meine Nachbarinnen: keine Ahnung, wann die mal an der Uni sind oder studieren, denn der Fernseher läuft eigentlich immer; d.h., selbstverständlich in der ausgedehnten Siesta um 14 Uhr rum, weil da die Simpsons kommen, und vorher, weil ja gleich die Simpsons kommen und nachher, weil die Simpsons ja gerade eben erst gelaufen sind und man sich die Nachrichten eigentlich auch nicht entgehen lassen kann. Dasselbe Spiel, nur neben der ausgedehnten Siesta den ganzen Tag über, läuft am Wochenende, wo die Samstags-Filme im Ersten oder Dritten genossen und manchmal DVD geschaut wird; höherer und exzessiverer Konsum findet dann nur noch an den Wochenenden statt, wo die Lebensabschnittsgefährten da sind. Das hat dann den Vorteil, das sonore Stimmen die Wand ihres Wohnzimmers zu meinem Domizil vibrieren lassen und nicht mehr das antike Ringel-Klingeln ihres alten Festnetztelefons oder das moderne Biep-Fiepen des Handys. b) Von Alessandro: Musik aus seinem Zimmer -- auch schon mal als unwillkommener Weckservice eingesetzt- , während er selbstverständlich in der Küche ist und Fernsehen auf Lautstärke 24 schaut bei offenem Fenster zum Innenhof, so daß ich die spannende Kombination von spanischer TV-Werbung mit den verspannten Stimmorganen entweder von irgendwelchen Bewohnern im ersten Stock, die meinen, ihre persönlichen Spannungen herausschreien zu müssen, oder von besuchenden Müttern, die laut palavernd die Wäsche auf die gespannten Leinen aufhängen, genießen kann.
Von überall: Waschmaschinengerumpel auch um Mitternacht!
Aber das ist normal, denn schließlich sind wir in Spanien, und deshalb stelle ich jetzt auch eine Waschmaschine an, auch wenn's schon 22Uhr ist, und helfe meiner Nachbarin, die ihr Zimmer neben unserem Bad hat, zu süßeren Träumen, denn das Plätschern der Dusche soll ja beruhigende Wirkung haben, vor allem nachts und vor allem, wenn ihr Schlaf gleich dreimal unterbrochen wird, weil José, Alessandro und ich zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause kommen.
Und wie immer schließe ich mit dem Aufruf, mir zu schreiben.
Spanien-Michael
FachSchaftsKonferenz
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Albert-Überle-Straße 3-5
69120 Heidelberg
Tschüß; euer Michael
Vierteile Serie über meinen Aufenthalt vom 6. bis 9. Mai in Nordportugal
Im José-Mobil, irgendein kleines französisches Auto, ging's freitags los: raus aus Salamanca, die Brücke über den Tormes rüber, rein in den Kreisverkehr, und da kam auch schon die Ausfahrt, Blick in den Rückspiegel, Blinker setzen, Mist: geht nicht, Autobahnzubringer gesperrt, also ohne Blick in den Rückspiegel Blinker wieder aus, einmal im Kreis rum und wieder raus aus dem Kreisverkehr, die Brücke über den Tormes zurück, rein nach Salamanca, links ab auf die Parallel-Straße zum Tormes, rauf auf die andere Brücke und schließlich lockert die Stadt ihren Griff und gewährt uns Zugang zum Autobahnzubringer in Richtung Südwesten, Richtung: Atlantik.
Diesen Ozean sollte ich während meines gesamten Spanien-Aufenthaltes insgesamt zweimal sehen, auch wenn ich nie drin gebadet habe. Denn Braga -- und wieder: vergrößer' deinen Wortschatz mit Michael - , was auf Spanisch soviel wie Damenunterhose bedeutet, liegt nicht am Meer, sondern verteilt auf mehrere grüne Hügel ungefähr 30km im Landesinneren.
Nach ca. 4 Stunden Fahrt durch Berge und Täler erreichten wir, ein gemischtes Doppel mit José und mir und jeweils einer portugiesischen und deutschen Freundin, die Stadt. Nach erfolgreicher Unterkunftssuche besitzen wir auch eine Unterkunft mit Blick über die Stadt und neben dem normalen, ein zusätzliches Bett für kleine Kinder, auf das ich mich in meiner Naivität später draufsetzen sollte, was mit dem sofortigen Einkrachen desselben quittiert wurde. Bevor ich jedoch nachdenken konnte, ob dies wegen meines Gewichts geschah, oder wie man nun liegen soll, ohne mit der Eigenmasse die Schlafstätte zu belasten, stellte sich heraus, daß die Unterboden-Spanplatte längst gebrochen und amateurhaft, wahrscheinlich von vorherigen Gästen, auf das Bettgestell und unter die Matratze gelegt worden war.
