Viele Lösungen zum neuen Jahr
...dass laut einer jährlich durchgeführten Studie des Hochschul-Informations-Systems im Jahr 2004 die Studierquote, also der Anteil der Studierberechtigten eines Jahrgangs, der ein Studium aufnimmt, erstmals seit Mitte der 90er Jahre wieder zurückgegangen ist, und zwar auf ein mittleres Niveau von 70%? Neu war bei dieser Untersuchung auch die Möglichkeit, als Grund für den Verzicht auf ein Studium "Falls Studiengebühren eingeführt werden, übersteigt dies meine finanziellen Möglichkeiten" anzugeben. 22% nutzten diese Möglichkeit, in den alten Bundesländer sogar 27% -- und das, noch bevor das erste Bundesland ein Gesetz zu Studiengebühren verabschiedet hat.
...was schwarze Pädagogik ist? Wenn nicht: Schwarz ist Pädagogik, die über Strafe und Kontrolle operiert. In einer Uni, in der Studis Interesse und Freude am Fach im Zeichen von "Employability" ausgetrieben wird, ist sie natürlich massiv auf dem Vormarsch. Anwesenheitslisten in Vorlesungen sind ein Teil dieser Tendenz, mit der sich jedoch noch nicht alle abgefunden haben -- vom 21. bis 25.11. war etwa an der TU Dresden "Woche des Listenschwunds". "Wie oft stirbst du in einem staubtrockenen Seminar ab, nur um am Schluss deine Unterschrift zu leisten?" fragt der anonym zirkulierte Aufruf zum Klau der Anwesenheitslisten. Aber natürlich ist diese Aktionsform wenig nachhaltig in Zeiten von RFID-auslesbaren Campuskarten, mit denen wohl in naher Zukunft Listen aus Papier ohnehin wie ein romantischer Anachronismus wirken werden.
...wie viel Platz ein Studi braucht? Nun, für Unis, PHen und FHen ist das geregelt, und zwar im 34. Rahmenplan der (nach dem Föderalismuskompromiss möglicherweise sowieso moribunden) Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, wonach GeisteswissenschaftlerInnen an FHen mit 4 m2 auskommen, während NaturwissenschaftlerInnen an Unis ganze 18 m2 brauchen, manchmal auch nur deren 15. Für Baden-Württemberg war das nicht gut genug, wie die Drucksache 13/4843 des Landtags ausführt. Dort wird nämlich weiter differenziert. In der Rechtswissenschaft etwa sind 3 m2 vorgesehen, wohl um künftigen StrafverteidigerInnen schon mal einen Vorgeschmack auf ihren künftigen Arbeitsplatz zu geben, während in Chemie die vollen 18 m2 geboten sind. An BAen hingegen brauchen Studis weniger Platz, jedenfalls nie mehr als 7.3 m2, an PHen sind es grundsätzlich immer 5 m2. Was das MWK alles weiß über die pädagogischen Notwendigkeiten...
...von wem das schöne Diktum "Eliteinstitutionen funktionieren nach dem Prinzip, 'der Teufel scheißt auf den größten Haufen'" stammt? Auch wenn es kaum glaublich ist, der das formulierte, Michael Hartmann (Darmstadt) ist habilitiert. Ebenfalls überraschend ist, dass ein Interview, in dem Hartmann neben dieser Feststellung auch noch ein paar andere Wahrheiten zum Thema Elite loswird, auf einer Webseite mit dem Untertitel "Wir bringen Wirtschaft, Politik und Medien an einen Tisch" erscheint. Wenn es erlaubt ist, zu dem Thema gleich noch einen coolen Spruch zu bringen: "Die Sehnsucht nach Elite ist nichts als eine bürgerliche Psychose, und sie sollte als solche behandelt werden." Ihr dürft uns zitieren.
