Studiengebühren vor Gericht - Öffentliche Verhandlung zur VerfassungsmäßigkeitAm 24.04.1997 wurde mit den Stimmen von CDU, FDP und Republikanern das Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) verabschiedet. Dieses von Anfang an umstrittene Gesetz, führte in Baden-Württemberg allgemeine Studiengebühren in Höhe von 1000,- DM je Semester ein. Durch die gleichzeitige Einführung des sogenannten "Bildungsguthabens" setzt die Zahlungspflicht für die meisten Studierenden bei Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als vier Semester ein. Dabei ist die Regelstudienzeit als technokratischer Orientierungswert zu verstehen, in der ein Studium abgeschlossen werden könnte, wenn die hochschulinternen und externen Rahmenfaktoren stimmig wären. Die Wirklichkeit zeigt zum Einen, dass viele Fächer in der Regelstudienzeit nicht studierbar sind und nimmt zum Anderen keinen Bezug auf die unterschiedlichen biografischen Hintergründe von Studierenden.
Zahlreiche Studierende hatten vor den Verwaltungsgerichten gegen das Gesetz geklagt. Nach Durchlauf der ersten Instanz, stellten die klagenden Studierenden Antrag auf Zulassung der Berufung. Aufgrund der vorgetragenen ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel und der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ließ der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu.
Am Donnerstag, den 06.04.00 um 13.30 werden die ersten vier Verfahren vor dem VGH Mannheim verhandelt (Schuberstr. 11). Gegenstand der Klagen ist u. a. die Verletzung der Berufs- und Ausbildungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, da bei Nichtzahlung der Gebühr nur die Exmatrikulation und somit der zwangsweise Abbruch des Studiums bleibt. Zudem verstößt die landesweite Erhebung von Studiengebühren gegen Bundesrecht, das vorsieht, den Hochschulunterricht insbesondere durch Unentgeltlichkeit jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen. (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Neben grundsätzlichen Bedenken gegen die Erhebung von Studiengebühren bestehen auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des so genannten "Bildungsguthabens". Durch die rückwirkende Anrechnung aller bisher Semester -auch vor der Verabschiedung des Gesetzes und sogar außerhalb Baden-Württembergs absolvierter - steht nicht allen Studierenden ein gleiches "Bildungsguthaben" zur Verfügung, wodurch die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) vorliegt.
Auch ist dem Abgabenrecht eine Begünstigungskomponente, wie sie das "Bildungsguthaben" darstellt, fremd. Zur Sprache kommen dürfte des weiteren die haushaltsrechtliche Behandlung der Einnahmen, die entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht oder nur unvollständig im Staatshaushaltsplan ausgewiesen werden. Fraglich ist weiterhin, inwieweit im Bereich des Existenzminimums eine Gebühr dieser Höhe zulässig ist, die etwa 10 bis 20% des Brutto-Jahreseinkommens der Betroffenen ausmacht. Das Wissenschaftsministerium unter Klaus von Trotha hat in einem 1999 selbst erstellten Bericht "Die soziale Lage der Studierenden in Baden-Württemberg" darauf hingewiesen, dass mittlerweile 67% der Studierenden dauerhaft erwerbstätig sind, wobei die Sicherung des Lebensunterhalts entgegen der landläufigen Meinung den Hauptgrund für die Erwerbstätigkeit darstellt. 16% der Studierenden finanzieren sich neben ihrer Ausbildung (fast) vollständig selbst. "Meine Erfahrung aus der Sozialberatung offenbart die faktisch vorhandene soziale Schieflage vieler KommilitonInnen" äußert sich Beate Jörger, Sozialreferentin des u-asta der Uni Freiburg. "Den Lenkungserfolg des Gesetzes an Exmatrikulationszahlen zu messen, ist unverständlich und verantwortungslos. Es liegt auf der Hand, daß mit finanzieller Repression trefflich gelenkt werden kann, denn KommilitonInnen, die nicht zahlen können, haben keine Chance ihre Ausbildung zu beenden, sie bekommen ihr Studium abgebrochen" kritisierte Jörger.
