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UNiMUT aktuell -- Februar 2005

Schlechte und gute Argumente gegen Studiengebühren

Das Richtige im Falschen (und das Falsche im Richtigen) (2.2.2005)

Die Diskussion über Studiengebühren wird im Rahmen der politischen Auseinandersetzungen im Gefolge der Entscheidung des Verfassungsgerichts gegen HRG6 eher zu- als abnehmen. Unterdessen haben die BefürworterInnen der Gebühren mittlerweile jede intellektuelle Scham abgelegt und überbieten sich in möglichst grotesken Argumenten ("erhöhen die Bildungsbeteiligung"). Da alle gültigen Argumente für Gebühren ("Bildungsmarkt", "knappe Kassen") die jeweiligen Interessen allzu deutlich machen und damit unattraktiv sind, verwundert das nicht weiter, enthebt uns aber weitgehend der Notwendigkeit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den diskursiven Offenbarungseiden aus Berlin, Stuttgart und Gütersloh.

Da aber die finanziellen Ressourcen der diversen Propagandaabteilungen nun mal so verteilt sind, dass wir begründen müssen, warum wir keine Studiengebühren haben wollen, lohnt sich ein wenig Nachdenken, welche Argumente fortschrittliche Menschen hier verwenden sollten und welche lieber nicht -- denn schlechte Argumente gibt es doch einige. Diese müssen nicht zwingend falsch sein, doch öffnet ihre Verwendung unsere Flanken kilometerweit für Gegenangriffe, und zum Teil kommen sie auch genau aus der reaktionären Denke, die Studiengebühren überhaupt erst als mögliche Lösung -- ja, wofür eigentlich? -- erscheinen lassen.

Hier also die UNiMUT-Argumentationshilfe:

Schlechte Argumente

"Wissen ist der einzige Rohstoff Deutschlands..."
Das erste Problem dieses Arguments ist, dass es sich auf die platte Ökonomisierung von Bildung einlässt. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass der Wert von Fächern und, schlimmer noch, Inhalten an der durch sie realisierbaren Wertschöpfung gemessen wird. Auch mit wenig Mathematik ist schnell auszurechnen, welche Sorte Uni dabei herauskommt. Das zweite, vielleicht noch wesentlichere Problem: Das Argumentationsmuster des von allen Seiten bedrohten Deutschlands, dessen BürgerInnen Einschnitte hinnehmen müssen, um es vor dem sicheren Untergang zu bewahren, ist nicht nur hochreaktionär und faktisch absurd, sondern konstruiert auch noch andere Staaten als Bedrohung. Hatten wir sowas nicht irgendwann mal zu den Akten legen wollen? Aber auch der "friedliche Wettbewertb der Nationen" bringt es mit sich, dass Missstände aus anderen Ländern (wie eben Studiengebühren oder faktisch nicht existente soziale Absicherung) im Interesse der Nation auch bei uns eingeführt werden "müssen". Die Folgen solchen Räsonierens kennen wir aus dem race to the bottom, das sich gegenwärtig im Bereich der Rechte abhängig Beschäftigter abspielt und das konsequenterweise damit enden muss, dass die BRD ihre Sozial- und Umweltstandards an die Indiens oder Chinas anpassen muss (und diese die ihren in der Folge weiter "anpassen" werden, der Konkurrenzfähigkeit wegen).
"...die Chancengleichheit geht verloren..."
Hieran ist vor allem der Begriff "Chancengleichheit" Mist, dessen primäre Funktion ist, die herrschende Ungleichheit zu rechtfertigen. Das geht so: In unserer freien Gesellschaft haben alle die Chance, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden; wer also Tellerwäscher bleibt, ist selbst Schuld und verdient keine Solidarleistung. Angesichts der realen Verhältnisse (vgl. im Bildungsbereich etwa die PISA-Ergebnisse zur sozialen Determination des Bildungsweges) ist das natürlich eine völlige Fiktion, und eine "Chancengleichheit" wird es schlicht nie geben, ohne allen Menschen gleichen Zugang zu den gesellschaftlichen Reichtümern zu geben. Genau das aber wollen die "Chancengleichheit"-Sager nicht, denn sonst würden sie ja Gleichheit sagen. Ansonsten hat das Argument natürlich die Schwäche, dass es Unis als Mittel zum sozialen Aufstieg definiert, und eben diese Zuschreibung ist das gegenwärtige Hauptproblem der Unis.
"Das Geld verschwindet eh im Haushaltsloch..."
Und wenn es das nicht täte, wäre eine Individualisierung der Bildungsfinanzierung ok? Praktisch mag die Analyse ja unangreifbar sein, aber mensch begibt sich damit in eine ausgesprochen prekäre Position, die so tut, als sei an den Unis wirklich mit Geld viel zu retten, als sei das Problem nur, dass halt seit ein paar Jahren "die Kassen leer" seien (wozu zumindest mal zu erklären wäre, wo denn das ganze Geld hingekommen ist). Wäre es ein gültiges Argument, müsste die Gegenseite überdies schließen, "die Studierenden" als Gruppe hätten jede Menge Geld, das sie gerne für eine "Verbesserung der Lehre" ausgeben würden. Das ist Quatsch -- siehe auch unten, "erwachsene Menschen".
"Es gibt kein Stipendienmodell..."
Auch hier: Was würde sich ändern, wenn es eins gäbe? Zunächst, dass Menschen mit armen Eltern mit Gebühren unter deutlich stärkerem "Leistungs"druck stünden. Wer Geld hat, könnte weiterhin bis zum Examen studieren, wer kein Geld hat, könnte an einer Zwei in der Orientierungsprüfung schon scheitern. Es ist natürlich nicht schlecht, wenn allerlei Gruppen Stipendienprogramme auflegen (angesichts der Verteilung freier Mittel in der Gesellschaft dürften die damit verbundenen Interessen allerdings in der Regel nicht allzu altruistisch sein), im Zusammenhang mit der Studiengebührendebatte allerdings demontiert diese Sorte Argument alles, was mensch sonst noch vorbringen könnte.