...was eine echt kostenneutrale Lösung des Studi-Wohnraumproblems in Heidelberg ist? Die Drucksache 13/4629 des Landtags macht es vor. Da hat das Finanzministerium einer Privatschule in Ulm "keine finanzielle oder materielle Unterstützung zugesagt" (Antwort auf Frage 2), doch konnte die Schule ihren Betrieb trotzdem im "ehemaligen landeseigenen Forstamtsgebäude" aufnehmen, und zwar "interimsweise ohne Ansatz einer Miete". Das bedeutet: In landeseigenen Gebäuden umsonst wohnen macht keine materielle Unterstützung, macht keine Belastung für den Haushalt. Wenn die Studis gar noch einen Euro auf den Quadratmeter zahlen, ist das die silver bullet zur Sanierung des Haushalts. Landesgebäude gäbs in Heidelberg genug. Mensch denke nur an die Alte Uni...
...dass ihr mit dem Baden-Württemberg-Stipendium im Ausland studieren könnt? Seit 2001 hatten damit 6000 Studis Glück und haben über bis zu elf Monate bis zu 1200 Euro pro Semester kassieren können. Da der Minister das Ding toll findet, überrascht der hohe Stulligkeitsfaktor des Unternehmens kaum (offenbar haben sich die Leute ernsthaft ein Warenzeichen eintragen lassen), aber erstens stinkt Geld nicht, und zweitens können die Ansprüche nicht sehr hoch sein, wenn mensch den vor unfreiwilliger Komik strotzenden Erfahrungsbericht von C.G., die "von einem Praktikum in Frankreich zu HELENA RUBINSTEIN in Lausanne gelangt" liest ("Im Anschluss nun an die 3 Trimester an der ESSEC sollte ich zum Erhalt des ESSEC MBA ein Praktikum in Frankreich machen und was lag da, [Kommasetzung im Original] näher als dieses in der Luxusgüterbranche zu absolvieren").
Walter I. Schönlein
Das Rektorat lässt eine Umfrage zur Umsetzung des "Strategiepapiers" machen
Als vor rund einem Jahr das Rektorat sein so genanntes "Strategiepapier" mitsamt einem fast schon karnevalistischen Anschreiben über einen breiten Verteiler verschickte, fragten sich praktisch alle, die das Zeug lasen, von welchem Planeten wohl diese Worte kamen. Strich mensch nämlich die bekannte reaktionäre Ideologie aus dem Papier, blieben Versprechungen, gegen die das Rektorat vor und nach dessen Veröffentlichung konsequent gearbeitet hat. Mit der Realität der Uni waren jedenfalls nur die diversen wüsten Drohungen in dem Machwerk verträglich, der Rest kam definitiv von einem anderen Stern.
Inzwischen hat sogar das Rektorat der Verdacht beschlichen, dass unten auf der Erde ihr Strategiepapier als eine Mischung von bizarrer Lachnummer, wüster Drohung und frecher Lüge angekommen sein könnte. Nun war das Rektorat noch nie motiviert, mit Studierenden oder MitarbeiterInnen ergebnisorientiert oder gar im Vorhinein über Maßnahmen zu reden, es praktiziert nur eine gewisse Einweg-Basiskommunikation, bei der idealerweise ohne Rückkanal die Chefetage allen anderen sagt, wo es langgeht. In Ermangelung dieses Rückkanals muss das Rektorat sich auf anderem Wege Informationen und Akzeptanz verschaffen. Deshalb hat es zur Klärung des eben erwähnten Verdachts -- und zugleich zu seiner Behebung -- auf ein probates Mittel zurückgegriffen, das der befragten Population vielleicht sogar noch den Eindruck vermitteln könnte, sie könnten der Führung irgendwelche Inhalte mitteilen: Die Umfrage.
Satte 139 Fragen möchte das Rektorat in Zusammenarbeit mit den REFA1-Leuten der Heidelberger Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie von den Studierenden beantwortet haben -- MitarbeiterInnen sollen sich in einem ähnlich umfangreichen Verfahren äußern. Leider war die Kombination von längst in fernen Sphären schwebendem Rektorat und gewohnt hohltönender REFA etwas ungeschickt, denn bereits die Fragen, die diese Paarung kreißte, trieben nicht wenigen Befragten die Zornesröte ins Gesicht.