"Neben Semesterbeitrag, Verwaltungsgebühren und Prüfungsgebühren werden die Studierenden nun auch noch über Studiengebühren an der Hochschulfinanzierung beteiligt. Der Ausverkauf und die Privatisierung der Bildung als öffentliches Gut geht so schleichend vonstatten, daß viele es erst merken, wenn es zu spät sein wird", sagt David Furminieux vom bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS). "Allerdings sind sowohl die Verwaltungsgebühr (100,-DM je Semester) als auch die Prüfungsgebühr für Rechtsreferendare im Zweiten Staatsexamen (500,-DM) bereits als verfassungsrechtlich unzulässig eingestuft worden, woraufhin der Einzug dieser Gebühren ausgesetzt wurde", so Furminieux weiter. "Wir hätten diese Problematik auf Landesebene nicht, wenn ein ausdrückliches Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz verankert wäre", ergänzt Jörg Beger, Studierendenvertreter der Gerwerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW).
Die KlägerInnen gehen nun gut gerüstet in die zweite Runde der bundesweit richtungsweisenden Entscheidung zum Thema Studiengebühren.
Diese Presseerklärung wurde verfaßt von VertreterInnen folgender Gruppierungen:
LAK (Landesastenkonferenz), ABS (Aktionsbündnis gegen Studiengebühren), FiBS e.V (Freiburger Initiative gegen Bildungsabbau und Studiengebühren), GEW -LASS (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, Landesausschuß der Studentinnen und Studenten), u-asta Universität Freiburg, UStA Universität Karlsruhe, anti1000-Arbeitskreis gegen Studiengebühren Karlsruhe
Es war nach der derzeitigen politischen Grosswetterlage fast nicht anders zu erwarten: die Klagen von zwei Freiburger und zwei Heidelberger Studierenden gegen Trothas 1000 DM "Langzeitstudiengebühren" in Baden-Württemberg wurden in der Berufungsinstanz vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim heute zurückgewiesen. Die Begründung ist noch nicht bekannt, sobald wir mehr Infos haben, wird sie (zumindest in wesentlichen Auszügen) an dieser Stelle zu lesen sein.
Der persönliche Triumpf von Trothas in Baden-Württemberg wird voraussichtlich in eine bundesweite Gesetzgebung für die Einführung von allgemeinen Studiengebühren zumindest ab dem 14. Semester (vorerst) einfließen. Zwar vertagte sich am Montag eine Arbeitsgruppe mehrerer Länder-Wissenschaftsminister nach zweieinhalbstündiger Beratung auf Ende Mai, doch schien eine Einigung auf einheitliche Gebühren absehbar. Zuvor hatte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn in Berlin indirekt für die Erhebung von Gebühren bei Langzeitstudenten plädiert. Zwar wolle die Bundesregierung weiterhin ein kostenloses Erststudium ermöglichen; das heiße aber nicht, `dass man 30 Semester braucht". Bei der nächsten Beratung Ende Mai stehen erneut die Modelle des SPD-Politikers Zöllner und seines baden-württembergischen CDU-Kollegen Klaus von Trotha zur Diskussion. Von Trotha kassiert ab dem 14. Semester Studiengebühren von 1.000 Mark; Zöllners Kompromissvorschlag geht von einer durchschnittlichen Gesamtstudienzeit von 160 Semester-Wochenstunden aus und sieht ein Gebührenverbot für 200 Wochenstunden vor. von Trotha hat sich bereits positiv zu diesem Vorschlag geäußert. Die rot-grüne Bundesregierung verkauft diese absehbar Lösung zur Zeit bereits euphemistisch als "Verbot von Studiengebühren für das Erststudium", was über die tatsächliche Einführung von Studiengebühren hinwegtäuschen soll.
