Frauenförderplan (04.12.2002)

Die ZUV scheint nicht immer in allen ihren Dezernaten und Abteilungen über alle Regelungen des UG in Baden-Württemberg informiert zu sein. Das jedenfalls geht aus einem Anschreiben (50k PNG) hervor, das sich jüngst im Posteingang der FSK fand. Adressiert an einen AStA, der sich in der Lauerstraße 1 befinden soll, bittet er darum, ein Rundschreiben zum Frauenförderplan "vereinbarungsgemäß an die Fachschaften zur Veröffentlichung bei den Studierenden zu verteilen".

Was der ZUV offenbar nicht bekannt ist: Das, was sich in Baden-Württemberg AStA nennen darf, ist ein Senatssausschuss, der die musischen, sportlichen und künstlerischen Interessen der Studierenden sowie Eltern und Behinderte fördern kann, sich jedoch nicht mit so hochpolitischen Dingen wie Frauenförderung zu befassen hat.

Aber, und so wendet sich doch alles zum Guten, in Heidelberg gibt es die FSK als Studierendenvertretung, die sich hiermit das Recht nimmt, das Rundschreiben weiterzuverbreiten, und zwar sowohl seine Seite 1 (30k PNG) als auch seine Seite 2 (auch 30k PNG).

Nur eine Frage bleibt da noch: Hätte sich die ZUV -- oder gar das Rektorat, dessen Handlanger die ZUV letztlich ist -- nicht vielleicht selbst etwas mehr Mühe geben können, das Papier bei den Studierenden zur Veröffentlichung zu verteilen?

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Kürzere Nächte, Längere Messer (04.12.2002)

Die Nacht der langen Messer in Baden-Württemberg ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: die Messer werden erst gewetzt, die Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung war nur das Zeigen der Werkzeuge: die Haushaltsstrukturkommission hat Prüfaufträge formuliert, die dazu beitragen sollen, mögliche Einsparmöglichkeiten aufzudecken. Verkürzt gesagt, werden in dem Papier der Haushaltsstrukturkommission also Kürzungsaufträge formuliert. Unter anderem soll geprüft werden, ob man an Grund- und Hauptschulen zwei Jahrgänge in einer Klasse zusammen legen kann, ob man Lehrerfortbildungen streichen kann, auch die "sozial gerechte Neuregelung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr" und die gesamte Theaterförderung sollen einer Prüfung unterzogen werden. Für den Hochschulbereich wird die Einführung nachlaufender Studiengebühren und Stipendien, selbstverständlich auch hier "unter Berücksichtigung sozialer Aspekte" geprüft. Außerdem sieht die Kommission Einsparpotentiale durch Fächerkonzentrationen zwischen Heidelberg und Mannheim und bei Förderprogrammen aller Art. (Die Liste der Prüfaufträge kann im ZFB eingesehen werden.)

Derweil stellt sich heraus, dass der Drang zur Auflösung der ZVS und ihr Ersatz durch lokale Auswahlverfahren (a.k.a. Masterplan "Gefalle deinem Prof") nicht nur ideologisch motiviert sein muss -- es mag durchaus sein, dass die Gebühren, die das Land an die ZVS für ihre "Dienstleistung" abführen muss, auch eine Rolle spielen bei diesen Begehrlichkeiten. Zwar kosten auch Auswahlverfahren, und zwar deutlich mehr, doch müssen mit diesen Kosten die Unis fertig werden. Sollten die nichts finden, was sie dafür streichen können, auch nicht schlimm. Der Rektor hat sich bereits auf der letzten Jahresfeier mit Verve dafür eingesetzt, derartige Kosten auf die zu Erwählenden umzulegen. ("Über die Niederschlagung von Auswahlkosten aus sozialen Gründen im Einzelfall kann selbstverständlich gesprochen werden.") Der Haushalt des MWK ist jedenfalls erstmal aus dem Schneider.