Die Theorie, daß der Einsturz aufgrund meiner plötzlichen Gewichtszunahme erfolgt war, konnte also nicht bestätigt werden. Doch welche plötzliche Gewichtszunahme? Nun, nach gelungener Herbergsfindung, ging es auf zu einem echt portugiesischen Abendessen. Hier konnte ich meine Qualitäten als deutscher Esser unter Beweis stellen. Das fiel mir leicht, da es nun nach Kontinentalzeit (in Portugal bitte die Uhr eine Stunde zurückstellen!) schon 23Uhr war und ich seit dem Nachmittag nichts mehr gegessen hatte. Komme was wolle, ich stellte mich heroisch Reis und Linsen, Salat und Fleisch. Fleisch, unnachgiebig von Josés Mutter aufgetan, die wahrscheinlich froh war, daß hier nicht gemeckert sondern gearbeitet wird. Fleisch, unnachgiebig von meiner fast vegetarischen Nebensitzerin abgeschoben. Fleisch, der Riesen-Dalmatiner der Familie schaute schon ganz neidisch, ja, es ist nicht leicht, Gast zu sein. Doch was tut man nicht alles für die Völkerverständigung, wenn schon nicht verbal so zumindest körpersprachlich wollte ich hier und in der anschließenden Kneipe meinen kleinen, bescheidenen Beitrag leisten.
Doch das Erreichen der Kneipe, José hatte uns nach dem Abendessen noch mal kurz beim Hotel abgesetzt und nach Absprache sollte ich ihn anrufen, daß er käme, also dieses Erreichen stand in Gefahr. Beim Austausch der Telefonnummern ging nämlich was mit der Vorwahl schief, und so klappte und klappte es nicht mit meinem WG-Nachbarn aus Salamanca. Aber hatte ich nicht auf der Hinfahrt erst Josés Mutter angerufen, da dieser, mein Mitbewohner, kein Telephon-Guthaben mehr hatte? Ja, also los ging's. Das muß doch zu schaffen sein, eine SMS auf so einem Spanisch zu schreiben, daß die gemeinsamen Wurzeln beider Sprachen auch für portugiesische Mütter verständlich sind. Und? Es klappte. Nach mehreren Versuchen stellte es sich heraus, daß auch dieser Versuch internationaler und Sprachgrenzen übergreifender Zusammenarbeit erfolgreich mit dem Vorfahren des José-Mobils ausging.
Ende erster Teil
Vierteilige Serie über meinen Aufenthalt vom 6. bis 9. Mai in Nordportugal
Es wurde Morgen, es wurde Abend, nächster Tag. Heihei, is' ja noch echt früh, tatsächlich kurz vor elf Uhr vormittags in der Stadt, wie ham'wer denn das geschafft? Na ganz einfach, vergessen die Uhr umzustellen, was sich später herausstellen sollte.
Nun aber ein Exkurs zur Landeskunde: jede Uni in Portugal macht im Frühjahr eine Uni-Fete. Dabei fällt der Vorlesungsbetrieb eine Woche lang aus und es wird für Studenten wie für Bewohner der Uni-Stadt ein einwöchiges Musik-Festival organisiert. Und ich war nun gerade -äh- zufälligerweise an dem Eröffnungswochenende, also der supergroßen Sause vor der großen Sause, in Braga, so daß ich viele Studenten sehen konnte, die tags oder nachts in ihrer Festkleidung, alten Talaren mit Fakultätsabzeichen, durch die Stadt zogen und so der ganzen Innenstadt ein besonderes Flair verliehen. Jubel trotz der anhaltenden Wirtschaftskrise, die sich bemerkbar machte durch schlechte oder keine Zähne gerade bei niedrigeren Bevölkerungsschichten oder den Trauben aus Fußballrentnern, die ihr Hobby in den Schaufenstern der Elektroläden verfolgen.
Braga ist zwar nicht besonders groß, hat aber dennoch eine malerische Altstadt und verfügt über die älteste Kathedrale Portugals. Sie war einst, noch lange bevor man in Lissabon an den Bau eines Domes gedacht hatte, Bischofssitz für Nordportugal und Teile Nordspaniens und hat so auch von der Kolonialisierung Amerikas profitiert, weshalb hier das älteste Kreuz Amerikas steht! Mehr Infos? Einfach eine Führung in der Kathedrale von Braga machen und versuchen aus dem Portugiesisch-Spanisch-Gemisch die relevanten Begriffe herauszufiltern.
Doch vor dem Festival natürlich noch ein Riesen-Abendessen bei José-Mama. Wie am Vortag begleitet von einer brasilianischen Telenovela im Fernsehen, bei denen Reiche und Schöne einander ein Stelldichein gaben. Bis auf einen, der offenbar einen so armen Charakter darstellte, daß er in der nun schon zweiten Folge seinen muskulösen Oberkörper nicht mit gleich welchem Textil bedecken konnte -- wie soll's dem erst am Ende einer Staffel gehen, mit Lungenentzündung im Krankenhaus, umsorgt von knapp bekleideten Schwestern, dann eine verbotene Liebe gegen alle Standesgrenzen... In den Pausen als Kontrastprogramm dagegen Fußball: Benfica Lissabon, das noch einen Sieg bräuchte, um den Meistertitel engültig sicherzustellen, ermauert sich dank trappatonischer (José fragt sich wohl noch immer, warum gerade dieser Defensivkünstler verpflichtet wurde) Mauertaktik ein glanzloses verkrampftes Unentschieden am vorletzten Spieltag gegen einen mittelprächtigen Gegner aus den Niederungen der Tabelle und darf so also noch zittern.
