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UNiMUT aktuell: Stirbt Portugiesisch doch?

Die Neuphilologische Fakultät profiliert sich dialektisch

Stirbt Portugiesisch doch? (06.10.2004)

Wir hatten vor knapp zwei Jahren verkündet, die Portugiesisch-Professur am IÜD werde neu besetzt. Wie naiv von uns.

Zur Erinnerung: die Professur ist seit ungefähr 8 Jahren vakant, ihre Wiederbesetzung wurde immer wieder verschleppt, zuletzt dadurch, dass die Wiederbesetzung vom positiven Votum einer Expertenkommission abhängig gemacht wurde. Diese nun war vor allem eingesetzt worden, um herauszufinden, dass das IÜD an die FH Heilbronn verlagert werden sollte. Alternativ hätte sie auch herausfinden können, dass das IÜD dringend Bachelorstudiengänge braucht. Das Institut hat den Wink verstanden, auch wenn sich die Einführung der schicken neuen Schmalspurstudiengänge gegen die Uni-Bürokratie etwas langwieriger als erwartet gestaltete.

Naiv war die Nachricht von der Wiederbesetzung der Professur damals weniger, weil das Gerücht, der Ruf sei schon draußen, nicht glaubwürdig gewesen wäre. Naiv war, die Ränkeschmiede der Uni zu unterschätzen. Flashback: 28. Juli 2004, es ist die erste vorlesungsfreie Woche des Sommersemesters. Per Email werden die Mitglieder des Fakultätsrats der Neuphilologischen Fakultät zu einer Sondersitzung geladen. Nur ein Tagesordnungspunkt steht zur Diskussion: "Einrichtung eines Instituts für Angewandte Sprach- und Literaturwissenschaft".

Zu Beginn der Sitzung wird nachträglich -- ein Trick, der so billig wie beliebt ist -- noch ein weiterer Tagesordnungspunkt bekannt gegeben: Streichung der Portugiesisch-Professur am IÜD. Dies sei, so hieß es, die einzig sinnvolle Reaktion darauf, dass die derzeitige Stellenvertreterin den Ruf auf die Professur abgelehnt hat; weitere Personen, die für die Professur in Frage kämen, gebe es nicht und bevor die Stelle wegfalle, sei es besser, sie umzuwidmen. Und zwar am besten auf Englisch, denn das sei am IÜD überlaufen und durch eine weitere Professur könne man hier die Lehre entlasten. Auf Nachfrage wurde zugesichert, dass man Portugiesisch problemlos ohne Professur weiter studieren könne -- auch Prüfungen abzulegen sei kein Problem, da es genug Prüfer für Portugiesisch am IÜD gebe. Zudem könne das Romanische Seminar das Portugiesische am IÜD mitversorgen. All dies wurde so überzeugend vorgetragen, dass auch die studentischen Mitglieder des Fakultätsrats dem Antrag auf Umwidmung zustimmten.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Argumentation als eine krude Mischung aus Bauernfängerei und Dreistigkeit. Während für das Fach Englisch eine Professur nicht reicht -- obwohl es sich um ein NC-Fach handelt, das per definitionem nicht überlastet sein kann --, kann das andere ganz ohne studiert werden. Außerdem kann offenbar jeder Prof am IÜD Portugiesisch (im Gegensatz zum evident exotischeren Englisch). In diesem Zusammenhang wollen wir ganz schweigen von den Fünfjahresplänen, die die Fakultäten vor einiger Zeit hatten vorlegen müssen und vor etwas längerer Zeit im Rahmen des Solidarpaktes auch schon Vorentscheidungen über künftige Schwerpunkte und Ausrichtungen von Professuren getroffen wurden, die nun ganz offensichtlich hinfällig sein sollen. Lusitanistik-Studierende am Romanischen Seminar (Lusitanistik heißt das Studium des Portugiesischen auf Wissenschaftlich) werden übrigens seit Jahren darauf hingewiesen, dass sie ohne den Besuch von Veranstaltungen am IÜD nicht ordentlich studieren können. Im Klartext: das IÜD versorgt die Romanistik -- fällt die Professur am IÜD weg, stirbt auch die Lusitanistik am Romanischen Seminar.

Einzig das Argument, die Bewerberlage sei schlecht, entbehrt nicht einer gewissen Stichhaltigkeit. Allerdings nur einer gewissen: die Bewerberlage ist zwar dünn -- aber vorhanden, und sie hat sich seit der Aufstellung der Berufungsliste auch wieder verbessert. Auch ist es seltsam, dass die Fakultät eine Dreierliste für eine Berufung aufstellt und es dann auf einmal heißt, diese Leute seien alle ungeeignet...