Gute Argumente

Bildung ist Menschenrecht
...und somit genausowenig Handelsware wie Schutz vor Folter oder die Meinungsfreiheit. Bildung ist tatsächlich Voraussetzung für Demokratie, denn Menschen, die keine Vorstellung von einer Milliarde haben, werden kaum informierte Entscheidungen über politische Prozesse fällen können. Richtig ist, dass es schon jetzt genug Menschen gibt, die so eine Vorstellung nicht haben -- wer aber die Prämisse akzeptiert, wird sich auch auf eine Diskussion über Möglichkeiten der Ausweitung und Verbereiterung von Angeboten zur höheren Bildung einlassen müssen. Und das wäre eine instantane Rettung eines ansonsten reichlich überflüssigen Diskurses.
Bildung ist keine Ware
...und ihre Handelbarkeit (bzw. die Handelbarkeit dessen, was dann unter Bildung firmiert) wird Charakter und Inhalt von Hochschulen ganz entscheidend beeinflussen. Die Steuerungswirkung ökonomischen Drucks auf die Studienfachwahl ist allzu offensichtlich -- vom Absterben ganzer Wissenszweige und dem folgenden Verlust an Errungenschaften der Menschheit bis hin zu noch tieferen, für Märkte nun mal charakteristischen "Schweinezyklen" ist da an Szenarien alles drin -- und in Staaten, in denen Studiengebühren bereits Realität sind, auch recht weitgehend nachzuweisen.
"Es ist genug Geld da", Teil I
Wäre die auf der Gegenseite als für so ungefähr jeden Zug am enger zu schnallenden Gürtel zu hörende Entschuldigung, es sei kein Geld mehr da, nicht nur vorgeschoben, würden Studiengebühren auch nichts helfen -- Geld, das nicht da ist, kann weder Staat noch Studi aufbringen. Tatsächlich ist aber genug Geld da, es ist eben nur, unter anderem dank so genannter "Reformen" im Sinne marktliberaler Ideologeme, in privater Hand. Ein Staat, der, aus welchen Gründen auch immer (und die waren bei der Öffnung der Hochschulen in den 60er und 70er Jahren auch nicht so toll), breite Bildungsbeteiligung wünscht, kann sich die zur solidarischen Finanzierung der Hochschulen nötigen Mittel mühelos beschaffen und kann so gleich noch einen allzu groben Durchgriff privater Interessen auf die Hochschulen vermeiden. So ein Durchgriff nun wäre angesichts der bei Privatmitteln in der Regel völlig fehlenden demokratischen Kontrolle noch schlechter als die staatliche Aufsicht, mit der wir gegenwärtig irgendwie leben müssen. Dass diese auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist klar. Aber wer erstmal über gesellschaftliche Kontrolle der Bildungsinstitutionen redet, hat wenigstens ein lohnenderes Thema als ausgerechnet Gebühren.
"Es ist genug Geld da", Teil II
Die an den Unis zweifellos vorhandenen Probleme sind aber mit Geld ohnehin nicht zu lösen. Sie sind durchweg Strukturprobleme, beginnend bei Rektoraten, die Millionen in Biochem-Zentren, Protzbauten, Edelberufungen und goilen Großgeräten versenken. Tatsächlich wäre der wichtigste Schritt zu Unis, die sich tatsächlich als Institutionen der Wissensvermittlung und -vertiefung verstehen, aber eine Umdefinition ihrer gesellschaftlichen Rolle. Solange ein Studium von den meisten Studierenden als Hürde auf dem Weg zum guten Job und der tollen Karriere angesehen wird -- und diese Wahrnehmung überdies auch noch sachlich richtig ist --, wird Lehre weitgehend dysfunktional bleiben.
