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UNiMUT aktuell: Kleintierzüchter

Kleintierzüchter (2.6.98)

Es ist nicht einfach, in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland zu kommen; ein Hindernis besteht in der Versicherung, nicht in einer ganzen Palette von mehr oder minder verfassungsfeindlichen Organisationen mitgearbeitet zu haben. In Bayern umfasst diese Liste neben zweifellos mindestens mit dem Teufel paktierenden Vereinen wie der DKP und der Church of Scientology auch den ehemaligen nationalen Kleintierzüchterverband der DDR, der als sozialistische Massenorganisation natürlich höchst suspekt ist.

Wer halbwegs geübt ist im Umgang mit Deutschen Behörden, unterschreibt den Zettel und vergisst ihn -- Pech, wenn für die Stelle eine Regelanfrage an den Verfassungsschutz gemacht wird und der was anderes sagt, aber wer wird schon eine Regelanfrage für KrankenpflegerInnen oder GermanistikdozentInnen vornehmen. Also: Kein Problem, alle unterschreiben das und alle sind glücklich.

Bis mal wer aus einem Land mit einer etwas ausgeprägteren demokratischen Tradition kommt (Demokratie verträgt sich durchaus mit Missachtung von Minderheiten, komme mir also niemand mit Inuit, d.A.). Dies ist der Uni Augsburg passiert, an der über das Canadian Studies Visiting Professors Program die Soziologin Patricia Marchak von der Uni British Columbia drei Monate lang lehren sollte. Marchak weigerte sich, das Papier zu unterzeichnen und wurde folgerichtig nicht eingestellt. Empört flog sie zurück nach Kanada und beklagte sich erstmal bei der zuständigen Abteilung des kanadischen Außenministeriums, dass von dieser Erklärung in den Unterlagen, die sie in Kanada erhalten hatte, nie die Rede gewesen sei. Das Ministerium fand das auch nicht ok -- nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Marchak wandte sich auch an die CAUT, eine Art kanadische Professorengewerkschaft, die sich wiederum beim Augsburger Rektor Reinhard Blum beschwerte. Aus Augsburg kamen aber nur Platitüden zurück ("die erste Beschwerde seit 12 Jahren"), und so trug die CAUT den Vorgang in ihren Newsletter, und der entsprechende Artikel geht seither um die Welt, forward für forward. Die CAUT versucht weiter, Druck auf Bayern und die Uni Augsburg auszuüben, diesen Unfug doch künftig zu unterlassen und hat auch schon an die kanadische Regierung geschrieben, sie möge sich doch überlegen, ob sie weiterhin an einem Programm teilnehmen will, das in dieser Weise mit Menschenrechten umgeht. Der Ausgang ist noch ungewiss.

Es ist interessant zu beobachten, wie sich auch hier die verqueren Ideologien der augenblicklichen Regierungen gegenseitig auf die Füße treten: Der Law-and-Order-Fanatismus eines Kanther und Stoiber drückt schwer die Globalisierungseuphorie von Westerwelle, Trotha oder Rüttgers. Bleibt zu hoffen, dass der vernünftige Gedanke -- diese Papierchen in den Altpapiercontainer der Geschichte zu werfen nämlich -- unter all den vielen Füßen nicht ein weiteres Mal zertreten wird.

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Erzeugt am 02.06.1998

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