Zornesröte möchte sich auch bei den Gedanken an die Kosten des Mummenschanz einstellen, denn natürlich ist die exzellente Uni Heidelberg offenbar nicht in der Lage, ein paar Zeilen PHP zusammenzuschustern und hat die Durchführung der Umfrage an die Firma Globalpark outgesourct, Kosten dafür: Top Secret. Datenschutzrechtliche Fragen wollen wir mal gleich ganz vergessen, denn immerhin bekommt Globalpark Namen und Adressen jedenfalls der Studis, die unvorsichtig genug sind, um an dem angehängten "Gewinnspiel" teilzunehmen. Die Redaktion ist gespannt, ab wann Studierende, die angeben, mir ihrem Latein am Ende zu sein oder öfter überfordert zu sein, entsprechende Angebote für Kurse zugesandt bekommen...
Aber wie gesagt, das größte Drama ist die Dokumentation der kompletten Realitätsferne des Rektorats. Um diese wahrhaft kosmische Peinlichkeit auch nachfolgenden Generationen zu erhalten, haben wir den Studi-Fragebogen dokumentiert (er ist von hier natürlich nicht funktionsfähig). Lest selbst, was der Rektor da wissen will und ärgert euch
Machen wir uns aber nichts vor: derartige Fragebögen sind -- neben studentischen "Beiträgen" in Form von Gebühren die Mitbestimmung der Zukunft. Früher gab es mal Gremien, in denen mensch immerhin die mehr oder minder glaubhafte Illusion von Mitwirkungsmöglichkeiten vermittelt bekam und jedenfalls die Möglichkeit hatte, halbwegs zeitnah von den finsteren Plänen du jour zu erfahren. Heute wird ist Ankreuzen das Äußerste, was Studierenden in der Hinsicht zugestanden wird -- dafür wurde im Senat auch noch nie ein Gewinnspiel gemacht.
Auch den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde ein Fragebogen zugesandt. Vermutlich soll er ähnliche Assoziationen zu Mitwirkung und Mitgestaltung wecken. Ausgelöst hat er bei vielen aber eher die Vermutung, es handle sich um einen Persönlichkeits-, wenn nicht gar Gesinnungstest.
Nun, mit dem ganzen Quatsch sind wieder mal Verwaltungsgebühren von etlichen hundert Studis durchgebracht worden. Irgendwo muss das Geld ja hin, denn sonst wären die Kassen irgendwann nicht mehr leer, und wie sollte mensch dann die Leute von der Notwendigkeit der Konterreformen überzeugen?
Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Aus gut unterrichteten Kreisen ist uns die Umfrage für Rektorats-Mitglieder zugegangen. Leider ist auch sie nicht lustig.
1 Der 1924 gegründete "Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung" wurde 1936 in "Reichsausschuss für Arbeitsstudien" umbenannt und wirkte in der Deutschen Arbeitsfront eifrig an der Produktivitäts- und Motivationssteigerung mit, die für den deutschen Feldzug nötig schien. Die REFA-Leute waren dabei so erfolgreich, dass sie das Kürzel REFA bei der Neugründung 1946 beibehielten und noch heute tragen. Die Arbeits- und Organisationspsychologie darf als wissenschaftlicher Arm der REFA gelten. [Zurück]
2 Eine Präsupposition ist in der Linguistik eine Aussage, die richtig sein muss, um über den Wahrheitsgehalt der gerade untersuchten entscheiden zu können. So kann etwa "Findest du es gut, strunzdumm zu sein" nur dann mit Ja oder Nein beantwortet werden, wenn der/die GefragteR strunzdumm ist. [Zurück]
Dieser Artikel wurde zitiert am: 28.06.2006
Jetzt beantragen, ab dem 31.1. gewinnen
Es sage niemand, an der Uni Heidelberg bewege sich nichts -- vor nicht ganz einem Jahr hatten wir an dieser Stelle beklagt, der Vergabemodus für die zentralen Mittel für Fachtutorien sei, bedingt durch das Desinteresse des Rektorats für Fragen der Lehre, endgültig unsinnig geworden. Kurzfassung: Das Ministerium hat vor 15 Jahren den Instituten haufenweise Mittel für Tutorien gekürzt und dann einen kleinen Teil davon dann unter dem Label "Bündnis für Lehre" wieder zurückfließen lassen.1 Dieser Rückfluss wurde dann kanalisiert, es wurde daraus das "Heidelberger Modell" für die Bildung von Schlüsselkompetenzen finanziert, rund 400000 Euro (für die ganze Uni!) gingen zurück in die Finanzierung von Fachtutorien. Bis vor zwei Jahren wurden die Mittel in einem Antragsverfahren von der Abteilung Schlüsselkomptenzen des ZSW verwaltet.
