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UNiMUT 86 vom 10.10.94

Inhalt

Editorial

Früher als gewohnt melden wir uns zurück, und aus gutem Grund: Die Bundestagswahlen wurden diesmal extra so gelegt, daß der Unmut der Studis nach dem klasse Urlaub in den Semesterferien gerade minimal ist. Perfid, perfid. So müssen wir Euch halt unmutig machen.

Außerdem ist das hier der Platz, eine Einladung auszusprechen: Wer bei uns mitmachen will, ist allerherzlichst eingeladen, am 16. Oktober (das ist der Sonntag vor dem Semester) gegen sieben hier im Kastra (Lauerstraße 1 im zweiten Stock) vorbeizukommen; es gibt zwar keinen Sekt und vermutlich auch kein Selters, aber immerhin die Hoffnung auf eine solide Einarbeitung (ähem...), solider als irgendwann mitten im Semester.

Wer nicht gleich in die Tasten greifen will, kann uns auch anders helfen. Es hat gerade im letzten Semester etliche Pannen bei der Verteilerei gegeben, und es wär gut, wenn unsere Vertriebsmenschschaft etwas verstärkt würde. Das muß noch nicht heißen, daß Ihr Euch vor der Mensa einen abfriert (obwohl uns das natürlich begeistern würde), es wär auch schon was wert, wenn DU etwa die Patenschaft für einen Original-UNiMUT-Verteilerkasten übernehmen würdest...

Red


DICKE WÄHLEN IST DOOF

...und nichtwählen diesmal auch

Wenn Wahlen etwas ändern könnten, wären sie schon längst verboten.

Möglich, die Yippies mit ihrem Schwein gegen Herrn Kohl mehr Chancen hätten als die SPD mit ihrem Pfälzer, was aber ihr Diktum von oben angeht, würde ich bei den drohenden Bundestagswahlen gelinde Zweifel anmelden. Gewiß wird sich auch unter "Rot-Grün" nichts ändern an der Kacke, die wir hier an den Unis am dampfen haben, wird wohl auch die Umverteilung, die außerhalb unserer heiligen Hallen vor sich geht, nicht so bald zum Stillstand kommen, und wer glaubt, Flüchtlinge könnten hier etwas fairer behandelt werden oder Autos etwas entschlossener, soll zurückblicken auf die 13 Jahre SPD-Herrschaft, die es ja hier schon mal gegeben hat, vor allem deren zweiten Teil. Aber um all diese Dinge kann es auch gar nicht wirklich gehen bei diesen Wahlen.

Nach elf Jahren Kohl-Regierung haben wir eben nicht nur sinkende Realeinkommen und verarmte Gemeinden, vor allem brennen Wohnhäuser und "Sozialleben" ist allenfalls noch ein Euphemismus für den permanenten Verteilungskampf. Gewiß, es ist vielleicht auch "Zeitgeist", daß (fast) niemand mehr einen Finger krumm macht, wenn weder Bier noch Geld bei rausschaut, und die zur Normalität gewordene Gewalt -- mit der hier nicht die Chimären gemeint sind, die als Legitimation für den finalen Rettungsschuß auf die bürgerlichen Freiheiten, auch Verbrechensbekämpfungsgesetz genannt, aufgebaut werden -- wird gern mit einer Mischung aus Armuts- und Übersättigungstheorien erklärt (erzählt nicht mir, daß das irgendwie nicht passt). Die Vermutung, daß solche Erklärungen rosa (oder schwarze) Tünche sind, liegt allerdings nicht nur deshalb nahe, weil Kohl ja mit einiem explizit auf Revision der Errungenschaften der fünfzehn Jahre vor seiner Regierung gezielten Programm antrat --- wer hat die dummen Sprüche von der "geistig-moralischen Wende" nicht mehr im Ohr? Und wen wundert es, wenn soziales oder politisches Engagement im besten Fall noch als Beschäftigung von Träumern gelten, wo doch diese Regierung alles, was quasi von der Basis kam, durch konsequentes Ignorieren und Aussitzen völlig ins Leere hat laufen lassen?

Mensch ahnt schon, die Fragezeichen im letzten Absatz sollen Euch und mir eine wirklich tiefgründiges Psychogramm der "Ära Kohl" ersparen --das Ergebnis kann ohnehin nur lauten, daß alles besser ist als diese Regierung, und sei es nur, weil vor allem sie Schuld ist am Gefühl, "doch nichts machen zu können", letztlich dem Hauptgrund für das faktische Aussterben dessen, was vor zehn Jahren mal "Basisbewegung" hieß. Und ob es nun um AKWs oder Jugendzentren geht, genau solche "Basisbewegungen" sind unverzichtbar für einen Staat, in dem Menschen nicht völlig zu Zuschauern in der ersten oder sonsteiner Reihe degenerieren sollen.