Derweil entwickelt die öffentliche Hand durchaus einige Kreativität, wenn es darum geht, tolle neue Projekte aus der Taufe zu heben. Jüngstes Beispiel ist die Gründung der Pop-Akademie Mannheim, an der ab dem nächsten Wintersemester immerhin satte 55 Studis pro Jahr Bachelors (in einer völligen Begriffsverwirrung werfen die MacherInnen des Ladens auch mal den Begriff "Bachelor-Diplom" in den Ring, dabei weiß inzwischen jedes Kind, dass man mit einem deutschen Diplom absolut überhaupt gar keine Chance auf dem internationalen Arbeitsmarkt hat) in Musikbusiness oder Popmusikdesign erwerben können sollen -- die Stadt Mannheim hat dabei über 3 Millionen Euro für den Bau locker gemacht, das Land schießt eine halbe Million Euro jährlich zu, und zwar aus Mitteln der Popförderung (die dann natürlich woanders fehlen) und, extra martialisch, aus der Zukunftsoffensive III. Damit muss die tolle neue Mini-Uni noch 1.5 Millionen Euro selbst aufbringen, die, so scheint es, teilweise von solch ausgewiesenen Menschenfreunden wie Universal Music kommen, aber, so wetten wir, auch durch saftige Studiengebühren eingetrieben werden sollen. Leider geht aus den der Redaktion im Augenblick vorliegenden Materialien nichts über deren Höhe hervor. Das wird dann wohl noch früh genug rauskommen...

Angesichts solch toller und bunter Lach- und Sachgeschichten ist der Verlust der Technikfolgenabschätzung verschmerzbar. Zumal, da eine weitere neue Einrichtung im Ländle eventuell nicht abgeschätzte Folgen von Technologie beherrschbar macht: Das Center for Disaster Management and Risk Reduction Technologies (eine richtige Webseite scheint das ganz frisch gegründete Zentrum noch nicht zu haben), kurz das Zentrum für Katastrophenmanagement, ein gemeinsames Projekt von Uni Karlsruhe und Geoforschungszentrum Potsdam, wird uns in der Not schon sagen, wie wir mit Flutkatastrophen, Epedemien von Atemwegserkrankungen und großflächiger Verstrahlung leben können.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 15.01.2003, 26.01.2003, 26.03.2003, 04.07.2003

Wusstet Ihr schon... (11.12.2002)

...wie weit wir von Kaiser Willhelm weg sind? Wenigstens im Springer-Flaggschiff "Die Welt" offenbar nicht mehr weit, denn das Blatt hat -- gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und "Unicum Abi" (das gibts? Igiit, d.S.) -- jüngst einen neuen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem sich SchülerInnen dazu äußern sollen, wie an der Bundeswehr(macht) in Zukunft die Welt genesen soll, obwohl "[a]lle Laufbahnen und Verwendungen [...] heute auch Frauen offen" stehen. Es ist ja schlimm genug, dass schon wieder eine dieser Show-and-tell-Gruselveranstaltungen ausgetragen wird, mit denen die Leute daran gehindert werden sollen, irgendwas Vernünftiges zu tun -- aber dass es dann gleich eine Kopie des Aufsatzthemas aus der siebten Klasse des Chefredakteurs von 1941 sein muss, ist jedenfalls mal schlecht für den Magen. Wie sagte der European Foundation Intelligence Digest 154 (7.11.2002): "Decades of peacenik education in Gerrmany have been thrown into reverse gear". Gibts keine Medizin gegen sowas?

...dass die Nightline seit Semesterbegin wieder immer werktags von 21 bis 2 Uhr ein Ohr für die großen und kleinen Probleme von Studis hat? Unter Heidelberg 18 47 08 könnt ihr euch anonym und vertraulich mit anderen -- zuvor trainierten -- Studis aussprechen.

...dass es Menschen gibt, die ernsthaft in Heidelberg studieren, auch wenn unser Rektor Fregattenkapitän der Reserve ist? Manchen dieser Menschen bleibt der Weg nach Heidelberg aber verwehrt, weil sie einen Studienplatz in Clausthal-Zellerfeld bekommen haben, und so würden sie jetzt gerne tauschen. Da ihr ja gewiss genau in Clausthal-Zellerfeld studieren wollt, müsst ihr nur noch zusammenkommen. Genau dafür gibt es den VSB, der schon am Montag vor drei Wochen 599 Tauschwünsche auf http://www.studienplatztausch.de zu bieten hatte. Wie viele es mittlerweile sind, könnt ihr ja selbst nachsehen -- wenn es euch interessiert.