Da das Beantragungsverfahren etwas mühsam war und die eher indifferente Haltung zu Fragen der Lehre an der Uni nicht auf das Rektorat beschränkt ist, waren im letzten Jahr, in dem noch Anträge gestellt werden konnten, viele Fächer leer ausgegangen, während etwa die Physik alleine über 10% des Etats erhielt.
Als nun ein paar Stellen am ZSW ausliefen (hatten ja nur mit Lehre zu tun...), gab es auch kein jährliches Antragsverfahren mehr, und so wurden diese Mittel einfach jedes Jahr weiterüberwiesen, ob die Insitute sie brauchten oder nicht. Nun ist es klar, dass niemand sich über zusätzliche Gelder beklagen würde, aber es konnte durchaus sein, dass wegen Mangels an Konzepten die Mittel verplempert werden. Es gab ja keinerlei Kontrolle mehr, wie diese Gelder eingesetzt werden.
Im Dezember nun wurde im SAL darüber diskutiert, wie ein neuer Verteilungschlüssel aussehen könnte. Ob Gießkannenprinzip oder nach "Leistung" (pikanterweise bemessen nach Absolventenquoten), die vorgeschlagenen Verfahren wären mit viel Aufwand verbunden gewesen. Den wollte man sich sparen (es geht ja um Lehre) und es bei den "historisch gewachsenen Strukturen belassen" (Aus Tradition in die Zukunft -- das Motto der Uni Heidelberg), da es sich mehr Nachdenken nicht lohne: In 3 Semestern, sobald es Studiengebühren gibt, müsse man die Gelder wieder ganz anders verteilen.
Nach nicht allzulanger Diskussion -- es war eine Rekordsitzung von 40 min, da die Vorsitzende wie immer terminlich bedingt wegmusste -- einigte man sich im Schnellverfahren darauf, dass man diese Ungerechtigkeit nicht bestehen lassen könne. Immerhin ist ja seit Rawls bekannt, dass eine ungleiche Verteilung der Güter nur gerecht sein kann, wenn auch die am wenigsten Begünstigsten den größtmöglichen Vorteil davon haben. Aber dass die Physik so viel Geld für Tutorien hat und die Philosphie keines, bringt den Philo-Studis rein gar nichts, außer den wenigen, die auch noch Physik studieren.
Also: man hat beschlossen, die Höhe der bisherigen Zuweisungen um 50% zu kürzen und das freigewordene Geld für Neuanträge freizugeben. Damit es diesmal auch alle mitbekommen, wurden alle Institute brav angeschrieben. Es bringt mehr Aufwand für alle, aber hoffentlich auch mehr Gerechtigkeit, da so der Zugang zu den Gütern (Tutoriengelder) auch an Ämter (Gremienmitgliedschaften) gebunden ist, die im Wettbewerb (Wahlen) allen zugänglich sind.
Beantragungsfrist ist der 31.01.06. Also haut rein, Leute! Oder kümmert euch drum, dass die in eurem Fach Zuständigen reinhauen.