Äusserungen des "bildungspolitischen" Sprechers der Grünen, Matthias "Innovationseliten" Berninger, am vergangenen Wochenende gegenüber Focus (ja, die Zeitschrift mit dem unsäglichen Mathe-Ranking-Trick damals, d.S.) veranlasste gestern AP in einer Überschrift zu titeln: "Berninger für 1.000 Mark pro Semester - Röstel hält Vorschlag für diskutierbar". Die Vordenker der Frankfurter Schule würden sich im Grabe herumwälzen, könnten sie sehen, in welchen Sätzen ihr Jargon ("diskutierbar") sich inzwischen wiederfindet, denn das heisst nichts anderes, als dass es jetzt (endlich offen) die Superkoalition aus SPD, FDP, CDU, Republikaner und B'90/Die Grünen gibt: Alle wollen Studiengebühren, und vorerst können alle mit "Bildungsgutscheine für die ersten 14 Semester" (die jedeR mit der Geburt "erwirbt") leben. Wie lange noch, bis der Konsens die griffige Formel "Langzeitstudenten = Serben" umfasst?
Zitat Berninger im Focus: "Die Universitäten müssen sich als Dienstleister und die Studenten als Kunden verstehen". Abgesehen von den grammatosozialen Fehlleistungen (Universitäten sind immer noch Dienstleisterinnen und "Studenten" heisst wohl heute Studierende), zeugt dieser Satz von der maßlosen Borniertheit eines typischen Parteikarrieristen, der statt eines ernstzunehmenden Konzepts von "Universität" nur neoliberales Geplapper bietet (Zur Erinnerung: Berninger 1997). Da ist der VGH Mannheim schon fortschrittlicher bzw. achtsamer in seinen Formulierungen und textet in einer aktuellen Pressemitteilung zum Urteil : "Der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat die Berufungen von vier Studierenden, die sich gegen Studiengebührenbescheide zur Wehr gesetzt hatten, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2000 zurückgewiesen. Zugleich wurde die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen." Dass sich die Studierenden in den letzten Jahren mit Trothas bildungspolitischen Einfällen herumschlagen mussten und sich auch viele "zur Wehr" setzten, blieb dem VGH nicht verborgen.
Gerichte können bei der Urteilsfindung nie ganz unabhängig von der allgemeinen politischen Lage und Stimmung sein, auch wenn manche das nicht so recht glauben wollen. Dem VGH Mannheim ist mit diesem Urteil kein Vorwurf zu machen, passt doch das Ergebniss verhältnismässig gut in die derzeitige "politische Landschaft". Die leisen Zweifel, die mensch bei dem Urteil haben könnte, berücksichtigte der VGH im letzten Satz, der besonders hoffen lässt: Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin wurde zugelassen, weil sich die RichterInnen klar waren, dass ein endgültiges Urteil hierbei von bundespolitischer Relevanz ist, da ja davon beispielsweise auch internationale Abkommen wie der "Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" betroffen sind. Für die Revision wird allerdings Geld benötigt, was sicher nicht ganz einfach zu beschaffen sein wird. Zunächst müssen die Klägerinnen (im Endeffekt die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) und der u-asta Uni Freiburg) die Kosten des Urteils übernehmen.
Heute ist mal wieder ein schwarzer Tag für alle Studierenden, mag der eine oder die andere denken. Aber wer weiss, vielleicht schaffen es die Studierenden (gemeinsam auch mit denen in bisher von Studiengebühren "verschonten" Bundesländern) ja doch noch, gegen die rot-schwarz-gelb-grün-braune Einheitspartei beim Thema "Studiengebühren" kräftig anzustinken. Oder sind das nur leere Träume der UNiMUT-Redaktion?
Trotha kommentierte das Ergebnis inzwischen in einer Pressemitteilung - offenbar hat er die Begründung schon oder bedarf ihrer nicht zum Kommentieren.
Er sei nur grau-blau, nicht schwarz, beteuert der Heidelberger CDU-Bundestagsabgeordnete (Landesliste) Karl A. Lamers. Gemeint ist sein am Dienstag im ICE auf dem Weg vom Essener Parteitag nach Berlin geklauter Koffer. Lamers weilte zum vermutlichen Zeitpunkt des Diebstahls ins Gespräch vertieft im Speisewagen. Großen Gewinn können die DiebInnen jedoch nicht machen, es seien keine Schätze oder gar Geld im Koffer gewesen, behauptet Lamers.