...dass Fidel Castro in einem Punkt mit dem Öko-AK der FSK einig ist? Er hält nicht viel davon, wenn Studierende Autos oder Motorräder haben. Während der Öko-Ak jedoch jedes Jahr mit dem AFH versucht, darauf hinzuweisen, dass der ÖPNV langfristig die einzige Möglichkeit ist, eine lebenswerte Umwelt zu haben, will Fidel vor allem verhindern, dass die Studis Unfälle bauen. Vor Medizinstuierenden in Havanna erklärte der Máximo Líder: "Wenn wir anfangen, Studenten mit Motorrädern und Autos zu sehen, riskieren wir Unfälle. Ein Todesfall bei einem Unfall ist das Traurigste, was passieren kann. Wir haben die Pflicht, Sie so gut wie möglich zu schützen. Ich kann keinerlei Nutzen darin erkennen, wenn die Stipendiaten hier Autos haben." Zugleich warnte der Ex-Kettenraucher vor den Gefahren von Zigaretten, Rum und Kapitalismus: "Eins kann ich Ihnen versichern: Weder Zigaretten noch Rum werden in diesem Land jemals billig verkauft werden." Bleibt nachzutragen, dass Zigarren das drittwichtigste Exportgut Kubas sind und Autos in Kuba längst nicht jedem erlaubt sind...

...dass Heidelbergs Ausländerbehörde zwar keinen Preis, aber immerhin ein Lob verdient hat? Das jedenfalls befand die Alexander von Humboldt (das ist der Bruder von Wilhelm -- dem mit dem Bildungsideal!)-Stiftung zusammen mit dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Ausgepreist mit je 25.000 Euro wurden Behörden, die sich besonders aufgeschlossen und hilfsbereit gegenüber ausländischen Wissenschaftlern und Studierenden verhalten. Gelobt (in Form einer Urkunde) wird am 30.Januar 2003.

Walter I. Schönlein

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Das Uniplatz-Fest naht (11.12.2002)

Während alle Welt feiert, dass mensch endlich wieder über den Uniplatz laufen kann und, noch besser, Fahrräder vor der neuen Uni abstellen kann -- warum dieses Fest ausgerechnet "Weihnachten" heißt, ist der Redaktion unbekannt --, läuft auch an der Universität manches anders. Solltet ihr geplant haben, gerade am 25.12. oder am 1.1. zur UNiMUT-Redaktion zu stoßen (die ja sonst immer Mittwochs ab 20 Uhr auf euch wartet): Pech gehabt, wir feiern mit. Eher vermissen dürften viele Menschen gerade während der Weihnachtsdepression das Hilfetelefon von und für Studierende Nightline, das vom 21.12. bis zum 6.1. nicht erreichbar ist. Die Redaktion hat den NightlinerInnen vorgeschlagen, zumindest zur heißen Phase des Festes einen Notdienst einzurichten -- ob daraus was wird, ist derzeit noch unklar.

Auch URRmEL hat in dieser Zeit zu, die ewigen Ikonoklasten haben aber ausgerechnet an Sylvester von 18 bis 20 Uhr einen Notdienst, bei dem sie alles auffahren werden, was sie an Blitz und Donner haben. Einen solchen Notdienst gibt es bei der Mensa nicht, dort ist vom 21.12. bis 6.1. durchgehend zu. Selbsthilfe ohne Rat und Tat ist also in Sachen Verpflegung gefragt.