1 Um zum Schaden noch den Spott zu gesellen, wird mittlerweile noch die Behauptung zirkuliert, die Mittel stammten aus Langzeitstudiengebühren. Dass diese noch gar nicht erhoben wurden, als das Ministerium den Unis sein "Bündnis" aufzwang, stört dabei natürlich nicht. Zur verqueren Logik hinter solchen Argumentationen empfehlen wir noch die denkwürdigen Äußerungen des Ministers in der Verwaltungsgebührendebatte ("Also, ob man nun jemand 16 Millionen Euro direkt gibt oder ob man ihn davon ausnimmt, dass er die gibt, das kommt auf das gleiche heraus"). [Zurück]
Dieser Artikel wurde zitiert am: 08.03.2006
Warum Medizinstudierende nicht schlechter behandelt werden wollen als Laster
Aus aktuellem Anlass melden sich auch die Medizinstudierenden zu Wort. Die Fachschaft Medizin Mannheim ruft dazu auf, die Aktionen der BVMD zu unterstützen. (Die BVMD ist die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V., der Zusammenschluss aller Medizinfachschaften und der DFA-Lokalvertretungen Deutschlands.) Nach deren Aussage befindet sich die Ärzteschaft in Deutschland im größten Aufruhr seit Jahrzehnten und will die miserablen Arbeitsbedingungen nicht mehr hinnehmen, die in langen Diensten, vielen unbezahlten Überstunden, immenser Verwaltungsarbeit und einer im westeuropäischen Vergleich deutlich unterdurchschnittlichen Bezahlung bestehen. "Bei Famulaturen, Praktika und durch bekannte Ärztinnen und Ärzte erfahren wir schon im Studium, wie es in den Krankenhäusern und Praxen aussieht. Jetzt ist die Zeit der Entscheidung, in der sich zeigen wird, ob der Arztberuf in Deutschland auf Jahre hin kläglich bleibt oder eine Wende zum Besseren erreicht wird. Wir Studierenden können dazu unseren Beitrag leisten." So die FS Medizin Mannheim. Konkret ruft sie dazu auf, im Bekanntenkreis Unterschriften zu sammeln.
Die BVMD fordert eine deutliche Verbesserung der Arbeitszeiten und der Entlohnung von Ärzten in deutschen Krankenhäusern sowie eine Neuordnung von Arbeitsaufgaben und -abläufen: "Unter den miserablen Arbeitsbedingungen drohen eine massive Auswanderung gut ausgebildeter Ärzte und ein Einbruch in der Qualität der Patientenversorgung. Mit einer Unterschriftensammlung wollen wir durch die große Zahl eurer Namen den Verantwortlichen auf Arbeitgeberseite und in der Politik den Ernst der Situation verdeutlichen."
Bereits im Dezember hatte die BMVD erklärt: "Mittlerweile sind wir an dem Punkt angelangt, an dem ein großer Anteil der Medizinstudierenden konkret überlegt in der Zukunft im Ausland zu arbeiten oder aber erst gar nicht zu praktizieren. Zudem leidet die Qualität der Patientenversorgung massiv unter den Arbeitsbedingungen der Ärzte. Ein Arzt in Deutschland operiert noch nach 18 Stunden - einen Bus oder LKW zu fahren ist bereits nach der Hälfte dieser Arbeitszeit strafbar!"
Mit bis zu 80 Wochenstunden Arbeitszeit, deutschlandweit Millionen unbezahlter Überstunden, vielen langen Bereitschaftsdiensten sowie dem stetig steigenden bürokratischen Aufwand wird die ärztliche Arbeit immer schwerer zu leisten und zu einer Gefahr für Ärzte und Patienten. Durch das in Deutschland im westeuropäischen Vergleich extrem niedrige Grundgehalt sind die Krankenhausärzte schon seit Jahren gezwungen, durch Bereitschaftsdienste ihr Gehalt aufzubessern. Die Verschleppung der Umsetzung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinien durch die Bundesregierung und die Krankenhausbetreiber, sowie der neue "Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst" (TVöD) und die darin geänderte Bewertung von Dienst und Überstunden führen zu einer weiteren massiven Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Wer nicht zahlen kann, muss schaffen
Auch wenn offizielle Stellungnahmen noch Mangelware sind, wird im Zusammenhang mit der "Debatte" um Studiengebühren in letzter Zeit sowohl vom Rektorat als auch vom MWK immer öfter das Schlagwort "Work on Campus" flotiert. Die andernorts schon erprobte Idee ist einfach: Studierende sollen für die Universität arbeiten und dafür kein Geld bekommen.