Aber weil's ja nun erst 12 war, noch inne Kneipe. Und hier: das erste Mißverständnis. Wir zwei Deutsche hatten Heineken bestellt. Ich frage, wieviel kosten die. José sagt 1,60. Ok, wir holen beide jeweils 1,60 raus. José guckt ungläubig, kapiert so langsam was geschehen ist, lächelt süffisant und sagt: Einssechzig, insgesamt, nicht einzeln! -- und schon war das Getuschel in der Kneipe groß und alles schaute amüsiert auf uns zwei Deutsche, die auch 1,60 für ein Heineken nicht eben als teuer empfunden hatten. Ja, jetzt verstand ich, warum José sich über die Bierpreise in Salamanca früher so aufgeregt hatte.
Schließlich zum Festival: eine Riesenbühne mit portugiesischen Bands -- kannte ich natürlich nicht - , alles voll Menschen -- kannte ich natürlich auch nicht - , zwei mal zwei Container-Reihen, die sich gegenüberstanden und in denen jedes Institut seine Bar hatte und zum Festivalpreis (1 Bier für 1 € - sollte ich kennenlernen) Getränke verkaufte und selbstverständlich, von den beiden Zelten für HipHop und House einmal abgesehen, eine jede ihre unterschiedliche Mucke auf die Zuhörer und --trinker losließ. Weshalb letztere nicht nur an den Tresen, sondern einige Zeit später auch an den Dixiklos und Festivalzäunen Schlangen bilden sollten. Aber klasse Stimmung, und wie! Die dortigen Deutsch-Studenten, die wir am Stand der neuphilologischen Fakultät getroffen hatten und kennenlernen sollten, waren super drauf und endlich haben wir auch wirklich mal was verstanden und konnten sicher sein, daß es auch das bedeutete, was wir meinten gehört zu haben. Doch dann, als es so auf sieben Uhr kontinentaler Zeit zuging, verließen uns die Kräfte und wir folglich das Festival, denn in vier Stunden sollte es ja zum Atlantik gehen!
Ende zweiter Teil
Vierteilige Serie über meinen Aufenthalt vom 6. bis 9. Mai in Nordportugal
Der Abend war schon vorbei, also: es wurde Morgen, es ging auf Mittag zu, dritter Tag. Bitte leise lesen, auch das Flüstern einstellen: vier stunden später klingelten die mobiltelephone, rauschten die duschen. mal wieder holte mich der kaltwasserfluch ein, doch das wasser danach soll warm gewesen sein. egal, ich war wach. auf zum bahnhof von braga, vorher noch inner bahnhofskneipe gefrühstückt und dabei selbstverständlich den tisch mit dem teewasser überschwemmt, denn irgendwie scheint's ja keine gescheiten teekannen im gesamten mittelmeerraum zu geben. und dann im zug.... schlafen.
Oporto: in Deutschland wird diese nordportugiesische Industriestadt nur Porto genannt, international bekannt durch den FC Oporto, der in dieser Saison schließlich nicht portugiesischer Meister wurde, das hat nämlich endlich mal wieder Benfica Lissabon geschafft, dafür war diese Mannschaft im Besitz der Championsleague-Trophäe 2003/04. Ein Sonntag, noch dazu um 15 Uhr ist nicht unbedingt die Zeit, diese florierende Metropole zu besichtigen, denn: alles pennt. Geschäft sowieso (is' ja Sonntach), Bars, Cafes, Restaurants. So konnten wir das gestern gekaufte Portugiesisch-Wörterbuch gar nicht nutzen und mit mieser Aussprache (José lacht sich immer krank, wenn ich's versuche) unsere Wünsche zum besten geben. Zum Glück hatte das Büro des netten ALSA-Verkäufer geöffnet, der uns die Tickets für die morgige Rückfahrt im Bus verkauft hat, und auch die Tourist-Info, wo uns nette Damen mit einem Stadtplan ausrüsteten, der uns den Weg zur ALSA-Geschäftsstelle und deren Verkäufer lenkte, und das verdankten wir nur meinem geöffneten Portugal-Führer in Buchform, der uns den Weg zur Tourist-Info angab. Man muß sich eben zu helfen wissen!
Da Gottes Häuser jedoch immer offen sind, betraten wir schließlich die Kathedrale dieser Stadt nach einem anstrengenden Fußmarsch durch Höhen und Tiefen Oportos, durch pittoreske und weniger pittoreske Viertel, alle mit ihrem eigenen Charme und ihrem eigenen Platz auf der Skala zwischen hypermodern und total heruntergekommen, zwischen den-jahrzehnten-trotzend und wiederzusammengeflickt hoffend, daß der Winter nicht kommt. Und Kacheln strahlten uns entgegen! (Ok, eigentlich ist das die reflektierte Sonne, aber der ermüdete Tourist nimmt jeden Hoffnungs-"Schimmer" dankend an.) Eine wahre Pracht an Kachelgemälden oder einfach nur einfarbig glänzenden Hauswänden. Allein deswegen sollte man unbedingt mal nach Portugal!
Kurz vor der Abreise nach Braga stellten wir fest, daß es doch noch belebte Viertel gegeben hätte, nämlich auf der anderen Stadtseite, die wir nicht durchstreift hatten. Aber egal, denn jetzt hieß es: wieder Zug, wieder - schlafen!