Studis, die über die Feiertage ihren Wissensdrang nicht bezähmen können, seien gewarnt: Die UB hat vom 23.12. bis zum 1.1. ganz geschlossen, auch am 5. und 6.1. bleiben die Folianten unter Verschluss. Wer dringend Literatur braucht, muss also zwischen dem 2. und 4.1. zugreifen und hat dazu zwischen 9 und 19 Uhr Zeit, am 4.1. in der Neuenheimer Zweigestelle nur zwischen 11 und 15 Uhr. Die Stadtbücherei Heidelberg wäre zwar eine gemütliche Alternative, aber leider sind Hauptstelle, Bücherbus und Zweigstellen auch dicht vom 23.12. bis zum 07.01. Bei euren Institutsbibliotheken wird es nicht viel besser aussehen... Das URZ feiert nicht so viel, völlig dicht ist es nur an Heiligabend und Sylvester sowie an den Samstagen zwischen den Jahren; an den entsprechenden Werktagen macht es erst um 10 Uhr auf, für Details verweisen auf die URZ-Seiten. Das Studentensekretariat hat übrigens nur zwischen 21.12. und 1.1. geschlossen, wenn ihr euch also umschreiben wollt, müsst oder sollt oder sonstwas zu klären habt -- geht vielleicht eher Anfang 2003, bevor ihr ab Ende Januar wieder Schlange stehen müsst.

Die Redaktion vermutet aber, dass die meisten unserer LeserInnen die schöne Neckarstadt verlassen werden, nicht wenige ins alpenländische Ausland. In diesem Zusammenhang kommen wir nicht umhin, einen wichtigen und fürsorglichen Hinweise des MWK weiterzugeben: Augen auf im Ausland! Angesichts der ernsten Warnung vor größeren Menschenmengen können wir da nur froh sein, dass unser Weihnachtsmarkt im sicheren Baden-Württemberg liegt.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 17.12.2003

Global denken -- in Heidelberg handeln (21.12.2002)

Heute vor einem Jahr gingen in Buenos Aires, Argentinien, Hunderttausende auf die Straßen, um gegen die Konsequenzen der Politik des IWF-Musterschülers zu protestieren. Vom Währungsfonds mandatierte "Strukturanpassungsmaßnahmen" führten zu einer breiten Verarmung, zur Demontage der sozialen Sicherungssysteme und machten das einstmals reichste Land Südamerikas zu einem klassischen "Entwicklungsland": Ein schmale Schicht Superreicher, vor der großen Menge Paupers geschützt durch eine etwas breitere Schicht Staatsgewalt. Die Polizei erschoss damals 30 Demonstrierende.

Der Westen, besonders durch seine Organe Weltbank und IWF, organisiert solche Entwicklungen nicht aus Boshaftigkeit. Nein, ein Grund ist unser "Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt", wie es die Bundeswehrdoktrin von 1993 formuliert, bevorzugt mit nichtmilitärischen Mitteln. Vieles von dem, was wir jetzt zu Weihnachten auf die Gabentische packen, gibt es nur, weil Weltbank und IWF dafür sorgen. Der Preis, den wir im Laden für all die guten Dinge zahlen, ist sehr günstig im Vergleich zu dem, was nicht erst seit einem Jahr etwa in Argentinien bezahlt wird.

An diese Zusammenhänge wollten gestern Nachmittag ein paar GlobalisierungsaktivistInnnen aus Heidelberg erinnern, passenderweise zum Höhepunkt des festlichen Kauf- und Konsumrausches. Zunächst versuchten sie, in der Hauptstrasse durch Jonglage und Trommeln, Akrobatik und Musik ein wenig aus dem Geschenkestress zu reißen, nicht zuletzt, um Spenden für ein kommunales Zentrum in Argentinien zu sammeln. Erfreulicher-, fast erstaunlicherweise gab es tatsächlich einige PassantInnen, die sich nicht nur finanziell beteiligten.