Damit das nicht allzu ungerecht erscheint, wird ihnen erzählt, ihnen seien dafür Studiengebühren (die sie in einer halbwegs vernünftigen Gesellschaft ja erst gar nicht zahlen müssten) erlassen worden. Aber akzeptieren wir mal für einen Moment die verquere Gebührenlogik: Studierende arbeiten beispielsweise 10 Stunden pro Woche als TutorIn (mit Vorbereitung und ggf. Korrekturen kommt das leicht zusammen) und "sparen" sich dadurch 500 Euro Gebühren im Semester. Der Stundensatz für Hilfkräfte an der Uni hingegen beträgt nach den jüngsten Lohnkürzungen derzeit 7.53 Euro, was sich bei rund 15 Wochen pro Semester in um die 1200 Euro übersetzt. Work on Campus heißt also: Je nach Sicht der Dinge kriegt ihr 700 oder 1200 Euro abgeknöpft1.
Da reiche Leute sich auf solche Deals nicht einlassen werden, läuft Work on Campus also auf einen für die Uni günstigen Zugang zur Arbeitskraft zahlungsschwacher Studis hinaus. Ein echtes Arbeitsverhältnis entsteht dadurch natürlich nicht, was schon arbeitsrechtlich einige spannende Fragen aufwirft: Es gibt keine Sozialversicherung, was mit Arbeitsunfällen ist, ist unklar...
Dabei darf als gewiss gelten, dass die bisherigen regulären Wihi-Stellen2, schon jetzt geradezu sündhaft teuer im Vergleich zu 1-Euro-Jobs (die allmählich in den Bibliotheken Einzug halten), ganz unattraktiv werden im Vergleich zu Arbeit zum Nulltarif in Form von WoC-"Stellen". Dementis solcher Überlegungen seitens des Rektorats dürfen getrost in die Ablage "Erhebet die Herzen" sortiert werden. Wer will sich daran noch erinnern, wenn WoC erst einmal eingeführt ist -- und wer könnte Substitutionen dieser Art überprüfen, wo schon im Rahmen der Budgetierung durch "Impulse" niemand mehr die Buchungstricks der Verwaltung versteht.
Propagandistisch richtig aufbereitet allerdings macht WoC ein praktisches Hintertürchen auf, durch das nach außen Aktivitäten zur Verbesserung der Lehre vorgespielt werden können ("mehr" Tutorien, "Hilfe" für sozial schwache Studierende), während intern niemand merkt, dass die gesetzesgemäß zweckgebundenen Studiengebühren, mit denen ja angeblich die Lehre verbessert werden soll, per Kürzung des Wissenschaftshaushalts längst in Straßenbau, Überwachungskameras oder die Hände smarter InvestorInnen geflossen sind.
Außer Tutorien fällt dem Rektorat derweil nicht soviel ein in Sachen Verbesserung der Lehre -- BrainUp-Exzellenzinitiativen und verwandter Mumpitz nehmen in den dort präsenten Köpfen praktisch den gesamten Raum ein. Wo mensch schon mal angefangen hat: Warum sollte man eigentlich nicht die bisher für Tutorien und Übungsgruppen verwendeten Mittel, die in den meisten Fällen gar nicht zweckgebunden sind, auch gleich woanders hinfließen lassen?
Bereits bisher stieß die Praxis der Vergabe von Wihi-"Stellen" immer wieder auf Kritik. Es gibt Institute, in denen Wihi-Gelder an Leute gehen, für die es keine Stellen gibt, die aber bei Prof. xy promovieren. In anderen Instituten ist Voraussetzung für das Ergattern eines Wihi-Vertrags eine 1,0 in der Zwischenprüfung. Am nächsten Institut wieder nimmt man auch einfach irgendwen, damit die Mittel nicht verfallen. In dem Sinn könnte WoC eine gute Nachricht sein, denn damit wäre in Zukunft zumindest ein Vergabekriterium einheitlich: Dünnes Konto.