Die Unimutredaktion empfiehlt: "Lassen Sie ihr Gepäck nie unbeaufsichtigt!"
Das Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) bleibt weiterhin an der Universität Heidelberg. Dies teilte Minister von Trotha am 12.April in Stuttgart mit. In der Pressemitteilung Nr. 82/2000 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) vom 12. April 2000 heisst es hierzu:
"Hintergrund dieser Entscheidung war die Empfehlung der Hochschulstrukturkommission Baden-Württemberg, das Institut in den Fachhochschulbereich zu verlagern. "Nach intensiver Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte durch das Wissenschaftsministerium haben wir uns entschieden, die Empfehlung der Hochschulstrukurkommission nicht umzusetzen, sondern das Institut an der Universität Heidelberg zu belassen", sagte von Trotha. Eine Vielzahl von unwiderlegbaren Argumenten habe für diese Entscheidung gesprochen. Der Minister nannte in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Gründe:
Eine aktuelle repräsentative Studie der Universität Mainz, unterstützt von der Europäischen Union, belegt eine ganz erhebliche Nachfrage nach Dolmetschern mit Arbeitssprache Deutsch auf Universitäts-Niveau.
Die Studie ergab ferner, dass das IÜD die wichtigste Institution für die Ausbildung von Diplom-Dolmetschern in Europa ist. Von 550 befragten und in der EU beschäftigten Diplom-Dolmetschern erwarben 15% ihr Diplom in Heidelberg, 12,8% in Germersheim, 5,6% in Saarbrücken, Paris 6%, Genf 3,96% und FH Köln 1,13%.
Das IÜD hat mit einem hohen Anteil ausländischer Studierender (25,25%) und einem sehr hohen Frauenanteil (87,88%) eine herausgehobene Bedeutung.
Übersetzer und Dolmetscher arbeiten nicht mehr nur im klassischen Bereich der reinen Sprachvermittlung. Die IÜD-Absolventen arbeiten vielfach in neuen, spannenden und gut dotierten Berufsfeldern (Software Lokalisierung, Web-Publishing, cultural consultants, Videoconferencing, Kongressmanager usw.). In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Frage der Weiterbildung an Bedeutung.
Der Minister wies darauf hin, dass der Erhalt des Instituts an der Universität Heidelberg aber nicht bedeute, alles beim alten zu belassen. "Das Ministerium strebt eine qualitative und quantitative Überarbeitung der Studiengänge an. Dabei wird auch eine Kooperation zwischen dem Institut und einer Fachhochschule im Zusammenhang mit technischen Fachsprachen zu erwägen sein", sagte von Trotha. Um zu einer Modernisierung und zeitgemäßen Weiterentwicklung des Studienangebots am IÜD zu gelangen, plant das Ministerium die Einsetzung einer Fachkommission, die Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Ausbildungsinhalten und Ausbildungsstrukturen vorlegen soll. Dabei soll auch geprüft werden, ob und inwieweit eine engere Zusammenarbeit mit Fachhochschulen angestrebt werden soll. Die Kommission, die aus Vertretern von Hochschulen, der Wirtschaft, des Berufsverbands und der Übersetzungsdienste zusammengesetzt sein wird, soll noch vor der Sommerpause ihre Arbeit aufnehmen.“
Die Darstellung des Ministeriums suggeriert, dass die Beschlüsse der Hochschulstrutkturkommission (HSK) von juristischer Bedeutung sind. Dies ist aber nicht der Fall: die HSK ist kein im Gesetz vorgesehenes Gremium und hat keinerlei Rechte, Pflichten oder Befugnisse. Allerdings läßt sich die Politik gerne von unabhängigen Kommissionen beraten. Bekannt geworden ist zum Beispiel die "Strukturkommission Lehrerbildung 2000" (kurz: "PH 2000"). Eine ihrer zentralen Empfehlungen lautete: "Die Kommission empfiehlt einstimmig die Integration der Pädagogischen Hochschulen als Erziehungswissenschaftliche Fakultät in die bestehenden Universitäten." Da das nicht das vom Ministerium ("wirsindstolzaufunserdifferenziertesHochschulsystem") erwartet Ergebnis war, verschwand ihr Abschlussbericht in der Diskussion und im Ministerium. Es gab nie eine Presseerklärung, warum die PHen nicht in die Universitäten integriert werden. In der Regel jedoch liefern unabhängige Kommissionen Ergebnisse. Aufgrund dieser zielorientierten Arbeit kann es dann allerdings offenbar schon passieren, dass Argumente übersehen werden, die sogar von Trotha überzeugen...