Später gab es kleine konsumkritische Aktionen mit verstecktem Theater in diversen Konsumtempeln. So wurde der Versuch, bei Käthe Wohlfahrt das untenstehende Flugblatt zu deklamieren, von den Mitarbeiterinnen des Dauerweihnachtsmarkts schnell unterbunden, im C&A rief ein ähnliches Unterfangen gleich die Geschäftsleitung auf den Plan, während der Streit um ein paar Handschuh beim Kaufhof offenbar für normal gehalten wurde. In einem Pelzgeschäft wimmelte ein Verkäufer die vermeintlichen KundInnen mit einer Telefonnummer ab, unter der mensch genaueres über die Herkunft der feilgebotenen Waren erfragen könnte Die Beschäftigten des Kaufhof hingegen reagierten auf Fragen dieser Art durch Verweis auf jeweils höhere Führungsebenen. Über die Herkunft der Socken beim Kaufhof war so aber auch nichts herauszufinden, nur dass die Fußbälle aus Kinderarbeit kommen, das räumte das Ende der Hierarchie bereitwillig (aber vielleicht ein wenig resigniert) ein. Die Aufmerksamkeit der MitkundInnen war aufgrund des Weihnachtseinkaufsrauschs leider beeinträchtigt, und so war der Einfluss der Aktionen auf den Einzelhandelsumsatz eher gering.

Eine der Beteiligten sagte dem UNiMUT später, es sei ihr klar geworden, dass verstecktes Theater geübt sein will, und dass die Hemmschwelle in den Kaufhäusern doch wesentlich höher ist, als sie erwartet hätten. Aktionen dieser Art will sie aber trotzdem wieder probieren, hoffentlich in verbesserter Form durchführen.

Das Flugblatt, das die AktivistInnen dabei hatten, las sich so:

Shopping als Hobby
oder weil man das Produkt ja wirklich braucht,
weil es alle anderen auch haben,
weil es überall von Fachleuten empfohlen wird,
die in den Werbespots auftauchen,
die von den Unternehmen finanziert werden,
die sich das leisten können,
weil sie weniger als 1 % des Preises
an die Arbeiter weitergeben, die es produzieren,
welche so arm sind,
dass sie keine andere Wahl haben
als zu arbeiten um zu überleben.

Weil wir sie ja wirklich brauchen kaufen wir 23 kg Kleider im Jahr (Durchschnitt Bundesbürger), die zu großen Teilen in sogenannten Sweatshops in der sogenannten 3. Welt gefertigt werden. Dort ist Schwerstarbeit zu Hungerlöhnen Normalität. Selbst Kinder werden ausgebeutet.

Und all das geschieht nicht, weil uns kalt wäre, sondern, weil uns die alten Klamotten nicht mehr gefallen.

Wir definieren uns immer mehr über den Konsum. Wir zeigen zu Weihnachten den Menschen unsere Liebe, indem wir Dinge für sie kaufen. Wir handeln nach dem Motto:

Ich konsumiere, also bin ich.

Warum nehmen wir uns nicht die Zeit, die wir arbeiten müssen, um das Geld für die Geschenke zusammen zu kriegen, und verbringen sie mit den Menschen, die wir beschenken wollen.

Mal ehrlich, die meisten Geschenke brauchen wir eh nicht. Aber vielleicht bräuchten wir eher etwas Ruhe und Zeit für einander, anstatt uns durch den Weihnachtskonsum zu kämpfen.

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Unis lernen lesen (5.1.2003)

Für die einen ist 2003 das Jahr der Bibel, für Baden-Württemberg soll 2003 das Jahr der Auslese werden. Glaubt man Minister Frankenberg, wird der bereits von Minister Trotha seit Jahren verkündete und bisher durch drei Stufen vorbereitete Hochschulinnovationsschubdurchbruch jetzt endlich kommen -- und zwar weder durch Studiengebühren noch durch neue Studiengänge, weder durch mehr Geld für die Hochschulen noch durch Orientierungsprüfungen, sondern durch Auswahlverfahren.