Auch ein Blick in der Vergangenheit enttäuscht nicht, denn die Attraktivität von Arbeit zum Nulltarif hat nicht erst das aktuelle Rektorat entdeckt. Schon vor gut zehn Jahren stellte der damals vor später glücklicherweise wieder vergessenen Ideen sprudelnde Prorektor Greiner Überlegungen an, ob nicht die Aufsichten in Bibliotheken ehrenamtlich zu leisten wären. In kleinen Instituten ist dies tatsächlich nicht unüblich, da dort keinerlei Mittel für Aufsichten vorhanden sind. Was aber nun passiert, wenn eine ehrenamtliche Aufsicht ausfällt und die Bibliothek eben einen ganzen Tag geschlossen ist , was passiert, wenn diese Kraft klaut oder Bücher verleiht, die nicht verliehen werden dürften, wenn sie falsche Auskünfte gibt, solche Fragen brachten die Diskussion damals zu einem Ende.
Ebenfalls diskutiert wurde seinerzeit, ob man nicht das Abhalten eines Tutoriums für Lehramtsstudierende als Fachdidaktik verrechnen könne und so in den LA-Fächern zugleich das Angebot an Fachdidaktik (superkostenneutral) verbessern würde.
Auch diese Diskussion wird jetzt wieder aufgewärmt, dieses Mal von der Abteilung Schlüsselkompetenzen des ZSW, die im November über einen breiten Verteiler ein Papier zur Vermittlung von, nun, eben "Schlüsselkompetenzen" in den neuen gestuften Studiengängen verschickt hat. Das Abhalten von Tutorien und auch Beratungen (hier würde man sich auf Studierende bestimmter Fachrichtungen beschränken) würde nach diesem Konzept Scheine geben, gar obligatorische Studienleistung werden. Besonders attraktiv ist dieser Plan natürlich für die derzeit vor allem in den ehemaligen Magisterfächern an den künftigen BA-Prüfungsordnungen herumbosselnden Profs. Diese nämlich kämpfen nachhaltig mit den in allerlei Eckwertepapieren vorgesehenen "Ergänzungsbereichen" mit "Berufsorientierung", die kaum sinnvoll mit Inhalt zu füllen sind. Scheinlösungen (im doppelten Sinn) von zentraler Stelle kommen da wie gerufen.
Nicht, dass wir etwas gegen ehrenamtliche Arbeit hätten: Beratung in Fachschaften, nightline, unserethalber auch Lehre im Fahrradschrauben (URRmEL) oder engagiertem Journalismus (UNiMUT) ist eine feine Sache, eine feine Sache übrigens, die bereitzustellen sich offenbar mit jedem Konterreformschritt immer weniger Studis leisten können. Doch hat freiwilliges Engagement mit selbstbestimmter Agenda rein gar nichts mit Leistungsnachweisen (Zwang) oder dem platten Verkauf der Arbeitskraft (Fremdbestimmung) zu tun. Und damit haben wir die beiden Kernbegriffe all der Ideen zu WoC.
1 Geld freilich, das die Uni spart -- bei der ist allerdings von vorneherein klar, dass der Betrag 700 Euro sein wird, denn die Studiengebühren sind direkt oder indirekt im Landeshaushalt bereits vervespert. [Zurück]
2 Die Anführungszeichen stehen hier, weil es keine Wihi-Stellen gibt. WiHis werden in aller Regel aus Sachmitteln finanziert, die genausogut auch Bücher, Klopapier oder repräsentative Notebooks für den Ordinarius kaufen können. [Zurück]
Dieser Artikel wurde zitiert am: 19.04.2006
VRN -- Ärger programmiert
Keine Panik: Der "Kompromiss", den Rektor und VRN vor gut einem Jahr ausgehandelt haben, hält: Das Semesterticket ist nicht in Gefahr, der Vertrag wird bis 2009 laufen, vorerst stehen keine weiteren lästigen Verhandlungsrunden bevor.