Und drum können selbst stramme Skeptiker am repräsentativen System diesmal den ganzen Wahlzirkus nicht ganz ignorieren. Ich hätte ja selbst nicht gedacht, daß ich mal sowas schreiben würde, aber hier ist ein Wahlaufruf. Leute, geht zur Wahl, denn, sofern Ihr nicht FDP wählt (wer aber das tun sollte, weiß auch die FDP nicht mehr), werdet ihr Kohl und Kinkel auf die Füße treten. Mit jeder Stimme für irgendwen steigt die Wahlbeteiligung und sinkt der Stimmenanteil der FDP, wird es wahrscheinlicher, daß bei der Partei der Besserverdienenden die 5%-Hürde gnadenvoll waltet. Viel ist zwar damit noch nicht gewonnen -- aber immerhin wärs dann nicht mehr ganz aussichtslos, der Kohl'schen Polarnacht ein Morgengrauen zu bereiten. Und das ist doch wirklich eine Alternative zur Götterdämmerung, nicht wahr?

Und außerdem: Ich fände es die Panne selbst, wenn es der Dicke nach all der Verarschung und seinen ungezählten Peinlichkeiten gerade der letzten vier Jahre nochmal machen täte.

F.T. Räumer


Güldene Worte...

Bildungsminister Karl-Hans "Ellenbogen" Laermann von der F.D."Besserverdienend"P. hat, passend zum umliegenden Artikel, noch ein paar Argumente zur Wahl bei Herrn Springer (Welt am Sonntag vom 28.8.) abgelassen. Ohne Kommentar (aber mit Hervorhebungen des bescheidenen Setzers):

"In den meisten Schulen ist es doch heute so, daß man sich hauptsächlich um die Benachteiligten kümmert," daß das "langsamste Schiff das Tempo des ganzen Geleitzugs bestimmt. Das können wir uns nicht länger leisten."

Die Hochschulen sind ein Ort, an dem "das Individuum und mit ihm besondere Talente im Massenbetrieb untergehen."

"Wenn einer kommt und sagt `Ich kann das´, dann soll er sich stellen"

"Wer glaubt, er erfüllt die Anforderungen, soll es auch beweisen dürfen."

Und jetzt noch ein bißchen in Welt-indirekter Rede:

"Ein erster Schritt dahin müsse sein, sagt der Minister, die Vorbehalte in der Gesellschaft gegen den Begriff `Elite´ abzubauen."

Und ja, Schuld an allem Schlechten in der Bildungsrepublik sind, nach Welt und Laermann, die Bildungspolitiker, "zumal in SPD-regierten Ländern", die "erreichen wollen und bereits erreicht haben, daß immer mehr Schüler das Abitur machen -- obwohl viele von ihnen [...] dazu im Grunde gar nicht befähigt sind." Dann glaubt mal nicht, daß gerade ihr die Befähigten seid.


...und wer bis Seite 3 gekommen ist,...

... und wirklich überzeugt davon ist, daß wir eine neue Regierung verdienen, muß sich jetzt auch noch anhören, was man noch alles tun kann, um den Großen Kampf für Frieden und Gerechtigkeit (in diesem Falle: die Bundestagswahlen) wirklich zu gewinnen.

Es ist ja gar nicht so, daß kleine Studierende nicht Ihr Scherflein zur Verabschiedung der jetzigen Regierung betragen könnten! Und so wie die Sache jetzt aussieht, könnten gerade die mühsam im letzten Moment zusammengekratzten Stimmen die Landschaft verändern. Wahrscheinlich nicht bis zum großen Triumph, aber vielleicht hin zu unkomfortablen Zweckehen.

Was hören wir da? Zuviel Arbeit? Zu wenige Getreue? Zu spät? Zu schwer? Ach was! Es sind noch satte drei Tage bis zum Sonntag!

  • Das sind genau die Tage, in denen man noch zünftige Diskussionen im Bekannten- und Verwandtenkreis anzetteln kann.
  • Das sind genau die Stunden, in denen man noch mit rasch vervielfältigten Flugblättern Passanten auf der Hauptstraße belästigen kann.
  • Das ist genau die Zeit, in der man Tante Gudrun noch davon überzeugen kann, daß der Bundeskanzler kein netter großer Mann ist, sondern einer, der um sich herum kein Gras und schon gar keine Ideen wachsen läßt.

Genau jetzt kann man noch alte Schulfreude und Studienkolleginnen anrufen, die das Wählen schon oft genug "verschwitzt" haben.

In diesem Moment kann man sich umdrehen und auf all' die Unentschlossenen, die gelegentlich auf einen hören, einwirken.

"Warum net wie immer?", fragt nicht nur Tante Gudrun dieser Tage in so manchem Heimatort. Die Antwort muß sitzen, und zwar mit maßgeschneiderter Begründung!