Da jedoch nicht alle dummen Empfehlungen vom Ministerium übergangen werden, darf man auch vermuten, dass im Hintergrund viel geklüngelt wurde. Bekanntlich hat auch das Rektorat - die Fakultät umgehend - dem Ministerium angeboten, den bisherigen (offensichtlich erfolgreich studierten) Diplom-Studiengang durch einen Bachelor-Studiengang zu ersetzen. Dass dies innovativ ist, wird die vom Minister einzusetzende Fachkommission sicher gerne aufzeigen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 13.10.2004, 20.07.2005
Gute Nachricht erhielt die UNiMUT-Redaktion von engagierten SchülerInnen, die vor kurzem eine "SchülerInneninitative für ein Jugend- und Kulturzentrum in Heidelberg" gründeten. Sie wollen einen neuen Anlauf für selbstverwaltete Räume als Ersatz für das abgerissene Autonome Zentrum im Stadtteil Bergheim unternehmen. Die SchülerInnen würden es begrüßen, wenn auch wir Studierende eine Studierendeninitative gründen und dann gemeinsam das Projekt verwirklichen und später auch gemeinsam verwalten. Wie die SchülerInnen sich das Ganze vorstellen, beschreiben sie so (zitiert aus einer Pressemitteilung vom 24.03.2000, d.S.):
Nach den Ereignissen um das Autonome Zentrum (AZ) in Heidelberg in den vergangenen Wochen haben wir, Schülerinnen und Schüler aus dem Raum Heidelberg, den Entschluß gefasst, uns einzumischen. Von verschiedensten Seiten wird darüber geredet, was Jugendliche in Heidelberg brauchen. Am geschicktesten wäre es da natürlich, die Betroffenen selbst einmal zu Wort kommen zu lassen. Genau dieses, uns zustehende Recht wollen wir jetzt in Anspruch nehmen. Nämlich selbst darzulegen, was wir wollen und brauchen. Wir sind eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die sich zusammengefunden haben, da es in Heidelberg nahezu keine Möglichkeiten für junge Menschen gibt, ihre Freizeit selbst zu gestalten, ohne auf teure Kneipen angewiesen zu sein. Dies wollen wir ändern. Sinnvolle Jugendarbeit heißt für uns selbstverwaltete Jugendarbeit. Warum? Da uns wenig so wichtig, wie unser Leben selbst in die Hand zu nehmen, für das, was wir tun, Verantwortung zu übernehmen, aber auch die Freiheit zu haben, unsere Zeit nach unseren Wünschen zu gestalten (?!!? Orginal etwas unklar, d.S.). Diese Eigenverantwortung und Eigenständigkeit ist etwas, was Jugendliche lernen sollten. Deshalb ist uns die Selbstverwaltung so wichtig. Der Wille zur Eigenverantwortung ist da, es fehlen nur die Möglichkeiten.