Wir werden allerdings im nächsten Semester den 13. Geburtstag des Heidelbergers Semesterticket erleben, und damit kommt das Semesterticket in die Pubertät, eine Zeit in der allerlei in Frage gestellt wird. Für uns, quasi die Erben der Eltern, heißt die Frage: Wie soll es mit dem Ticket, an das wir uns so gewöhnt haben, weiter gehen? Laut Vertrag ist die Entwicklung klar: im WS 08/09 wird uns das Ticket 120 Euro kosten, alle Studis zahlen mit dem Sozialbeitrag 20 Euro (Sprachregelung: das ist der "Sockelbeitrag" als feste Subvention der Heidelberger Studierenden für den VRN). Bis dahin haben wir Preissteigerungen in Schritten von je 10 Euro, und wenn alles so weitergeht wie bisher, kriegen wir für jährlich mehr Geld die alte Leier.
Das Ticket war schon 1993 bei einem Preis von lediglich 100 DM und 19 DM Sockelbeitrag eine echte Cash Cow für den Verkehrsverbund. Inzwischen zahlen wir rund das Doppelte und haben dafür eine Taktverbesserung auf wenigen ausgewählten Linien, das Abendticket (für die zusätzlichen 5 Euro Sockelbeitrag aus den Verhandlungen 2002) und das Anschlussticket nach Karlsruhe (mit Extrakosten, versteht sich) bekommen. Mehr zu dieser unendlichen Geschichte könnt ihr übrigens in unserem Schwerpunkt zum Studiticket nachlesen. Keine aufregende Bilanz angesichts des jahrelangen treuen Beitrags der Studierenden zur finanziellen Gesundheit meist schlecht geführter Verkehrsunternehmen.
Im Rahmen der Verhandlungen 2004 hat die FSK eine Umfrage unter Studierenden gemacht, bei der deutlich wurde, dass weniger als 15% der Studierenden bereit sind, mehr als 100 Euro für dieses Ticket zu bezahlen. Im nächsten Wintersemester sind wir dann so weit. Was für eine Konsequenz wollen wir daraus ziehen? Diese Frage stellt sich nicht nur uns, dem AK Semesterticket, auch an verschiedenen anderen Ecken der damals zerbrochenen Koalition der Gerechten (also der diversen Studivertretungen in der VRN-Region) werden Stimmen laut, dem VRN müsse jetzt eine entscheidende Verbesserung des Angebots entlockt werden.
Eine Möglickeit wäre, auf Taktungsverbesserungen mancher Linien zu bestehen, eine weitere ein größeres Übergangsgebiet in Richtung Frankfurt zu verlangen. Wie auch immer die Forderungen aussehen -- ohne eine bessere Verhandlungsposition bleibt das alles Wunschdenken, und um uns in eine bessere Verhandlungsposition zu manövrieren, ist öffentliche Präsenz von Nöten.
Und da seid dann ihr alle gefragt! Zuerst gilt es, die Koalition der Gerechten wieder aufzubauen. Der AStA Mannheim hat schon den ersten Schritt getan und uns darauf angesprochen. Um wirksame Aktionen zu koordinieren, müssen wir unsere Reihen wieder dichten, denn sie haben sich "abschlussbedingt" gelichtet. JedeR, der/die hier was reißen will, ist willkommen und sollte sich unter semtech@fsk.uni-heidelberg.de melden. Dann können wir auch richtig in Aktion treten, was wohl zunächst auf eine Vollversammlung zum Thema hinausläuft. Und dann? Mal sehen...
Mit einem starken, eventuell auch durch eine erneute Umfrage gestützten, Mandat sind wir gewappnet, das Türchen zur Verhandlung zu öffnen, welches im Vertrag eingebaut ist: Sollten die Verkaufszahlen des Tickets unter 50% der Studierenden fallen, ist die Möglichkeit der Neuverhandlung da.
Man muss dem Monopolisten VRN einfach die Grenzen zeigen -- wir sind nicht bereit, alle Kapriolen seiner Preispolitik mitzumachen! Wir können nicht hinnehmen, dass der Preis steigt und die Leistung eher sinkt -- denn wer mal in der überfüllten S-Bahn stand oder noch zu durchaus christlichen Zeiten an durchaus belebten Stellen eine halbe Stunde an der Bushaltestelle gefroren hat weiß: Sie lässt überall noch zu wünschen übrig.