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UNiMUT aktuell -- Dezember 1996

Gremiengeld in Kassel (12.12.96)

Wer immer schon mal in Uni-Gremien zugange war, wird sich wahrscheinlich darüber geärgert haben, daß die Profs nicht nur alle Macht haben, sondern dafür auch noch Geld bekommen -- denn natürlich ist die Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung Arbeitszeit, klar. Für Studis hingegen ist das nicht so, sie haben weder Macht noch kriegen sie Geld. (wer da ein System erkennt, ist in höchster Gefahr, Staatsfeind zu werden, d.S.) Nachdem jetzt durch die jüngsten tiefen Einschnitte im BAFöG der Druck auf die bisher politisch eher aktiven BAFöG-EmpfängerInnen gewachsen ist, hat sich die ReformRuine, eine offenbar recht phantasievolle Hochschulgruppe in Kassel, ein "Gremiengeld" einfallen lassen und auch noch durch den Konvent (ohne viel über das hessische Hochschulgesetz zu wissen, würde ich das mit unserem Senat identifizieren) gebracht.

Idee ist, daß Profs, die nicht in einem Gremium sitzen, 1% ihres Einkommens in einen Topf einzahlen müssen, aus dem dann studentische Gremienmitglieder aufwandentschädigt werden. Der Nutzen ist dreifach: Einmal werden die Profs geärgert, wer will denn schon bei der akademischen Selbstverwaltung mitmachen, die recht häufig eher einem Affentheater ähnelt als einer Veranstaltung, die ein "modernes Wirtschaftsunternehmen" (damit meinen gewisse Herren die Unis) führen kann. Zum zweiten haben die Studis wenigstens einen Grund, sich von den Herren mit den beeindruckenden Titeln dumm anmachen zu lassen. Und schliesslich -- das ist wohl der wichtigste Punkt -- ist das Ganze eine hervorragende Demo gegen die blindwütigen Streichereien am oberen Ende des Existenzminimums. Gratulation an die Reformruine für diesen Spontistreich.

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Volksuni Berlin (12.12.96)

Aus Berlin erreichte uns folgende Mail:

Sender: Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
From: Oliver Schnee
Organization: Freie Universitaet Berlin
Subject: Ratschlageinladung
Date: Tue, 3 Dec 1996 11:56:54

An alle VolksunifreundInnen und -Interessierte,

... to whom it may concern,

Die Volksuni, politisches Lernfest zu Pfingsten in Berlin, wird vom 16. - 19. Mai 1997 in der Humboldt Universität stattfinden.

Zur thematischen und politischen Vorbereitung der Volksuni veranstalten wir jährlich einen öffentlichen Ratschlag, zu dem wir ReferentInnen aus den sozialen Bewegungen, der Politik und den Wissenschaften bitten, mit uns zu diskutieren, was aus Ihrer Sicht das zentrale Thema der Volksuni werden koennte und unter welchem Motto (Politik neu erfinden,1996, Zukunftsarbeit,1995, Grosse Krise - New Deal,1994) die Volksuni stattfinden soll.

Diese Veranstaltung ist bisher notgedrungen auf die Berliner begrenzt. In diesem Jahr nun hoffen wir, auf diesem E-Mail-Weg zusätzlich eine Reihe von Anregungen zu bekommen, die wir in den Ratschlag am 12. Dezember einbringen werden.

Daher unserer Anfrage: Was gehört aus der Sicht Eures Arbeitsgebiets, zu den zentralen Fragen und Themen, die im Schwerpunkt und Motto der Volksuni 1997 zum Tragen kommen sollten?

Bitte sendet Euren Ideen, evtl. auch Veranstaltungsvorschläge an Cerebus@zedat.fu-berlin.de.

Mit bestem Dank und herzlichen Grüßen

Berliner Volksuni,
Thomas Faust

Fürs Ratschlagen ist es jetzt wahrscheinlich schon etwas zu spät. Aber erfreulich ist es doch, daß nicht alle Sommerunis tot sind. Zur Erinnerung: Bis vor zwei Jahren gabs in Heidelberg ein ähnliches Projekt. Wer sowas wieder aufleben lassen will, wende sich an den UNiMUT oder die FSK..

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RCDS Karlsruhe blamiert sich (13.12.96)

Das Heidelberger Aktionsbündnis Zahltag fand es ein wenig dreist von Wissenschaftsminister Trotha, nie recht Zeit für ein Gespräch mit hundsordinären Studis zu haben, aber für den fünfzigsten Geburtstag der CDU-Nachwuchsorganisation RCDS doch mal eben einen Trip nach Heidelberg einzuplanen. Folglich lud es die Studis ein, ihrem obersten Chef doch bei der Gelegenheit die Meinung zu sagen, ganz entsprechend dem biblischen Motto "Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt..."

Nun möchte mensch meinen, der RCDS mit seinem Bundesvorsitzenden Heyden, einem Theologen, sollte für dererlei Verständnis haben. Dem scheint allerdings nicht so zu sein, wie ein "Dringlichkeitsantrag" des RCDS an das Karlsruher StuPa vermuten läßt:

Das StuPa möge beschliessen:

"Der RCDS-Landesverband Baden-Württemberg feiert am Freitag, dem 13.12.1996 in Heidelberg sein 50jähriges Bestehen. Trotz nicht immer vorhandener Übereinstimmung der Beschlußlage von StuPa und RCDS BaWue beglückwünscht das StuPa der Uni KA den RCDS-Landesverband zu diesem Jubiläum. Die angekündigte Demonstration des "Aktionsbündis Zahltag" (beteiligt sind u.a. der rote Splitter, die FSK, die PDS-Hochschulgruppe HD, der AStA der PH und die GEW Hochschulgruppe) werden von den Studierenden der Uni KA nicht unterstützt. Unsere Auffassung von Demokratie gebietet es, jedem Mitstreiter im demokratischen hochschulpolitischen Wettbewerb eine solche Feier ungestört zu ermöglichen."

