Bertelsmann, Bertelsmänner, die Uni, das CERN und der Papst
...dass die Uni so viel Geld hat, dass sie unter die InvestorInnen geht? Sie spricht sogar laut darüber, dass sie der Lehre und vor allem den Studis abgepresste Kohle (konkrete Zahlen sind natürlich Betriebsgeheimnis) in die Firma Certon steckt, die Technologie des Europäischen Hochenergiephysiklabors CERN (das in der Presseerklärung der Uni erstaunlicherweise nicht vorkommende Buzzword ist da "Grid") verkloppt. Auch wenn Korruption ("Networking") bei dieser Sorte Geldverteilung der Uni sicher eine große Rolle spielen wird: Die Förderung einer Ausgründung ausgerechnet aus dem KIP ist sicher nicht Teil eines goldenen Handschlags bei der Entfernung des unmöglichen Ex-Prorektors "für Kommunikationsstrukturen" Karlheinz Meier -- ebenfalls im KIP beheimatet -- aus dem Rektorat. Die Certon-Leute kommen doch aus einem ganz anderen Stall als Meier (und das beruhigt im Hinblick auf die Sicherheit der Investition).
...woher das Rektorat das Geld für solche Mätzchen hat? Nun, zum Teil aus der Miete, die sie nach dem Impulse-Budgetierungsmodell von den Instituten bekommt. Das Philosophische Seminar sieht sich durch die angefallenen Kürzungen so in Finanzierungsnot, dass Überlegungen angestellt worden sind, Räume in ihrer Funktion umzuwidmen. Wegen diesen Mietkosten, die auch für Aufenthalträume anfallen, könnte der Fachschaftsraum der FS Philosophie wegrationalisiert werden. Es zeigt sich wieder mal, dass die Neokonservative Konterreform Institute so an die Armutsgrenze zwingt, dass sie sich sogar Sachen entledigen müssen, die noch nie zur Disposition standen...
...dass auch Daimler-Chrysler nach den jüngsten Lohnkürzungen in Geld schwimmt? Das Budget ist so prall, dass der Konzern sogar dem Papst ein Feuerwehrauto spendiert. Und es bleibt immer noch genug für den Bruder des Vorstandsvorsitzenden als Chef der italienischen Dependance. In der gleichen Liga spielt die am gleichen Tag ebenfalls auf der Agitprop-Seite der Landesregierung verkündete Frohbotschaft, dass das CHE bei ihrem diesjährigen Ranking die Unis München und Karlsruhe an die Spitze gewürfelt haben. Die Leute von Bertelsmanns Lobby-Verein haben aber offenbar genug Leute in Heidelberg (ZSW-Chef Barz ist einer von ihnen), um auch unserer Alma Mater einen Platz in der Spitzengruppe zu gönnen. Gähn.
...was der Skandal um Audio-CDs, die auf Windows-Rechnern Software installieren, die wiederum den Herstellern der CDs unbeschränkten Zugriff auf die Rechner gibt (vgl. die Story von Datenschutz-Guru Bruce Schneier), mit Studiengebühren zu tun hat? Die Antwort ist mal wieder: Bertelsmann. Die CDs wurden von Sony-BMG, halb in Bertelsmann-Besitz und in dieser Sache geführt vom Bertelsmann Thomas Hesse, herausgegeben. Studiengebühren hingegen wurden in der BRD -- da können Frankenberge und Hommelhoffe glauben, was sie wollen -- vom CHE, de facto voll in Bertelsmann-Besitz, durchgesetzt. Und: in beiden Fällen verfolgt Bertelsmann höchst durchsichtige Eigeninteressen auf Kosten der Allgemeinheit. Übrigens begnügen sich die Gütersloher Rechtsabbieger längst nicht mehr mit der BRD -- allein die Existenz der Fundación Bertelsmann lässt Böses für die spanischen Studis (von Armen und Kranken, Witwen und Waisen mal ganz zu schweigen, denn natürlich kommt auch der Hartz IV-Gesetzentwurf letztlich aus Gütersloh) ahnen.
...dass die Bertelsmann-Komplizen von der HRK -- sie haben sich im CHE kooptieren lassen -- sich unterdessen eifrig kloppen? In testosterongeschwängerter Atmosphäre trat am 23.11. nämlich HRK-Chef Gaehtgens zurück. Hintergrund ist leider nicht die Tortung Gaehtgens' in Tübingen, sondern nur die übliche Rangelei um Pöstchen und die Illusion von Einfluss in diesem Gremium der Rektoren der Hochschulen der BRD. Zwar sind dessen Mitglieder nicht durchweg so schlimm wie Hommelhoff, aber Vernunft und Bescheidenheit sind gewiss keine probaten Mittel, wenn mensch diesem illustren Verein beitreten möchte...