Es reicht eben nicht, sich seufzend zurückzulehnen, über die Schlechtigkeit der Welt und das nicht vorhandene Charisma von Rudolf Scharping zu lamentieren und die Machtlosigkeit des aufgeklärten Individuums zu beklagen. Entschuldigungen zählen diesmal viel weniger als vor vier Jahren, als die Opposition sich immerhin selbst mit Verve in den Rücken fiel.

Jetzt ist es das alte Spielchen: Wenn nur jeder und jede einen oder zwei Verwandte oder Bekannte auf die andere Seite zieht (oder überhaupt zum Wählen bewegt - siehe Seiten 1 und 2), kann sich etwas tun - gerade weil es diesmal so knapp zu werden scheint.

Und Tante Gudrun wird sich doch so störrisch nicht geben.

Drehen wir eine, zwei, viele Tanten, Onkel und Freunde um!


Studiwerk:

Anstand im Notstand

Noch immer gibts viel zu wenig Wohnungen in Heidelberg, bezahlbare schon gar nicht, und grad jetzt noch weniger. Und wie schon in den letzten Jahren bietet das Studiwerk im Oktober notfallmäßig Schlafplätze in seinen Wohnheimen für eben mal fünf Emerson die Nacht, um allzu hart Gestrandeten die Brücke zu ersparen. Anmelden kann mensch sich im Hausmeisterraum im Untergeschoß von INF 694 von halb drei bis drei und zwischen fünf und sieben nachmittags. Es gibt auch ein Infoblatt dazu, abzuholen vermutlich im Marstallhof und wenns sein muß im Kastra, Lauerstraße 1.


Anglistik:

Schlangestehen

Bis vor Rektor Ulmers Büro wird hoffentlich die Schlange reichen, wenn sich rund 400 Studis englischer Sprache und Kultur nach der feinen Art des Mutterlandes anstellen werden. Denn nicht mehr das darwinistische Drängelprinzip soll beim Einschreiben für die Kurse am anglistischen Seminar herrschen, auch wenn das Kursangebot seit Jahren nicht mehr mit den steigenden Studierendenzahlen Schritt hält. Wer sichs ansehen will (oder auch mitstehen): Am Dienstag nach Semesteranfang (das ist der 18.10.) um halb zehn soll das Schauspiel am Uniplatz gegeben werden.

Übrigens interessieren diese Vorgänge nicht nur die UNiMUT, auch das Rektorat bietet Hilfe, vermutlich im Hinblick auf die anschließende Pressekonferenz. Der Prorektor persönlich stellte für die Fachschaft die Haltung des Hauses als Argumentationshilfe vor.


Palais Raban von der Malsburg

Über-Rede

Unsere Studienberatung unter der Ägide des berüchtigten CDU-Scharfmachers Raban von der Malsburg bietet tolle Seminare für Unerschrockene (gehen doch Gerüchte, die BeraterInnen seien gehalten, Interessierte vom Studium eines Faches, das sie im Abitur mit Drei oder schlechter abgerotzt haben, abzuraten): Einmal "Training zur Entscheidungsfindung", das auf die Studienwahl vorbereiten soll (interessanterweise ab 20.10. oder 24.11.), und dann "Studiere ich das `Richtige´?", gerichtet an Studis, die ihrem bisherigen Fach den Rücken kehren wollen. Mag nicht mal jemand hingehen und einen Exklusivreport für UNiMUT schreiben? Das Palais Raban könnte nach allem, was der Redaktion so zu Ohren kommt, etwas Beobachtung nämlich schon brauchen.


Jahresfeier der Uni

Angehörige eingeladen

Unter sich werden die ProfessorInnen vermutlich wieder sein auf der dritten Jahresfeier der Universität. Am Samstag, 22.Oktober wird in in der Alten Aula in feierlichem Rahmen "gejährt". Höhepunkt der Festivität ist neben der "Marsiliusrede" (Thema dieses Jahr: "Interdisziplinarität - Notwendigkeit und Problematik bei der Erforschung von Alternsprozessen") die Verleihung des Landeslehrpreises durch Minister von Trotha. Eingeladen sind alle Angehörigen der Universität. Hinterher gibt's eine Kleinigkeit zu essen.


Food-Coop

Jetzt auch in Heidelberg -- vielleicht mit dir?

Die Univerwaltung hat jetzt grünes Licht gegeben, und wir können, wenn wir soweit sind, anfangen.

Wer ist "wir"?

Jeder Mensch, der sich gerne von aus kontrolliert biologisch-dynamischem Anbau stammenden Lebenmitteln ernähren möchte und nicht das große Geld hat.

Jeder Mench, der sich vorstellen könnte, bei der Verwirklichung des Projektes Food-coop mitzumachen.

Also, wie wärs? Wir treffen uns zur ersten Besprechung am 20.10.94 im Fachschaftsraum Medizin (das ist so grob gegenüber vom Unishop INF, d.S.).

Holger


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Druckfassung

Erzeugt am 27.02.2003

unimut@stura.uni-heidelberg.de