Wieder mal ein neues UG in der Pipeline
Seit spätestens 1976 war jede Novelle der Universitätsgesetze (UG) in Baden-Württemberg ein Rückschritt für die Studierenden. Nun steht mal wieder so ein Schritt an, und wie eine Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion (Honni soit...) vom September des Jahres ahnen lässt, wird es ein besonders großer Schritt zurück. Morgen wird nun unser Senat beraten, und über Konstanzer Studis ist schon ein wenig durchgesickert, worüber die Senatoren morgen so diskutieren dürfen.
Fangen wir mit der guten Nachricht an: Der bodenlose Anachronismus, dass es immer noch einzelne Hochschulgesetze für Unis, PHs, FHs und Kunsthochschulen gibt, soll ein Ende haben, statt insgesamt gut 450 Paragrafen in den Einzelgesetzen soll das neue Landeshochschulgesetz mit gut 70 Paragrafen auskommen. Aber leider ist das sicher kein (dringend notwendiger) Schritt zur Gesamthochschule, und viel kürzer als das alte UG ist das neue LHG auch nicht. Und so ist die einzige gute Nachricht dann doch nicht wirklich euphorisierend.
Der Rest des neuen Gesetzes ist, soweit mensch das jetzt beurteilen kann, ein einziges Horrorkabinett. Zunächst soll festgeschrieben werden, dass das Normalstudium schlichte Berufsausbildung ist, wissenschaftlichen Anspruch gibts allenfalls noch als Fußnote. Dementsprechend wird dann auch der sechssemestrige Bachelor als Regelstudiengang festgeschrieben, die Neueinrichtung nichtgestufter Studiengänge (Diplom, Magister) sowie ihre Fortführung nach 2009 explizit untersagt; statt Semestern sollen auch Trimester eingeführt werden können. Bei der Gelegenheit soll das Gesetz auch gleich noch betonen, dass Masterstudiengänge nur für besonders exzellente Studis zugänglich sein sollen. Per Gesetz, auch wenn angeblich konkrete Richtlinien nicht aufgestellt werden. Angeblich hat sich das Ministerium dazu noch in den Entwurf geschrieben, dass es die Einrichtung eines Studiengangs verweigern kann, wenn die Uni kein Auswahlverfahren machen will. Wir sind sicher, dass es das tun wird, denn Hochschulautonomie ist ja wichtig.
Ganz neckisch im Hinblick auf den in der oben verlinkten Antwort beklagten "brain drain" ist, dass die angekündigte "Strukturierung" (lies: Verschulung) des Promotionsstudiums wohl tatsächlich Realität wird, ganz so, als würden die Leute nicht vor allem deshalb abhauen, weil sie hier mit Gesetzen wie diesem eindeckt werden und, vor allem, wegen dieser Gesetze in einer Uni-Karriere genau die Wahl zwischen Prof und Sozialfall haben. Frankenberg und seine Freunde waren wohl schon etwas länger nicht mehr auf Stippvisite auf dem Planeten Erde.
Bei den Regelungen zur Uni-Struktur gehts ähnlich schlimm weiter: Fleißig wird die Zuspitzung der schon seit etlichen UG-Novellen angestrebten Umgestaltung einer ständedemokratisch verfassten Hochschule zu einem nach Führerprinzip organisierten Pseudo-Unternehmen betrieben.
Der erst mit der letzten UG-Novelle eingeführte Hochschulrat, wenigstens in Heidelberg ein Rohrkrepierer erster Güte und dominiert von kenntnislosen Frühstücksdirektoren, wird so durch einen mehrheitlich durch das MWK besetzten "Aufsichtsrat" ersetzt, der, wenn gewünscht, nur noch aus kenntnislosen Frühstücksdirektoren bestehen darf und dessen Vorsitzender immer ein kenntnisloser Frühstücksdirektor ist, voraussichtlich wie bisher voll ideologischer Verblendung. Damit der auch tut, was er soll, nimmt an Sitzungen dieses "Aufsichtsrats" auch immer der Vorstandsvorsitzende (sic! kommt gleich!) und ein Verteter des MWK teil, letzteres wahrscheinlich, damit die Autonomie der Hochschulen gestärkt wird.
Der schon erwähnte Vorstandsvorsitzende wiederum ist der, der bisher Rektor heißt. Dementsprechend heißt das Rektorat künftig Vorstand und wird "im Einvernehmen" mit dem MWK von einem "Auswahlausschuss" gewählt, den wiederum Senat und Aufsichtsrat gemeinsam bilden. Klar: Entmachtung der Gremien, Ermächtigung des MWK, Hochschulautonomie also. Nur die "nebenamtlichen Mitglieder" des Vorstands werden wie bisher direkt vom Senat gewählt.
Nach diesem Muster geht auch die Neuregelung des Berufungsverfahrens vom Typ UG-2004 weiter: Der Vorstand bildet (immerhin auf Vorschlag der Fakultät) eine Berufungskommission und fällt dann, wiederum im Einvernehmen mit dem MWK, gleich noch den Beschluss, welcher begnadete Lehrer denn all die Bachelors berufsausbilden darf, wenn er muss. Und ob er muss. Der Fakultätsrat darf noch Stellung nehmen, der Senat hat nichts mehr zu sagen (bisher sind die beiden Gremien entscheidend, was auch nicht toll ist, aber immer noch um Meilen besser). Der Rektor im besten Fall als rheinischer Fabrikbesitzer. An die schlimmsten Fälle wollen wir nicht denken.
Auch auf Fakultätsebene möchte man wieder echte Führer haben: Der neue Fakultätsvorstand soll vor allem leiten, der Fakultätsrat, der bisher in ständedemokratischer Weise über Wohl und Wehe der Fakultät beschlossen hat, darf nur noch beraten. Mehr war zwar für die Studierenden bisher so und so nicht drin, aber die Tendenz dieser ganzen Maßnahmen ist trotzdem gruselig. Ein weiterer Lichtblick ergibt sich hieraus aber vielleicht: wenn es nichts mehr zu beschließen gibt, wird der Fakultätsrat nicht mehr tagen müssen, denn beraten tun sich die Profs schon jetzt aueßrhalb der Gremien.
Nach allem, was wir jetzt wissen, fehlt im Gesetz die eigentlich nach HRG6 (das ist ausgeschrieben die sechste Novelle des Hochschulrahmengesetzes) geforderte Verfasste Studierendenschaft (VS). Frankenberg scheint sich darauf zu verlassen, dass er seinen Prozess gegen HRG6 gewinnt. Wenn nicht, haben wir immerhin noch die Hoffnung, dass der Konflikt mit dem Bundesrecht das Durchstimmen dieses Schreckenskataloges verzögert. Oder vielleicht springt ja der Streikfunke doch noch auf unser Land über? Vielleicht sogar mit dem Beschluss, zu streiken, bis diese Unsäglichkeit vom Tisch ist?
Sobald uns der offenbar schon zirkulierende Entwurf vorliegt, werdet ihr davon erfahren und euch live gruseln können.
Nachtrag (18.12.2003): Mittlerweile ist der Entwurf soweit durchgesickert, dass sich Leute an einem Scan probiert haben. Hier also der dritte Entwurf fürs neue LHG.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.11.2003, 30.11.2003, 05.12.2003, 03.01.2004, 21.01.2004, 23.01.2004, 25.02.2004, 05.05.2004, 22.12.2004, 26.01.2005, 09.03.2005, 18.05.2005, 30.05.2005, 18.05.2006