Fuß- und kniekrank durch die Straßen Bragas schleppten wir uns, Speise und Trank suchend. Einmal typisch portugiesische Küche (die logische Unstimmigkeit, daß wir diese kulinarischen Genüsse schon bei Josés Mama genießen konnten, mögen wie die vielen anderen Unstimmigkeiten bitte vom geneigten Leser in Kauf genommen werden)! Doch alles schon zu! Wieder einmal zu spät! Auch die so geliebten, stilvollen, kleinen und nicht zuletzt billigeren Seitenstraßenlokale: geschlossen! Von ferne leuchtete in unseren Mägen (Der geneigte Leser möge bitte die obigen Ausführungen zu Unstimmigkeiten berücksichtigen.) das Schild des einzigen Freßtempels, der willig war uns zu dieser Uhrzeit, um 22 Uhr, zu bedienen bzw. der uns um Mitternacht, noch Mittach macht! Ja, und so genehmigten wir uns eben eine typisch portugiesische Pizza, oder bildeten uns dies zumindest ein (siehe Unstimmigkeit), bei Pizza Hut.
Hatte ich nicht "Fear" versprochen? Sollte die sich auf den anschließenden Besuch der Spätvorstellung einer amerikanischen Komödie im Original und mit portugiesischen Untertiteln beziehen? Nun, nicht direkt, denn obwohl einige Witze wahrhaftig angsteinflößend waren, das Grauen kam danach, als die Wege sich krümmten und wir keinen Ausweg aus dem Einkaufszentrum fanden. Anfangs mit zwei anderen Mitstreitern streiften wir umher, dann verschwanden diese plötzlich hinter geheimen Türen, denn nie mehr haben wir sie wiedergesehen. Nun allein, auf drei Etagen, kein freundlicher Kinoangestellter der uns mit einem Lächeln (doch was für einem, und warum?) entlassen hatte, nur noch ein .... Vibrieren!
Chchchchchchchch.... Chchchchch...... chchhchch ... Da lag doch tatsächlich irgendwo irgendeiner und schlief und teilte uns schnarchend mit, daß wir seine Reviergrenzen verletzt hätten. Panik: ein Schnarcher würde uns in seinem vertrauten Terrain meilenweit überlegen sein -- und in sieben Stunden geht der Bus von Oporto wieder zurück nach Salamanca, und eine Stunde braucht der Zug von Braga nach Oporto, und der Nachhauseweg, und das minimale Schlafbedürfnis, nein, hier würden wir nicht bleiben! Hatte ich nicht eben eine Pension gesehen? Haben Pensionen nicht nachts auf? Wenn Pensionen nachts aufhaben, gibt es nicht einen Portier? Also nichts wie hoch in den ersten Stock - über ausgeschaltete Rolltreppen, ahhh! Rein in die Tür unterm Neonleuchtschriftzug. Und Himmelhergottseidank, da saß er, der Portier unserer Träume, halbliegend auf einem Sessel, fernsehschauend und vor dem portugiesischen Nachtprogramm fast weggeratzt. Lächelnd hörte er sich unsere Lage an, lächelnd griff er zum Schlüsselbund, den er lächelnd in das Schlüsselloch des Hauptrolladens steckte, umdrehte und so ein Lächeln auf unsere Gesichter zauberte: Freiheit! (Und José war weiterer Telephonterror erspart geblieben.)
Und: Schlaf!
Ende dritter Teil und den Atlantik gibt's doch erst in Teil IV.Vierteilige Serie über meinen Aufenthalt vom 6. bis 9. Mai in Nordportugal
Es wurde Abend, es wurde ekelhaft früh Morgen, vierter Tag, Abreisetag. Der dritte Tag, der mit einer kalten Dusche begann. So musste es also im Atlantik sein, den ich gestern nur in der Ferne aus einem Park sehen konnte; aber im Meer schwimmt man oder bewegt sich sonst irgendwie und steht nicht rum und außerdem, wer geht schon direkt nach dem Aufstehen in den Atlantik?
Wieder zum Hauptbahnhof von Braga, wieder nach Oporto und dort zur Bushaltestelle der ALSA-Überlandbusse. Jaha, und es ging nicht nur über Land, denn diese Busse bilden wahrscheinlich das Rückgrat des portugiesischen Verkehrssystems, sondern vielmehr über die Dörfer, weshalb wir in jeder größeren Kleinstadt hielten, ungefähr 5 oder sechs Mal nur in Portugal. Doch sagte ich, es ging über Land? Es kroch, mit streckenweise 40km/h, weil ich den Tachometerstand von meinem Sitz leider zu gut lesen und mir sämtliche Illusionen rauben konnte: "Das sieht vielleicht so langsam aus, aber in Wahrheit ist das ein krass getunter Lkw der vor uns mit Riesenspeed bergauf rast." Nachrichten aus dem Rattenschwanz: In ein bis zwei Jahren haben die auf den Strecken im und durch's Grenzgebirge zu Spanien wirklich eine super Autobahn. Nur eben jetzt nicht, weil überall Baustellen sind, nur einspurige Verkehrsführung, und wenn man trotz allem den kriechenden Sattelschepper überholt hat und mit ganzen 70 die folgenden 500 Meter mit beschleunigter Geschwindigkeit bis zum nächsten beweglichen Verkehrshindernis bewältigen könnte -- dann kommt die nächste Abfahrt, der Bus legt sich in die Kurve und alles im Bus tut es ihm gleich. Willkommen im Straßenlabyrinth von portugiesischen Kleinstädten und willkommen alter Rattenschwanz. Zum Entdecken des portugiesischen Hinterlandes mag diese Streckenführung ja ideal sein, zum Reisen nach Spanien nicht.