Das "Zentrum für angewandte Sprachwissenschaft", um dessen Einrichtung es in der Sitzung eigentlich gehen sollte, ist übrigens eine andere Baustelle der Fakultät: Seit ihrem Bestehen wird die Computerlinguistik in der Fakultät herum geschoben, es wurde aber kein Institut für Computerlinguistik eingerichtet. Derzeit ist der Lehrstuhl für Computerlinguistik nebst dazu gehörigem Personal und Räumen in einem Gebäude des Germanistischen Seminars untergebracht, dort sollen aber zukünftig Theologen unterkommen und die Computerlinguistik ins Neuenheimer Feld wandern. Bisher war es eher so, dass sich in der Fakultät niemand dafür stark machte, die Computerlinguistik in welcher Form auch immer "aufzuwerten".

Die Situation wurde jetzt im Rahmen der neuen Budgetierungsmodelle eskaliert, denn die eigens dafür entwickelte Software macht es so gut wie unmöglich, Institute zu erfassen, die nur eine Professur haben. Die Computerlinguistik "muss" daher mit anderen Lehrstühlen oder Instituten zusammen gelegt werden, um für die Verwaltung verwaltbar zu bleiben. Solange die Fakultät hierbei nichts wahnsinnig Innovatives vorzuweisen hat, besteht zudem die Gefahr, dass das Fach ganz platt gemacht wird. Die in der Sondersitzung der Neuphilologischen Fakultät geplante Einrichtung eines Zentrums sollte einen rettenden Innovationsschub für die Computerlinguistik darstellen. Es gab auch einmal ein Institut für Sprachwissenschaft, dieses wurde aber im Zuge früherer Reformen geschlossen.

Am Rande sei noch erwähnt, dass Portugiesisch außer in Heidelberg sonst kaum noch in Deutschland angeboten wird. Zwar führen einige romanistische Seminare Portugiesisch im Angebot, aber nur in Mainz (Außenstelle Germersheim) und in Leipzig kann man Portugiesisch Übersetzen studieren und Dolmetschen in der Ausrichtung brasilianisches Portugiesisch gibt es nur in Heidelberg. Man könnte davon sprechen, dass Heidelberg hier ein einzigartiges Profil hat; die Arbeitsmarktschancen der AbsolventInnen der Portugiesisch-Abteilung sind dementsprechend gut. Allerdings zählen diese beiden Kriterien, deren Fehlen sonst Fächern immer vorgehalten wird, im Falle des Portugiesischen nicht positiv. Hier scheinen andere Überlegungen, über die man nur spekulieren kann, leitend zu sein. Interessant ist zum Beispiel -- um noch weiter auszuholen -- dass am Romanischen Seminar gerade diskutiert wird, das Sprachenspektrum etwas zu reduzieren und zum Beispiel das Italienische zu stärken und das Rumänische (ohnehin nur über ein Lektorat vertreten) abzuwickeln. Es gab aber auch die Überlegung die Ibero-Romanistik zu stärken (hier wäre das Portugiesische dabei, aber es geht den treibenden Kräften hinter dem Programm wohl vor allem um Galizisch), dafür aber das Rumänische einzustellen.

Was genau diskutiert wird, ist allerdings für Studierende schwer nachzuvollziehen, da derartige Diskussionen ohne inhaltliche Beteiligung von Studierenden laufen. (Fairerweise muss man zugeben, dass die Studierenden -- sofern dies vorgeschrieben ist -- natürlich an den Abstimmungen beteiligt werden.) Die Umwidmung der Portugiesisch-Professur wurde kurzfristig in der Sitzung mitabgehakt, ein Umstand, der an einer Fakultät, die ihre Beratungen sonst gründlich und langwierig führt, schon verwundert. Verwunderlich ist auch, dass in die Abstimmung keine romanistische Fachkompetenz in einfließen konnte, da -- abgesehen vom verhinderten Prodekan -- aktuell kein Romanistik-Professor Mitglied dieses Gremiums ist. Zwar waren zwei Romanistikprofessoren als Gäste anwesen, beide haben aber ihren Schwerpunkt im Italienischen und vertreten nicht das Fach Portugiesisch.

Nach der Abstimmung gab der Dekan bekannt, dass es einen Brief des Prodekans gebe, in dem dieser für den Erhalt der Professur eintrete. Durch die Abstimmung sei der Brief aber obsolet geworden, weshalb er vor der Abstimmung nicht verteilt worden sei.

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Erzeugt am 13.10.2004

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