Hochschulen und Studierende werden -- so Stuttgart -- gleichermaßen profitieren, wenn in Zukunft anstelle von Abinoten, Eignung und Motivation entscheiden. Ermittelt werden Eignung und Motivation über Noten. "Kriterien hierbei sind die Leistungen in den Kernfächern Deutsch, einer Fremdsprache und Mathematik sowie Noten in den Fächern, die besondere Aussagen darüber zulassen, ob der Bewerber für den gewählten Studiengang geeignet ist." De facto findet also eine Veränderung des bisherigen Verfahrens statt. Wer zuvor den Abischnitt durch geschicktes Belegen noch ein bisschen nachbessern konnte, weil er oder sie zwar vielleicht hochmotiviert für Jura oder Sport war, aber in Mathe oder Französisch nicht so gut, muss in Zukunft anders rechnen. Welches die Fächer sind, die Aussagen über die Eignung zulassen, entscheiden die Hochschulen. So wird in Zukunft voraussichtlich für Jura in Heidelberg die Lateinnote mit ausschlaggebend sein. Wer Latein abwählt und stattdessen vielleicht Informatik macht, um sich hier als JuristIn später zu spezialisieren, sollte sich eine andere Hochschule suchen -- fürs Abwählen können auch Maluspunkte vergeben werden...

Die Hochschulen können jedoch zusätzlich auch auf solche Faktoren eingehen: "Darüber hinaus können besondere Vorbildungen, Praktika und andere außerschulische Leistungen, Auswahlgespräche oder schriftliche Tests berücksichtigt werden." Diese Kriterien -- die den meisten beim Stichwort "Auswahl" vermutlich als erste einfallen -- bingen jedoch einen erheblichen Mehraufwand mit sich. Die auswählenden Einrichtungen werden es sich daher gut überlegen, ob sie sich hierauf einlassen. Zwar gibt es bereits einige Studiengänge, in denen Auswahlgespräche oder Auswahltests stattfinden, doch bisher nur in überschaubaren Studiengängen und in solchen, die Sondermittel für die Durchführung der Auslese erhalten. Bei Studiengängen, in denen die Zahl der Bewerbungen groß ist, wird anhand des Notenschnitts der Noten der "Kernfächer" erst eine Vorauswahl getroffen. Da die Verfahren aber selbst dann noch sehr aufwendig sind (der Abischnitt steht auf dem Zeugnis, die anderen Schnitte aber nicht und müssen von den Verwaltungen /unimut/aktuell/1035121973der Hochschule eigens einzeln ermittelt werden), arbeiten die Hochschulen daran, diese Gebühren auf die StudienbewerberInnen umzulegen -- der UNiMUT berichtete anlässlich der Jahresfeier bereits darüber. Pech haben damit neben denen, die kein Geld für vier oder fünf Auslesen haben, vor allem die, deren Noten nicht so dolle sind. Fast wie bisher.

Pech haben weiterhin auch diejenigen, die kein Abitur haben. Besonders an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen gibt es Studiengänge, für die sich Menschen ohne Abitur, aber z.B. mit Berufserfahrung, hoher Eignung oder großer Motivation interessieren. Bisher konnten sie über spezielle Zulassungsverfahren evtl. doch zu einem Studienplatz kommen. In Zukunft können nur noch 10% der Plätze für solche Personen bereit gehalten werden. Wobei diese 10% der Plätze aber z.B. auch noch für die Warteliste herhalten müssen. Wie die ausländischen Studierenden, für die es in vielen Studiengängen auch Quoten gibt, verrechnet werden, ist auch noch unklar.

Studierende aus anderen Bundesländern oder von deutschen Schulen im Ausland, die die "Kernfächer" nicht belegt haben bzw. nicht belegen konnten, haben ein Problem. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Baden-Württemberg durch die Bevorzugung der sogenannten "Kernfächer" auch in Sachen Schulpolitik Tatsachen schaffen will. Die Bezeichnung "Kernfächer" gibt es nur in Baden-Württemberg, und dass die Kultusministerin ihr Modell des Abiturs für das beste hält, überrascht nicht. Pech haben auch diejenigen, die gerne den nicht zustande gekommenen Sportleistungs- oder Chemiegrundkurs belegt hätten und Sport oder Chemie studieren wollen. Ein Maluspunkt ist ihnen sicher, ein Studienplatz nicht; doch vielleicht zählt die Teilnahme bei Jugend forscht oder Jugend trainiert für Olympia -- falls die Schule dort überhaupt mitmacht...