Doch unterwegs konnte ich mich so mit einem EU-freundlichen Briten und einem portugiesischen Freund meines Mitbewohners Alessandro unterhalten, die ich beide zufällig im Bus getroffen hatte. Hier erfuhr ich dann, daß man in Portugal durchaus früher als in Spanien esse, also zu Zeiten fast wie in Deutschland. Dies erklärte auch, warum wir, sind wir schon zu hispanisiert?, selbstverständlich um 22Uhr bis auf Pizzas nichts mehr gefunden haben.
Doch nach der Grenze, schon komisch, daß die Spanier alle Busse aus Portugal kontrollieren, umgedreht machen die Portugiesen das nicht, rollten wir nach Spanien, endlich wieder meine alte Telephonfirma auf dem Display, und schließlich nach Salamanca, wo ich in meinem Drang nach unbedingter deutscher Pflichterfüllung direkt in mein Politik-Seminar reinging. Die Aufzeichnungen, die dort im Halbschlaf entstanden, konnte aber selbst ich später nicht mehr entziffern, so daß ich stattdessen über Lohnenderes nachdachte: portugiesisches Eis, portugiesisches Bier, das alles zu portugiesischen Preisen, portugiesischen Essen von José-Mama, portugiesische Freundlichkeit trotz Sprachbarrieren, der Atlantik. Hei, da muß ich noch einmal hin.
Ende des vierten und letzten Teils meiner Erlebnisse in Nordportugal.
Das kam euch irgendwie portugiesisch vor? Dann schreibt:
Spanien-Michael
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Und jetzt mal ganz langsam! Noch mal in Ruhe zurücklehnen, die Füße hochlegen oder meinetwegen auch hoch legen.
Nach so einem anstrengenden Trip durch Portugal sollte man durchaus noch mal einige Dinge Revue passieren lassen, rührende Kleinigkeiten abermals aufgreifen und schauen, ob diese sich oder gar man sich selbst verändert hat.
Gefürchtetes Leit- und auch Leidmotiv in den letzten Frühlingsmonaten war das rote Licht. Natürlich spreche ich hier nicht vom Rotlicht, sondern vom Leuchten an unserem Boiler. Der hatte nämlich die Angewohnheit einfach so, sozusagen spontan und ohne Voranmeldung, just nach Belieben nämlich zu blockieren. Und dann geht gar nichts!
Sechs Stunden lang heißt es: Blicken, Beten, Bibbern. Blicken: stundenlang kreisen sechs Augenpaare über das ewige Licht, Symbol des Lebensspenders: klares, warmes Wasser! Stoßgebete an Poseidon wurden geschickt, o daß du doch, mächtiger Boiler, deine ungeahnten Selbstheilungskräfte reaktivierest zum Wohle der WG, des Hauses, der Stadt und des Erdkreises! (Ich möchte hier nur am Rande die stets drohende Gefahr einer Seuchen-Epidemie durch im Spülbecken stehendes dreckiges Geschirr erwähnen. So ein Boiler hat ja auch eine Verantwortung seinem Schöpfer gegenüber!) - Doch egal, erst nach sechs Stunden Versöhnungszeremonie, alternativ konnte man ihn auch einfach in Ruhe lassen, würde das erquickende Nass wieder fließen! Umstellen der Wassertemperatur, Wechsel auf Sommer- oder Winterprogramm, Stecker rein oder raus, völlig rille, Jacke wie Hose, Wurscht, alles egal. Doch auf welche schön zu schildernden Geschichtchen hätten wir sonst verzichten müssen, wie die des duschenden Alessandro, der das Pech hatte, nach José und mir das Badezimmer zu betreten, die wir das Warmwasser schon aufgebraucht hatten. Es jauchzet sich fröhöliglich, im kalten Nass so ewiglich!Doch weiter mit etwas völlig anderem. In unserer Reihe große Fragen der Menschheit wollen wir uns heute mit dem Thema konfrontieren: Warum ist José eigentlich dünner als ich? Sport macht der auch nicht, mal von Kampftrinken abgesehen, oder liegt es am Rauchen? Das soll ja im Modelbusiness auch beliebt sein. - Nein, während unserer Portugalreise und als wir zu einem Supermarkt außerhalb der Stadtgrenzen gefahren sind, habe ich gemerkt, woran es liegt. Das viele Kurbeln beim Einparken mit seinem alten Renault.
Vom Tellerwäscher zum Millionär? Dazu kann und will ich es in unserer WG nicht bringen. Die sollen mal schön ihren eigenen Mist saubermachen. So habe ich aus Taktik kaum neues Geschirr angeschafft, das würde dann noch mehr die Spüle blockieren! Da ist es schon lukrativer und auch energetisch sinnvoller, gemeinsame Sache beim Waschen zu machen. Da ich mich als einziger sowieso aufs Sortieren nach Farben und Temperaturen verstehe -- nein, das Prinzip "Einfach-aufs-Eticket-gucken" ist nicht so schwer! - , und danach, um einer möglichen Schimmelpilzinvasion der Waschmaschine und nicht zuletzt auch meiner Wäsche vorzubeugen, räume ich die auch aus und hänge sie auf. Und jetzt kommt der Clou: bisher habe ich schon 23 Pfennig gefunden! Und das in zwei Wochen. Wenn wir jetzt öfter waschen würden, reicht das schon bald für eine Stange Brot, und danach die ganze Welt!
