Das Letzte aus der Eliterepublik
Vor einem Vierteljahr berichteten wir aus Studiengebührien, dass Roland "Hart durchgreifen" Koch sein hessisches Vaterland an das große, kalte Reich angliedern wollte und einige Einwände zu hören waren. Ende 2003 war es dann soweit, das Rhein-Mainische Parlament beschloss, nur wenig von Studis gestört, Kochs kreatives Gebührenmodell.
Am 24.2. folgte die SPD/PDS-Regierung in Berlin -- nein, nicht Koch, sondern dem ollen Trotha, der hier in Baden-Württemberg schon seit der letzten Wahl vergessen ist, und beschloss, dessen Straftausi zu kopieren -- ein klares Signal, dass die kreativen Aktionen der Berliner Studis im Wintersemester immer noch zu brav waren.
Der Hamburger "Skandalsenat" hatte eine ähnliche Regelung schon beschlossen, bevor seine Mitglieder nicht mehr miteinander reden wollten -- es lebe die Sachkompetenz! --, doch konnten sich die diversen Gremien an der dortigen Uni wohl mit Rücksicht auf die Studiproteste in der Hansestadt bis heute recht nicht zu einer Gebührensatzung durchringen. Während also der Urheber des Gesetzes in Albernheit untergeht und die Reste von Unidemokratie zaudern, ergriff nun der Unipräsident selbst die Initiative und ließ einfach mal so Gebührenbescheide verschicken. Dass sowohl die Bescheide wie auch das komplette Verfahren vor Formfehlern nur so strotzen, lässt ein interessantes juristisches Nachspiel erwarten.
Auf die Frage, wozu der Zirkus eigentlich aufgeführt wird, wird in verlogeneren Momenten schon mal der Sachzwang der angeblich leeren Kassen angeführt. Nun reicht ein halbes Auge, um zu sehen, dass die "leeren Kassen" politischer Wille und jedenfalls kein Sachzwang sind -- aber genussvoller ist diese Verlogenheit an den immer neuen Instrumenten für Pleite und Geldverschwendung erkennen. Aber zugegeben, Geld sinnvoll ausgeben macht einfach nicht so viel Spaß wie mutwilliges Verschleudern und die Finanzierung kleiner und großer Gemeinheiten.
Ein hübsches Beispiel ist hier das Elitegymnasium in Schwäbisch Gmünd, für das jetzt, wie Paradefrömmlerin und Kultusministerin Annette Schavan am 13.2. verkünden ließ, das "von Fachleuten erarbeitet[e]" Aufnahmeverfahren läuft, während die LehrerInnen noch fleißig überlegen dürfen, wie sie die künftige Elite auch richtig schlau machen. Die mindestens 8 Millionen Euro öffentlicher Mittel, die schon vor Unterrichtsbeginn in die Höhere-Kinder-Schule geflossen sind, kaufen übrigens, im Gegensatz zu früheren Planungen, nicht nur 160, sondern ganze 240 Plätze in den Klassen. Ob AbsolventInnen dieser Schule automatisch einen Platz an Baden-Württembergs Eliteuniversitäten bekommen oder dort nochmal durch -- weit weniger professionelle -- Auswahlverfahren durch müssen, wird die Redaktion in den nächsten Jahren mit Interesse verfolgen.
Aber auch am anderen Ende der Höhere-Bildung-Hackordnung, bei der McBildung für die "Massen", tut sich was -- oder eher nichts. Der Rektor der FH Esslingen hat nämlich in der letzten Woche vorgeschlagen, die Berufsakademien (BAen) in die Fachhochschulen einzugliedern, um so Verwaltungs- und Sachkosten zu sparen. Mag sein, dass er hier nur eine weitere Peanuts-Rechnung aufgemacht hat, ganz von der Hand zu weisen ist jedoch nicht, dass die Duplizierung der Strukturen, die der schon erwähnte Frankenberg-Vorgänger Trotha mit den BAen auf den Weg gebracht hat, um die Armen und vermeintlich Dummen von den Hochschulen fernzuhalten, einiges an Ressourcen verschlingt, die woanders vielleicht besser verwendbar wären.
Das Ministerium jedoch lehnt jedes Nachdenken in dieser Richtung ab, denn, wenn der Zweck stimmt -- Konkurrenz, Schärfung sozialer Gegensätze und ähnlich gesellschaftlich wertvolle Dinge -- spielt Geld in Studiengebührien eine noch kleinere Rolle als schon in der guten, alten sozial-marktwirtschaftlichen BRD. An diesen Zwecken im Allgemeinen und an der McBildung an den BAs im Speziellen hat Falk Roscher -- so heißt der Chef der FH Esslingen -- übrigens auch nichts auszusetzen. Nicht nur, dass er trotz seines freundlichen Angebots betont, es gehe nicht an, "so zu tun, als seien die Berufsakademien Hochschulen", seine ganze Uni ist auch bereits auf Bachelor und Master umgestellt.
Da ist es nur gut, dass nun auch das neue LHG -- in gegenüber der von uns bereits gewürdigten Fassung nur unwesentlich entschärfter Form -- dem Parlament zum Abnicken vorgelegt wird. Am 17.2. hat das Ministerium froh verkündet, die "Qualitätssicherung durch effiziente und wettbewerbsfähige Strukturen" sei nun auf dem Weg -- und damit natürlich auch der Big Brother. Nebenbei: Jedenfalls derzeit sollen die BAen nicht vom LHG geregelt werden, denn es geht vermutlich nicht an, dass... Na gut.
Einen Vorgeschmack des Typs guter Nachrichten, die diesen entschlossenen Schritten ganz bestimmt folgen werden, hat unabhängig davon das allseits beliebte IMPULSE-Projekt am 13.2. gegeben: "Wesentliche Verbesserung des Drittmittelberichtswesens" war da als Überschrift eines Rundschreibens zu lesen. Mensch lasse sich das auf der Zunge zergehen: Drittmittel-berichts-wesens-verbesserung, und wesentlich noch dazu. Das ist beeindruckende four levels remote. Mit dem neuen LHG schaffen wir bestimmt auch noch level five, es ist ja nicht wie bei armen Leuten.
Als weitere Maßnahme zur Erhöhung der Levels von Verordnungen ließ das Ministerium in einem Schreiben vom Januar 2004 die Unis gleich noch wissen, dass es seine Eckwerte für geisteswissenschaftliche Studiengänge aus dem letzten Jahrhundert doch noch für aktuell und anwendbar hält. Das wird einige Leute, die dachten, ihre Autonomie erstrecke sich auch auf die Gestaltung von Studiengängen, sicher enttäuschen. Doch wer geglaubt hat, bei der Novellierung der Hochschulgesetze ginge es auch oder vor allem um Autonomie, wird wohl auch zu naiv sein, um selbst den besten Studiengang durch die nun zwingend vorgeschriebene Akkreditierung zu bringen.
Ob das nun eine gute Nachricht zum Ende war, wagt die Redaktion nicht zu beurteilen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 14.04.2004