...was der "Studentenberg" ist, dessen Untertunnelung Gaethgens als eine seiner letzten Handlungen forderte? In ganz Baden-Württemberg sind zur Zeit 10700 Menschen mehr immatrikuliert als vor einem Jahr, wobei der Anstieg bei PHen stärker ist als bei Unis. 248400 Studis sieht das Statistische Landesamt damit im Ländle. Interessanterweise nahm aber die Zahl der Erstimmatrikulierten ab, was den Schluss nahelegt, dass trotz der Gebührendrohung der Trend wieder zu etwas längeren Studienzeiten geht.
...dass das Hamburger Studiwerk probiert, aus der Umstellung auf gestufte Studiengänge BAföG-Kapital zu schlagen? Es hat nämlich versucht, einem Bachelor-Absolventen einer Privatuni das BAföG mit dem Argument zu verweigern, er verfüge ja bereits über einen berufsqualifizierenden Abschluss. Der Studierende ließ gerichtlich feststellen, dass das nicht angeht, wenn auch aus dem falschen Grund. Richtig wäre ein Verweis auf die noch vor Jahresfrist von Seiten der BildungsbürokratInnen gelobten Schwüre, jedenfalls konsekutive Master würden den BAföG-Anspruch nicht berühren. Das Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts (Az.: 2 K 5689/04) hingegen berief sich darauf, dass ein Bachelor in Jura nicht berufsqualifizierend sei. Mal wieder kann mensch froh sein über die Unfähigkeit der Baden-Württembergischen Ministerien, die sich eine Umstellung der hiesigen Staatsexamens-Studiengänge nach Auskunft des neuen LHG nicht zutrauen. Gewohnt unfähig und schlecht informiert zeigen sich übrigens auch unsere wie üblich mit nicht ganz 50 Mikrogramm Durchblick ausgestatteten KollegInnen vom Spiegel in ihrer Berichterstattung zum Fall -- aus vergangenen Fehlern lernen ist in Hamburg nicht arg populär.
...wie viele Tage die Unis für die Lehre haben? Die Antwort des MWK dürfte LeserInnen des UNiMUT nicht überraschen: Einen, wie auf dem nebenstehenden hübschen Aufkleber (Originalformat: 30 cm mal 25 cm) stolz verkündet. Der UNiMUT verrät exklusiv, was an den 364 anderen Tagen passiert: Konterreform, Verwaltungsstrukturreform, Organisationsentwicklung: 121 Tage; Wochenenden, Feiertage: 108 Tage; Selbstbeweihräucherung des Rektorats: 53 Tage; Evaluation und Akkreditierung: 39 Tage; Forschung (incl. Anträge schreiben und Gutachten erstellen): 25 Tage; Prüfungsordnungen ausarbeiten, Zulassungsverfahren, Gebühren eintreiben: 18 Tage. In Schaltjahren vergeht der zusätzliche Tag mit Diskussion, ob ein weiterer Tag für die Lehre nicht unzulässige Anspruchshaltungen hervorruft.
...was "Minister Frankenberg kündigt Vorschläge für Weiterentwicklung der Arbeit der Evaluationsagentur an" im Klartext bedeutet? Um eine Antwort zu finden, solltet ihr zunächst diese Pressemitteilung des Ministers zur Zukunft der Evaluationsagentur, einer Erfindung des MWK aus den Zeiten, als sie das mit der Akkreditierung noch nicht ganz überrissen hatten. Fertig gelesen? Wenn ihr die Ministersprache nicht kennt, dürfte euch die Auflösung überraschen: Zumindest in der Mannheimer Evalag-Filiale wurde allen Beschäftigten von heute auf morgen gesagt, sie sollten heimgehen. Vielleicht gebe es im Dezember wieder Arbeit, wahrscheinlich sei das aber nicht. Moral: Mit dem MWK als direktem Dienstherren wird das Leben richtig spannend.
...dass der Exodus des Ex-Landesvaters Teufel nach Bayern vielleicht späte Folgen zeitigt? Teufel ging nach Bayern, weil sich Baden-Württemberg so in etwa das reaktionärste Hochschulzugangsrecht leistet und fest auf dem Abitur besteht. Bestand, denn einer Meldung der Landesregierung zufolge sollen jetzt auch in Baden-Württemberg beispielsweise Meister zum Hochschulstudium zugelassen werden können. Warum wohl das MWK das Thema -- das doch eine mittlere Revolution beim Hochschulzugang ausmachen würde -- in seinen Pressemitteilungen nicht erwähnt?
Walter I. Schönlein
Dieser Artikel wurde zitiert am: 25.11.2005