Übrigens: Ihr meint es gibt keine unbekannten Orte mehr auf der Erde? Nun, nachdem ich zum ersten Mal hinter der Waschmaschine gewischt hatte, mußte ich das verneinen.
Wieder einmal endet eine Mail. Aber das bedeutet ja noch lange keine Funkstille zwischen euch und mir. Ihr könntet mir ja zum Beispiel schreiben. Adresse:
Spanien Michael
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Natürlich, kaputte Gefrierfachklappe. Irgendeiner hat sie endgültig hingeärmelt, so daß sie bei Öffnen immer runterfiel und beim Schließen nur mit Handverrenkung zu halten war. Erster, intelligenter, deutscher und interaktiver Verschlußmechanismus wurde verworfen, was wohl daran gelegen haben mag, daß er intelligent, deutsch und interaktiv war. Dagegen fand sich eine überwältigende Mehrheit von drei zu null Stimmen für eine zweite Lösung, zu der es, was man fairerweise hinzufügen muß, keine Alternative gab, aber das hatte ja auch das destruktive Mißtrauensvotum vorher nicht verhindert. Oh wie arm muß es hier zugehen, wenn schon meine Ingenieursleistungen akzeptiert werden. Also akzeptiert wurden die nur halbwegs. Da das Ganze natürlich eine interaktive, öffen- und schließbare Vorrichtung war, sollte man, bevor wie ein Idiot dran rumgezerrt und -gerissen wird, vielleicht zuerst den Mechanismus betrachten. Kurz und gut: meine Mitbewohner entschieden sich für die direkte oder eine Hybrid-Variante, so daß letztendlich immer der totale Thrill herrschte, wenn die Kühlschranktür geöffnet wurde: Würde die Eisfachklappe direkt runterfliegen, würde der falsch angewendete Mechanismus die Klappe erst nach einer beliebigen Anzahl von Sekundenbruchteilen herunterfliegen lassen, würde der Mechanismus, richtig angewendet, die beiden vorherigen Fälle verhindern?
Geh' auf's Ganze, Sekt oder Selters, Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts, es durfte gewettet werden, die ersten Vertreter monegassischer Casinos riefen schon an und wollten alles über die Neuentwicklung auf dem Gebiet des Glücksspieles im zweiten Quartal 2005 wissen... und auch das Eis kam wieder. Wie alles Böse hatte es nur gewartet, sich während meiner Abtauaktion im letzten Winkel zwischen der Hinterwand des Eisfaches und der des Kühlschrank versteckt um bei Wiederinbetriebnahme zurückzukehren, es sich zwischen Filets, gefrostetem Gemüse und Eis gemütlich zu machen. Von dort wollte es die Schwelle vor der Eisfachtür besetzen, diese kalte Pforte aufzusprengen und die klirrenden Weiten des gesamten Kühlbereiches eiskalt erobern.
Ok, schließlich kann ich ja auch nicht überall sein. Außerdem befand ich mich schon auf meinem taktischen Rückzug. Letzte Essensvorräte wollten gegessen werden, darunter 500g super füllende chinesische Reisnudeln, Josés Vermächtnisse aus dem Tiefkühlfach aufgebraucht werden, obwohl diese, so stellte es sich später heraus, nach sechs Monaten Dauerfrost leider unbrauchbar und vom roten zum grünen Farbspektrum übergelaufen waren. Nicht einmal das Weizenbier, das ich zu horrenden Preisen extra für uns gekauft hatte, haben wir geschafft zu leeren.
Wie sollte ich mich bei dieser Nostalgie und dem Auszugsstreß auch noch dazu aufraffen, wenn mein anderer Mitbewohner schon nichts macht, neben der ganzen Aufräum- und Putzarbeit (I have a dream: unseren Nachfolgern einen sauberen Herd zu hinterlassen. -- Leider hat irgendeiner direkt nach der Putzorgie Spaghetti mit Tomatensoße essen müssen.) auch noch mal den Kühlschrank abzutauen. Aber ich weiß, Kühlschrank, du wirst überleben, und ich weiß auch, daß unsere nette Vermieterin uns keinen Strick aus der nun total demolierten Eisfachklappe gedreht hat, die unsere Vormieter in einen fast unbrauchbaren Zustand übergeben hatten, denn schließlich: Wegen einer kaputten Eisklappe kauft man doch keinen neuen Kühlschrank, oder?
