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"Die Zeit der anderen Auslegung wird anbrechen, und es wird kein Wort auf dem anderen bleiben, und jeder Sinn wird wie Wolken sich auflösen und wie Wasser niedergehen." Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, S. 56.
Nachdem ich schon Josés Großformate, die die Zweidimensionalität der heutigen Schönheitsvorstellungen widerspiegeln, sowie die acht Mülltüten im Flur vorgestellt habe, welche in ihrer aggregierten Einheit die Vergänglichkeit allen Seins repräsentieren, werfen wir nun einen Blick in die Ateliers unserer Artisten. In meiner Kreativkammer findet sich, die bisherigen Motive aufgreifend und spielerisch variierend, die Installation "implodierende Flaschen". Wer jetzt an die bestehenden Hüllen einst verschiedener Alkoholvorräte denkt, liegt völlig falsch. Es handelt sich um ein Kunstwerk, das aus wie zufällig hin- und aufeinandergestellten und danach scheinbar vergessenen, sich selbst überlassenen und eingestaubten 5-Liter-Wasserbehältern besteht, die in ihrer Leere die Lehre an, in und für sich reflektieren. Im Gegensatz dazu verlegt sich Alessandro auf die Zeitgeschichte in einem Werk, das zugleich kritisch auf den Nationalismus Nordeuropas anspielt, "Before Ariel", und das durch seine Konkretizität den Kontakt gerade zur jüngeren Bevölkerung Europas sucht, indem es über seine Elemente -- getragene Kleidung -- Brücken in das einundzwanzigste Jahrhundert, und durch die Integration verschiedenster Bestandteile von Wäsche aus allen Ländern des alten Kontinentes die europäische Einigung voranbringt, da es regionale Unterschiede nicht einfach ausbügelt.
Aber nun mal raus und ab zur Uni, genauer zur Bibliothek, wo mich immer schon das Schild angesprochen hat, welches die dortige Benutzung von Mobiltelephonen untersagt und die mutwillige Nichtbeachtung dieses Verbots mit Ausschluß aus der Bibliothek und ihrer sämtlichen Angebote sanktioniert... - und ich war so blöd und hab' mein Handy tatsächlich anfangs noch ausgemacht! Denn jeder hat sein Móvil an, einschließlich der Bibliothekare, und Stimmen auf dem Klo bedeuten nicht das Deklamieren sapphischer Verse sondern vielmehr das Nachgeben eines ganz bestimmten menschlichen Triebes, nämlich dem der Kommunikation. Doch warum dürfen wir eigentlich unseren tragbaren Fernsprechern den Austausch von Funksignalen mit Sendestationen nicht gestatten? Weil alle Bücher über einen GPS-Transmitter ein Signal ausstrahlen, wodurch man sie in einer Bibliothek, deren System weder den Standort des Buches angibt, noch die virtuelle Präsenz im Computer auch deren Pendant in der Realität einschließt, und auch die Bibliothekare nicht weiterhelfen können, wenn das Buch nicht an seinem, durch langes Suchen in Regalen endlich gefundenen, Platz ist. Nein! Hängt das vielleicht mit der von den Bibliothekaren in einem tausendjährigen Evolutionsprozess entwickelten Technik der aerosolen Teeraufnahme zusammen? Denn, obwohl das Rauchen Bibliotheksbenutzern untersagt ist, lassen die Angestellten wenn schon nicht ihre Köpfe, so zumindest ihre Zigaretten munter vor sich hin qualmen.
Und was das Ehepaar gedacht hat, als ich mit einem Freund .... Doch beginnen wir vorne: Um nicht noch mehr als sowieso zu spät zu kommen, habe ich auf dem Rückweg von der Uni keinen Umweg über mein piso gemacht, um noch Geld zu tanken, und bin gleich in das piso eines anderen Deutschen gegangen, der zwar auch temporal blank war, aber sowieso noch Geld abheben wollte. Nachdem wir am, im und um's Kino herum gesucht haben, die Auskunft eines Taxifahrers uns auch nicht weiterbrachte als der pure Zufall, welcher uns aber nur eine geschlossene Bankfiliale offerieren konnte, haben wir dann mal geschaut, wieviel Geld wir denn noch so zusammenkratzen können: 10-11€. Damit haben wir dann das Kino für insgesamt 7,60 Euro bezahlt. Zur Feier des Tages, und weil synchronisierte Filme den Vorteil haben, daß die Synchronsprecher kaum schneller reden können als die Figuren, haben wir uns dann für den zeitlosen Action-Klassiker "Electra" geeinigt. Schließlich sollte man im Sprachenstudium kein Medium und keinen Jargon ungeprüft übergehen. Doch bevor uns so viel Gutes widerfahren sollte, stellte sich eine viel drängendere finanzielle Frage: Was tun mit den verbleibenden 3 Euro und der zu überbrückenden halben Stunde? Suchen wir ein Café und fragen, ob sie uns was zu trinken und zu essen für jeweils 2 Leute geben. Und es hat geklappt! Bar "Grama" in Bahnhofsnähe, von einem etwas älteren Ehepaar betrieben, hat uns zwei Bier und zwei Stücken (groß und lecker) von ihrer Tortilla gegeben! Klasse! - Nach dem Kino haben wir dann immernoch 40 Cent gefunden, aber in eine Bar reinzugehen und zu fragen, ob wir noch zwei Spritzer Rum oder so kriegen, was bei einem guten Tag des Kellners sicher kein Problem gewesen wäre, aber das haben wir dann doch nicht gemacht. Denn wer weiß schon genau, ob die oben zitierte Zeit der anderen Auslegung, wo Kellner auch dies machen, bereits gekommen ist.
Und damit ihr die Möglichkeit besitzt, die Zeit einzuleiten, zu der mein Briefkasten überquellen wird, hier noch mal meine Adresse:
Spanien-Michael
FachSchaftsKonferenz
Zentrales Fachschaftenbüro - ZFB
Albert-Überle-Straße 3-5
69120 Heidelberg
Tschüß, Euer Michael
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