Dieser Beschluß ist in geeigneter Weise, insbesondere gegenüber den am "Aktionsbündnis Zahltag" beteiligten Gruppen, bekanntzumachen.

Es muß wohl nicht extra erwähnt werden, daß der Antrag mit allen Stimmen außer denen des RCDS abgelehnt wurde.

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Buchtip: Schweigepflicht (16.12.96)

Gerade in Zeiten nur langsam abklingender Stasi-Hysterie ist es wohl wichtig, an den anderen großen -- und gescheiterten -- Versuch, hierzulande "Vergangenheitsbewältigung" zu betreiben, zu erinnern: Die Entnazifizierung.

Eine besonders pikante Episode in diesem Trauerspiel stellt der Fall Schneider/Schwerte dar. Herr Schneider war SS-Hauptsturmführer und eine Größe im Wissenschaftsbetrieb der Nazis, konnte sich aber nach dem Ende der Nazi-Herrschaft nicht dazu durchringen, ins Exil zu gehen. Stattdessen erfand er einfach eine neue Identität, nannte sich Hans Schwerte, heiratete seine Frau nochmal, promovierte in aller Seelenruhe an der Uni Erlangen -- gedeckt von Proteges, die seine wahre Identität durchaus kannten.

In der Nachkriegs-BRD begann Schwerte eine steile Karriere, die ihn schließlich an die Spitze der RWTH Aachen brachte. Erst 1995 wurde er enttarnt, womit der eigentliche Skandal erst anfing. Die Uni Erlangen weigerte sich, Schwerte seinen Doktortitel abzuerkennen, nach und nach wurde deutlich, daß quer durch alle Fakultäten reaktionäre Seilschaften ihre "Netzwerke" gesponnen hatten.

Dies und viel mehr ist nachzulesen in einem Buch von Darius Dunker, Alex Lünskens, Thomas Müller und Tina Terschmitten, überschrieben "Schweigepflicht", wohl in Anspielung auf die Versuche der RWTH Aachen, die Enttarnung ihres hochdekorierten Ordinarius durch allerlei böse Spielchen bis hin zu Exmatrikulationsdrohungen zu verhindern. Die Lektüre lohnt sich nicht nur für beinharte AntifaschistInnen, auch der/die AlltagswissenschaftlerIn mag aus dem Buch Stoff für endlose Alpträume ziehen.

Autorenkollektiv für Nestbeschmutzung: "Schweigepflicht. Eine Reportage."
240 Seiten broschiert kosten 24.80 DM. ISBN 3-928300-47-4
Unrast-Verlag, Postfach 8020, 48043 Münster, Tel 0251/666293

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250 stören Trotha (16.12.96)

Am 13.12. feierte der RCDS Baden-Württemberg seinen 50. Geburtstag -- er tat dies in Heidelberg und in Gegenwart von Prominenz, namentlich Wissenschaftsminister Trotha und der mittlerweile als Kohl-Nachfolger gehandelte Ex-Bundesminister Schäuble. Aus verschiedenen Gründen fanden das einige Heidelberger Studis nicht gut, insbesondere wollten sie den obersten Gebühreneintreiber Trotha nicht so unkommentiert in die Studistadt lassen.

So hatten sich trotz Nieselregens rund 250 Menschen vor dem Schauplatz der Gedenkfeier (pikanterweise war dies das Forschungszentrum der ABB) eingefunden, ausgerüstet mit Instrumenten zum Erzeugen von mehr oder minder melodiösem Lärm. Die Studis beschlossen, zunächst mal die Einfahrten zum Gebäude zu blockieren, was zu kleineren Rangeleien führte und Minister Trotha zunächst auch an der Einfahrt hinderte. Ein mutiger Studi, der es gewagt hatte, seinem "Anwalt" (Trotha über Trotha) ein Flugblatt in die Hand zu drücken, wurde zur Personalienkontrolle abgeführt. Etwa zehn Minuten später machten die Polizeikräfte ohne große Rücksicht und unter zaghaftem Einsatz ihrer aparten Holzprügel den Weg für die Limousinen der beiden Minister frei. Dabei wurde mindestens ein Demonstrant recht ernsthaft verletzt und mußte notärztlich versorgt werden.

Der Begrüßungscocktail der illustren Gesellschaft blieb auch nicht ungestört: Die Studis draußen in Regen und Kälte klopften rhythmisch an die Scheiben und machten allerhand anderen Radau -- Minister Trotha ließ sich aber zu keiner Äußerung bewegen, die über einen Zeigefinger an der Stirn hinausging. Schade eigentlich, er hätte interessante Dinge zu sagen gehabt. Dinge, die so interessant waren, daß sie noch nicht mal der RCDS-Bundesvorsitzende Wichard zur Heyden (sp?) glauben wollte. Die offene Äußerung dieses Unglaubens während der ministeriellen Festrede darf wohl als mittlerer Eklat gewertet werden. So viel Mut machte auch seine studierenden ParteifreundInnen aufmüpfig, sie wagten, seinen Einwendungen mehr Applaus zu schenken als der Rede des Ministers selbst.

Die Courage der Studis draußen schien doch ein wenig ansteckend gewesen zu sein. Und selbst Trotha wird allmählich einsehen müssen, daß er seinen Traum von den effizienten Privat- und Eliteunis allein träumt. Hoffen wir, daß er rechtzeitig aufwacht.

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Druckfassung

Erzeugt am 16.12.1996

unimut@stura.uni-heidelberg.de