Ja und ist das auch wirklich alles wahr, was ich euch hier erzähle, oder nicht vielmehr eine ins leicht parodistisch abgedrehte und verdichtete Schilderung einzelner wahrer Anekdötchen? Anstatt darauf zu antworten, könnt ihr nachvollziehen, daß sich auch hier Frühlingsgefühle der besonderen Art eingestellt haben. Bei lachenden Sonnen lockt schließlich auch den letzten die Lust! Lust auf Eis! Aber nicht einfach so, schnöde, Eis mit Eis, womöglich noch verschiedene Sorten und Milch- mit Fruchteis gemischt! Nahain! Frei nach Grönis "Alkohol ist das Dressing auf meinem Kopfsalat", und weil's ja hier auch etwas billiger ist: wird hier im größeren Stile rumgeeist. Mjam. Eis-Eskapaden mit Rum. Beim anschließenden Rumkugeln durch und Rumlungern in salmantinischen Disko-Zonen und anschließenden Rumschauen wunderte ich mich auch nicht mehr über Spanier, die armeebraune Strickjacken mit der Aufschrift "DEUTSCHER SPORTBUND" trugen, nur waren leider die Streifen der Nationalfarben in der Annordnung schwarz-gelb-rot gewöhnungsbedürftig, denn Belgien ist doch nun schon lange nicht mehr Teil Deutschlands. T-Shirts mit Aufdrucken wie Berliner oder Stuttgart strahlen für Spanier wegen der ungewöhnlichen Konsonantenverbindungen schon von jeher einen außergewöhnlichen Charme aus. Bin jetzt schon mal gespannt, wann Bottrop-Kirchhellen oder Villingen-Schwenningen zu sehen ist!
Weitere Vorschläge zum Aufdrucken? Scheut euch nicht und schreibt an:
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"Man gebe mir nur eine ausreichend lange Stange, und ich werde die Welt aus den Angeln heben!" Leider habe ich das Original-Zitat vergessen und selbstverständlich auch den, der es gesagt hat. Aber an sich ist das ja auch hier nicht das Thema, denn was ich gebraucht hätte, wäre ja was ganz Anderes gewesen, nämlich Handschuhe, Desinfektionsmittel und ein Müllschlucker. Warum? Weil Alessandro in drei identischen Versuchsanordnungen binnen kurzer Zeit beweisen wollte, daß Tomatendosen, deren Inhalt drei Tage vor sich hinschimmelt, selbständig den Weg in den Müll finden. Vielleicht hat er das auch tatsächlich geglaubt, doch nachdem ich ihn dann bei der dritten darauf hingewiesen habe, daß weder Mainzel- noch Schimmelmännchen für die geheimnisvolle Wanderung der Dose in unseren Mülleimer verantwortlich waren, sondern ganz profan ich! - Die Enttäuschung in seinem Gesicht auf diese Offenbahrung sollte nur noch gesteigert werden durch seine mimische Reaktion auf meine Aufforderung, es mir im Entsorgen gleich zu tun, da ich so langsam keine Lust mehr dazu habe, als überqualifizierter Müllmann meinen dazu noch unbezahlten Dienst zu verrichten.
Doch auch etwas anderes, Schockierendes, Schreckliches, brutalst Gewaltätigstes bewegt sich nicht: Die Spanische Oma! Zusammengerottet in Clans durchkämmen Horden randalierender Großmütter die Stadt. Der einzelne Passant hat keine Chance, wenn ein Rudel Rentnerinnen seinen Weg kreuzt. In Angriffsformation marschiert die spanische Phalanx durch ihr Revier, in ihrer Mitte, da, wo die Mundwinkel am tiefsten, das Gesicht am grimmigsten, die Aggression am höchsten ist - die Alpha-Oma. Sie kennt nur ein Ziel: unschuldige Fußgänger zu umrunden, im Pulk einzukreisen und dann mit der Handtasche auf sie einzuprügeln! Aber weil sich die Opfer längst durch verzweifelte Fluchtbewegungen ihren Angriffen in letzter Sekunde entziehen können, greift die Pensionistinnen-Brigade zu anderen Mitteln. Im Vorübergehen zuckt die Metallspitze des stets bereiten Regenschirms nach fremden Waden, schwirrt die Handtasche gleich Alessandros Schleuder durch die Luft. Das Gerücht geht um, daß schon Späher verschiedener American Football-Teams gesehen worden seien, die Verstärkung für ihre Defensive suchen.
Ebenso feindliche Aggressionen spielen sich im letzten Reservoir des modernen Menschen ab, wo er noch ganz seinen Jäger-und-Sammler-Trieben nachgeben kann. Ich rede vom Supermarkt. Nachdem es mir endlich nach einem Dreivierteljahr gelungen ist, die Standorte der beliebtesten und billigsten Produkte -- oder sollte ich die Reihenfolge besser umdrehen? -- zu finden, wird mir nicht einmal mehr Zutritt gestattet!
Die grüne Invasion hat begonnen. Eine feindliche und dazu noch teurere Supermarkt-Kette strebt das Monopol auf der Ringstraße an. Als Versöhnungsangebot und Lockmittel gibt's am ersten Tag n'Gläschen Wein!
Das ist mir aber spätestens seit'nem Monat total schnuppe. Zu dem Zeitpunkt haben José und ich nämlich Alessandro zum Kauf einer neuen WG-Whiskey-Flasche gezwungen. Wie und warum? Nun, während eines gemeinsamen Einkaufs haben wir uns zu dritt entschieden, für die gemeinsamen Stunden doch eine ganz besondere Anschaffung zu machen. Bei Mädels-WG's wären das Kerzen, Kekse und aromatisierter Kaffee, bei uns: Whiskey. Davon habe ich ungefähr 0,1l getrunken, José nichts, und Alessandro während einer Party eben alles. Da alle meine Überzeugungsversuche, "er möchte doch bald, in der nächsten Zeit, so langsam aber, also wirklich, jetzt jetzt jetzt endlich verdammt noch mal" -- also als dies alles nichts fruchtete, habe ich eben eine Flasche gekauft und Alessandro sie bezahlen lassen; nach zwei Monaten Wartezeit ging ihr materieller Wert natürlich gegen null, der symbolische dafür...!
