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UNiMUT aktuell: Auf Linie bringen

Das Rektorat will eine Loyalitätskommission und versucht sich an Einschüchterung

Auf Linie bringen (15.03.2006)

Elite ist, wenn mensch (a) sich wie Elite fühlt und (b) alle anderen das eigene Gefühl teilen. An beiden Sorten von Gefühl kratzt die Realität, insbesondere, wenn sie im besten Fall von Hartleibigkeit, im schlimmsten Fall von offensichtlichem Gemurkse geprägt ist. Es sei denn, niemand nimmt diese Realität wahr.

So oder ähnlich müssen die Gedanken des Rektorats gewesen sein, als es seine jüngste Kampagne gestartet hat. Ein Teil dieser Kampagne ist eine neue Kommission für "Kommunikations- und Loyalitätsfragen", die sich allem Anschein nach damit beschäftigen soll, was einE MitarbeiterIn oder StudentIn der Uni Heidelberg in der Öffentlichkeit so alles aus dem Nähkästchen plaudern darf -- oder eben nicht. Auf seiner nächsten Sitzung dürfte der Senat die Einrichtung dieser Kommission abnicken. Auf ihr Arbeitsprogramm sind wir jetzt schon neugierig.

In den Zusammenhang einer solchen Kampagne ist wohl auch ein Brief zu stellen, der dem UNiMUT aus der Rechtsabteilung der Universität zugegangen ist und der sich über einige unserer Artikel beschwert. So gegenstandslos die Anwürfe im Einzelnen sind, so bemerkenswert ist dann doch die Ankündigung, unsere Artikel "auf ihre strafrechtliche Bedeutung hin überprüfen und ggfls. entsprechende Schritte einleiten" zu wollen.

Natürlich ist kaum damit zu rechnen, dass das Rektorat ein PR-Desaster Marke "Maulkorb für Studiblättchen" riskieren wird, und natürlich müsste man den Gerichtsstand auch in Zeiten von Ottokatalogen und Vorratsdatenspeicherung schon nach Weißrussland verlegen, um (aus Sicht des Rektorats) aussichtsreich prozessieren zu können -- aber trotzdem: Ein solcher Einschüchterungsversuch ist in sich schon sehr sprechend.

Und hier mal wieder die kostenlose Politikberatung der UNiMUT-Redaktion: Liebes Rektorat, wenn ihr "loyale" Studis und MitarbeiterInnen haben wollt, gebt ihnen Grund für Loyalität. Das heißt -- executive style, i.e. itemized list --:

  • Nehmt Studis und MitarbeiterInnen ernst. Hört ihnen nicht nur zu. Das gilt insbesondere auch bei Begehungen im Rahmen von Budgetierungen.
  • Umgekehrt: Demütigt Studis und MitarbeiterInnen nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Demütigungen lassen sich übrigens recht leicht vermeiden, wenn mensch Untergebene nicht als
    • Humanressourcen bzw. Humankapital,
    • Figuren in einem Schachspiel,
    • Mittel zur Durchsetzung persönlicher Interessen,
    • etwas dümmliche Wesen mit großem Bedarf an paternalisierender Erklärung oder
    • faule Säcke, die ohne ordentliche Kontrolle über die Stränge schlagen
    ansieht.
  • Nutzt die Möglichkeit der Beteiligung. Klüngelt nicht alles in Rektoratskommissionen aus und stellt den Rest der Uni vor vollendete Tatsachen (auf die Weise hätten sich z.B. auch die Verzögerungen beim Umbau der alten Krehl-Klinik elegant vermeiden lassen).
  • Überlegt euch, was Studis und MitarbeiterInnen gerne von der Uni hätten und macht das zum Zentrum eures Handelns. Extratipp: Unfug der Marke "Brain Up" (oder eben auch der Kram im Strategiepapier) gehört nicht dazu. Verfolgt eure Hobbies ruhig, gebt euch dafür auch gerne einen (bitte bescheidenen) Etat, aber vergesst darüber nicht, dass die Uni für was anderes da ist.
  • Verhaltet euch auch manchmal selbst loyal gegenüber Studis und MitarbeiterInnen -- wie wärs mal mit einem kritischen Wort zu Studiengebühren oder zu besonders irren Regelungen bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, oder auch bei den Arbeitszeitverlängerungen nach der Kündigung der Tarifverträge durch das Land?
  • Sorgt in eurem eigenen Handeln für Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Madman-Theorie mag in internationalen Beziehungen effektiv sein, sie hilft bestimmt nicht bei der Herstellung eines guten Betriebsklimas. Und Massenemails sind dazu nicht geeignet!
  • Wenn ihr das alles tut, ergeben sich manche Probleme von selbst -- Wahnsinn vom Typ IMPULSE würde zumindest auf ein handhabbares Maß reduziert, und Studis müssten nicht erst zum Fensterputzen kommen, um mal auf dem Radarschirm des Rektorats aufzutauchen.
  • Oh, und noch ein oft übersehenes Detail: Es ist nicht nett, wenn im Rektorat erheblich besseres Klopapier hängt als im Rest der Uni.

Hören wir ein Danke für diese Hinweise? Immerhin: Die Kommission hätte euch wieder ein paar tausend Euro gekostet.

Nachtrag (22.3.2006): Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Weit entferrnt von allem Abnicken fand wohl auch der Senat, dass eine Kommission mit so einem Titel verdächtig ist. Jedenfalls hat er in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen, zur nächsten Sitzung einen Vertreter des Unirats vorzuladen, der darlegen soll, weshalb der Senat Loyalitätsrichtlinien nötig haben soll.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 05.04.2006, 28.06.2006, 12.02.2007


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Druckfassung

Erzeugt am 15.03.2006

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