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Prüfungen in Spanien -- Das Leben ist eine Bastelle

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Es ist an der Zeit, den alten Kategorien wieder eine Aufwartung zu machen: Wie hat sich denn unser piso in der Zwischenzeit so weiterentwickelt? Da wäre zuerst das natürliche Gläser-Gleichgewicht zu nennen; so strenge ich mich an, die Anzahl der zerbrechenden Gläser durch kräftiges Essen der hiesigen Nutella und dem damit verbundenen Erwerb neuer Trinkbehälter auszugleichen. Doch was berührt uns wirklich? Unser Wasserkocher, so daß Teewasser nicht mehr Tasse für Tasse in der Mikrowelle erhitzt werden muß, bei welcher der Stift im ehemals angesteckten Zeitschalter verrutscht ist, unsere Teekanne, so daß das vom Wasserkocher erhitzte Wasser in einen größeren Bestimmungsort überführt werden kann, unsere ergonomisch geformte Plastik-Suppenkelle mit einem Griff aus echt imitiertem Holz erworben in einem madrilenischen Chinesen-Geschäft für ein herzliches "60 céntimos, caballero" ?

Nein! , denn man hat begonnen einen automatischen Weckdienst im Haus zu installieren, der aus Bauarbeitern besteht, welche die Wohnung unter unseren Nachbarinnen gründlich renovieren. So wie ich es sehen und hören konnte, haben sie wirklich sämtliche Kacheln von den Wänden geklopft und auch das letzte Stück Fußboden herausgerissen.

Normalerweise geht das Mo-Fr von 8:30-14:30 und 16:30-19:30, oder so. Aber dann haben die sogar am Samstag gearbeitet. Hallo!, es gibt Leute, die müssen lernen, José ist gerade ins Bett gegangen und will schlafen?! - Alessandro und ich haben jetzt auch rausbekommen, warum José als Student der Erziehungswissenschaften immer so viel schläft: er arbeitet an einem Projekt über die Auswirkungen des Alkohol- und Schlafkonsums auf die Lerntätigkeit.

Nebenbei: José hat sich jetzt bereiterklärt, die allgemeinen Sachen zu kaufen wie Öl, Küchenrolle, Seife, Spülmittel -- und Klopapier. Wahrscheinlich hat er keine Lust mehr gehabt, die Tage "ohne" zu überbrücken. Was werden wir also als nächstes einkaufen, jetzt, wo sich die Bauarbeiter sogar schon auf unseren Einkaufszetteln bemerkbarmachen. Waffen, um sie umzubringen, sowie noch mehr Seife und Waschmittel, um unsere Hände und Kleidung in Unschuld zu waschen?

Doch mittlerweile -- angesichts der pulsierenden Regelmäßigkeit des Lärms - bezweifeln wir, dass diese Sphärenklänge wirklich Geräusche von Bauarbeitern sind, die uns animieren wollen, Worte wie Presslufthammer und Schlagbohrmaschine auf Spanisch zu lernen. Vielleicht ist es eine unbekannte Lebensform, die über Morsezeichen mit unseren Nachbarn von oben kommuniziert, die ständig am Möbelrücken zu sein scheinen. Egal, diese Himmelsmelodien haben uns auf die Idee gebracht, alles aufzunehmen, an unseren Rechnern zu mixen und als Housemusic ins Netz zu stellen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann wir die spanischen Charts überrollen!

Doch eigentlich haben wir ja in der Klausurenzeit was anderes zu tun - warum müssen die XXX-Bauarbeiter auch gerade jetzt -; José: "Mann, morgen muß ich echt anfangen zu lernen." Alessandro: "Das sage ich mir auch jeden Tag." Ich: "Und ich tu's!"

Und so versackt man dann schließlich in trauter Dreisamkeit vorm Fernseher: "Der Guru", "Hart's War", "Behind Enemy Lines", die in allen Studenten-WGs obligatorischen Simpsons mal nicht mitgerechnet. Denn wir sind diejenigen, die noch dableiben, während rum um uns herum Leute das Land verlassen. Als Erinnerungsstücke bewahren wir ihre Tee- und Essens-Vorräte in unseren Schränken und gedenken ihrer mit einem weinenden Auge und erfreuten Magen.

Auch etwas abzugeben? Dann schickt es an mich:
Spanien-Michael
FachSchaftsKonferenz
Zentrales Fachschaftenbüro - ZFB
Albert-Überle-Straße 3-5
69120 Heidelberg

Tschüß, Michael

PS: Die Russisch-Klausur ist zurück: die Hälfte durchgefallen, ich nicht. Deswegen und durch andere Effekte ist unser Kurs leider dezimiert: das exzessive Abschlussausgehen nach der Klausur hatte wohl doch zu viele Kräfte gekostet, und einige Spanier haben sich in ihr Erasmusjahr davongemacht.

PPS: Verbesser' dein Russisch mit Michails Eselsbrücken! Wie merkt man sich prodawietz (Verkäufer)? Ganz einfach, ein Prada-Witz! "Darf's sonst noch was sein?"

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Erzeugt am 19.12.2005

unimut@stura.uni-heidelberg.de