Ja, was tut man nicht alles für seine Mitbewohner, das geht schon fast bis zu Selbstkasteiung, wenn man sich nach 4 Stunden Schlaf aufrafft, um José um acht Uhr früh zu wecken, damit dieser sein Vorhaben durchhält, mal mehr zur Uni zu gehen. Und siehe da, er hat sich schon gebessert. Von null auf zwei in nur einer Woche!
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Und schon sind wir am Ende dieser neun Monate angelangt, die ich in Salamca verbringen durfte. Zeit, einmal den Blick zurück zu richten, ob sich nicht doch vielleicht einige Notizen und Erinnerungen finden lassen, die sich zu einem brauchbaren Ganzen zusammensetzen lassen. Ach welch' schöne Bestätigung, in den Gesichtern anderer denselben Zweifel zu sehen, das unsichere Zögern ihres zielgerichteten Schrittes zu bemerken, und das endlose Staunen aufgerissener Augäpfel, wenn sie die mager ausgeschilderten und von Außen kaum unterscheidbar gestalteten Uni(-Sex)-Toiletten betreten.
Oder das empörte Runzeln auf der Stirn neu angekommener Austausch-Studenten beim Versuch zu lesen, sich in der Cafetería zu verständigen; da hilft eben einfach nur gegen den Lärm anzubrüllen, oder eben gar nicht reden, sondern sich das super billige und super leckere Essen schmecken zu lassen.
Und die WG, wenn Alessandro sein Handy nicht findet und ich -- der König des Klopapiers, der die lange Zeit des Wartens durch entschiedenes Einschreiten beendete - ich klingel' ihn schließlich an und erlöse ihn aus dieser mißlichen Lage, daß ihm ein dünner Glockenschlag den Weg zur Tugend weise, dessen Bedrohungen der Eisverkäufer in der Stadt auf seinem Videospiel wahrscheinlich gerade kaltmacht.
Aber habe ich nicht noch etwas vergessen, jetzt, am Ende aller Tage, wenn sich der Himmel zum letzten Mal schließt. Einen Döner wollte ich noch in der Bude nebenan essen, Photos von meinem Uniweg sollten geschossen werden, erledigt. Nicht erledigt: ein Bocadillo in der Rentner-Bar gegenüber auszuprobieren, mir ein Hähnchen im "Asador Extremeño" zubereiten zu lassen. Dagegen habe ich noch geschafft: mehrere Nachmittage auf den sonnenbeschienen Treppen vor der Fakultät abzuhängen, einmal so richtig im nahen Parque de los Jesuitas, dem größten Salamancas, rumzuliegen und mich bräunen zu lassen, sowie schließlich: Lissabon.
Wenn ich schon nicht mehr von Spanien gesehen hatte als meine Region samt Madrid, dann wenigstens einmal in Lissabon gewesen sein! Im Portugal-Nacht-Express im jeweils einzigen voll belegten Abteil fahren, sich entweder von unruhig unentschlossenen Mitmenschen oder teilweise überquirligen Italienern die Nacht zum Tage machen lassen. Die Hauptstadt Portugals in ihrer ganzen Pracht vom Kastell zu betrachten und den Atlantik wiederzugrüßen, aber auch nicht die Augen zu verschließen vor den Bettlern und heruntergekommenen Gebäuden, die direkt neben renovierten Innbars und Hotel eine einzigartige Ästhetik zwischen bettelarm und superchic bildeten.
Zurück in Salamanca dagegen ein ganz anderes Bild. Die Zeit wird immer leerer vor lauter Abschieden. Es kommt der Moment, daß man geht, damit man nicht als letzter alleine zurückbleibt und nicht mehr weiß, mit wem man sich treffen soll, um seine eigene Abschiedsparty zu feiern oder ein letztes Mal in das allererste Café zu gehen, daß man damals, als neu Angekommener besucht hatte. Doch dafür kommen ja bald die neuen. Diese, meine internationale Erasmus-Gemeinde weht der Wind wieder in ihre heimischen Gefilde.
Sooo, und jetzt gehen mir leider meine letzten mitteilungswürdigen Erinnerungen und Notizen aus. Ich bedanke mich bei allen, die mit mir dieses Jahr in Salamanca gelebt und gewohnt haben, und bei euch allen, die ihr regelmäßig meine Berichtchen gelesen habt und sogar in Sorge ward, als sie eine Zeitlang ausfielen. Doch nicht verzagen! Denn a) auch ihr könnt nach Salamanca kommen. Hinweise für eine Erasmus-Bewerbung gleich welcher Art findet ihr auf den Seiten der FSK. Und b) vielleicht lesen wir uns ja vielleicht bald wieder. Schaut mal auf die anderen Berichte aus aller Welt rein. Tschüß, Euer Michael