Von der CDU kam im Zusammenhang mit den Ereignissen um das AZ der Vorschlag, Jugendlichen eine schlichte Halle zur Verfügung zu stellen, die etwa vom Stadtjugendring verwaltet werden könnte. Wir sehen einen solchen Vorschlag als untauglich an. Zum einen wollen wir einen selbstverwalteten Raum - wie oben bereits dargelegt -, zum anderen ist das, was wir brauchen, mehr als eine schlichte Halle, in der gerade einmal Abifeten stattfinden können. Wir brauchen Räumlichkeiten, die mehr bieten. Wir brauchen Räumlichkeiten, in denen wir uns täglich zum Diskutieren und gemeinsamen Lernen treffen können. In denen die Vorraussetzungen gegeben sind Theater zu spielen, Proberäume für junge Bands einzurichten, und die es auch erlauben große Feiern zu veranstalten. Für solche Räumlichkeiten wollen wir uns einsetzen. Im Autonomen Zentrum bestanden diese Möglichkeiten. Hier konnten Jugendliche -und auch Studierende eigenverantwortlich, wenn auch immer in Absprache mit den Betreibern des AZ, Veranstaltungen organisieren. Nicht nur große Feiern, sondern auch abendliche Treffs, es bestanden Proberäume für Bands, etc. Uns Jugendlichen wurde mit dem Abriß des AZ etwas wichtiges genommen, was so nicht bleiben kann. Wir werden versuchen Kontakt mit den Fraktionen im Gemeinderat, der Verwaltung, dem Jugendrat und auch dem AZ ("AZ im Exil", d.S.) sowie allen anderen interessierten Gruppen aufzunehmen, um Gespräche zwischen allen Gruppen, die an einer Lösung dieses Problems interessiert sind, zustande zu bringen. Wir denken, daß gerade nach den Ereignissen der letzten Wochen Gespräche wieder dringend notwendig geworden sind. Über Kontaktaufnahmen von Seiten der genannten Gruppen wären wir sehr erfreut. Auch andere Jugendliche, die sich für selbstverwaltete Jugendarbeit engagieren wollen, konnen sich gerne bei uns melden.
Kontaktmöglichkeiten: e-mail: schuelerinitiative-hd@gmx.de, Tel HD/189146, Fax HD/25700.
Das erste öffentliche Koordinierungstreffen für Jugendliche (aus Heidelberg und Umgebung) sowie Studierende und alle anderen Interessierte findet am Sonntag, den 07.05.2000, um 19 Uhr im Storchennest in der Karl-Metz-Str. 1a (nette Kneipe mit Tischfussball etc., d.S.) statt.
Phil Knight ist Chef des In-Konzerns Nike (ja, Nike, also die hier), von US-Analysten als Firma des 21. Jahrhunderts gefeiert: In der New Economy hat mensch keine eigenen Fabriken mehr, sondern lässt die Produktion von Kontraktoren erledigen -- Kontraktoren, die nicht viel um ihre ArbeiterInnen geben und deren Betriebe, in denen Menschen zu Hungerlöhnen unter teils unglaublichen Bedingungen schuften, allgemein als Sweatshops bekannt sind.
Phil Knight ist auch Alumnus der Universität von Oregon in Eugene. Und wie das so ist im Lande der freien (weil marktgesteuerten) Bildung, hat er seiner Alma Mater im Laufe der letzten zehn Jahre viele Wohltaten aus den Erlösen seiner Operation erwiesen, zusammen wohl im Wert von $50 Millionen, finanziert mit dem Geld der Nike-KäuferInnen.
Doch damit ist es jetzt aus: Die Universität hat es gewagt, dem Workers Rights Consortium beizutreten, einer Vereinigung, die gegen Sweatshops vorgeht und Produktionsstätten von US-Firmen auch im Ausland inspizieren will. Nike hingegen hat schon viel in die Fair Labor Association ("Prepared by Apparel Industry Partnership" -- vgl. auch die Analyse von sweatshopwatch.org) investiert, die ebenfalls inspizieren soll -- nur eben mit einer investorenfreundlichen Agenda. Das Ergebnis: Schluss mit dem Geldsegen, "At this time, this is not a situation that can be resolved," so Knight. Nike zahlt nichts mehr.
Schlecht für die Uni, schlechter für jene Studis dort, deren Studiengebühren wenigstens teilweise aus Nike-Stipendien finanziert werden. Aber wir wollen gerecht sein: Das Sponsoring des Uni-Sports (ein großes Geschaft in den USA -- cf. z.B. fansonly.com) will Nike fortsetzen. So also sieht akademische Freiheit in Zeiten der zukunftsfähigen Marktorientierung aus.
Nike-Aktien legten gestern in New York $2.44 auf $45.63 zu.