Die Landeskonferenz der Unirektoren (LRK) steht im Grunde hinter ihrem ehemaligen Vorsitzenden Frankenberg. In einer Presseerklärung wird allerdings darauf hingewiesen, dass neben der Benachteiligung von AusländerInnen (zumindest wenn man Gespräche oder Tests vor Ort durchführt) ein erheblicher Aktenberg droht, da jeder Schritt des Verfahrens zu erfassen sei. Was vermutlich soviel heißen soll, dass man sich nicht in die Karten -- sprich die Zusatzkriterien -- gucken lassen will.

Deutlichere Kritik trug die Sprecherin der LRK auf einer Anhörung der GRÜNEN-Landtagsfraktion vor: es sei ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, dass BewerberInnen, die von der Hochschule abgelehnt würden, aufgrund der Warteliste dann doch studieren könnten. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar vor Jahren -- aus rein ideologischen Gründen -- entschieden, dass der Wunsch eine Beruf auszuüben auch schützenswert sei und niemand endgültig am Studium des Wunschfaches gehindert werden dürfe, dies gefährde jedoch die Wissenschaftsfreiheit.

Das Ziel der LRK ist klar: wer einmal als ungeeignet ausgelesen ist, soll keine weitere Chance erhalten, zumindest an der ablehnenden Hochschule. Ein möglichst undurchsichtiges, aktenarmes Verfahren wäre hierbei sicher hilfreich. Aufgrund der Vorauswahl nach Noten hätten damit Leute mit "schlechten" Noten sehr leicht keine Chancen mehr auf Studienplätze -- zum Schutze der Freiheit der Wissenschaft.

Die Gründe, aus denen die RektorInnen für die Verfahren sind, sind uneinheitlich und daher sind sie auch für unterschiedliche Verfahren. Diejenigen unter ihnen, die sich ernsthaft überlegen, Auswahlgespräche durchzuführen, sollten wissen, dass aussagekräftige Gespräche nicht unter 90 Minuten dauern und von geschulten Leuten durchgeführt werden sollten. Zumindest wusste dies ein Eignungspsychologe auf der erwähnten GRÜNEN-Anhörung zu berichten. Allerdings wusste er auch zu berichten, dass Auswahlgespräche insofern immer sinnvoll sind, als sie die Bindung der Auswählenden an die Ausgewählten verbessern bzw. überhaupt erst stiften (vielleicht rührt daher die derzeitige Begeisterung für Stiftungshochschulen. d.Red.).

Sprich: Wer glaubt, das richtige Fach studieren zu wollen und bereit ist, sich für das Gespräch vorher ein wenig fit zu machen, kann fast sicher sein, dass sich der Einsatz lohnt. Und beide Seiten haben dann im Laufe des Studiums ein geringes Interesse daran, ihre vorgebliche Auswahlkompetenz bzw. Eignungsmotivation in Frage zu stellen. Psychologisch spielt die Eignung dann keine so große Rolle mehr im Studium. Auf die Prüfungen bereitet man sich auch irgendwie vor. Fast wie bisher eben...

Es wird vermutlich doch eine Weile dauern, bis sich die Auswahl durchsetzt -- einige Fächer wollen nicht, andere schon, die einen werden sich an aussagekräftigen Verfahren versuchen, die anderen in neuen Würfeltechniken. Ohnehin gilt das Gesetz nur für die Studiengänge mit lokaler Zulassung, und das sind zumindest an der Uni Heidelberg nicht viele. Das Ministerium jedoch würde gerne sehen, dass flächendeckend ausgewählt wird. Neue Studiengänge werden daher nur genehmigt, wenn sie ein Auswahlverfahren beinhalten. Und da das Ministerium nicht nur Prüfungsordnungen billigt, sondern auch Sondermittel zuweist oder Rufe erteilt, wird sich die Zahl der Fächer mit Zulassungsverfahren langsam erhöhen. Schließlich soll es sich ja für alle lohnen! Wir werden abwarten, wer alle sind.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.01.2004