"Studis sind erwachsene Menschen"
...und nicht die Kinder ihrer Eltern. Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern gehören sie aber zu den sozial Schwächsten der Gesellschaft (sofern sie nicht geerbt haben und es etwas zu erben gab). Ihnen und ihren prekären Jobs zwischen Wihi und Kneipenbedienung die Finanzierung der tertiären Bildung (und womöglich noch die der Forschungshobbys der ProfessorInnen) aufzubürden, widerspricht jeder Vorstellung einer Solidargesellschaft und ist wohl auch der Funktion der Uni kaum zuträglich. Setzt mensch aber umgekehrt die finanzielle Unterstützung durch die Eltern voraus, bleiben die Studierenden in eklatanter Abhängigkeit von ihren Eltern. Wer das möchte, soll das wenigstens laut sagen.
"Der Arzt soll das Studium der Tochter der Aldi-Kassiererin mitfinanzieren"
Dieser Punkt ist eine Richtigstellung des bei Gebührenfundis so beliebten "Fliesenlegerarguments", nach dem Studiengebühren die enorme Ungerechtigkeit bereinigen, dass die Aldi-Kassiererin (wahlweise auch die Fliesenlegerin) über ihre Steuern das Studium des Arztsohnes mitfinanziert. Abgesehen davon, dass dieses "Argument" dreisterweise unterstellt, dass sich an der ungleichen Bildungsbeteiligung von Ober- und Unterklasse nichts ändern wird und soll, ist es natürlich kompletter Unfug, denn (siehe oben) hat der Arztsohn a priori erstmal nicht mehr Geld als die Tochter der Aldi-Kassiererin. Wenn mensch allerdings anfängt, das elterliche Einkommen für die Studiengebühren in Anspruch zu nehmen, wird erst recht klar, dass diese nur dem Arztsohn helfen -- dieser kann sich immerhin vom Papa finanzieren lassen, während die Tochter der Kassiererin selbst mit dem elterlichen Einkommen niemals die Gebühren aufbringen könnte. Eigentlich ist dieser Punkt zu simpel, um ihn überhaupt hinzuschreiben, aber da die Dummheit der Argumente der Gegenseite keine Grenzen kennt, tun wirs doch: Solidarfinanzierung hilft fast immer den wirtschaftlich Schwächeren, und tut sie es nicht, muss das Steuersystem geändert und nicht die Solidarfinanzierung abgebaut werden.

Halbschlechte Argumente

"Studiengebühren destabilisieren die Wirtschaft..."
Es ist abzusehen, dass bei wirtschaftlich relevanten Studiengebühren zumindest Mittelschichteltern mehr oder weniger nach der Geburt ihrer Kinder anfangen werden, in "College Funds" einzubezahlen, spezielle Geldanlagen also, aus denen später die Gebühren bezahlt werden. In den USA ist das totale Vermögen in solchen Fonds erstaunlich hoch und trägt massiv bei zu der extremen Volatilität der Kapitalmärkte, während es -- das als kleiner Hinweis an SozialdemokratInnen -- dem privaten Konsum ("Inlandsnachfrage") entzogen wird. Allerdings muss das nicht unbedingt unsere Sorge sein, und die Verwendung von Argumenten dieser Art setzt immer eine gewisse Kenntnis politischer Ökonomie voraus, damit sie nicht in (kreuzfalsche) Unterscheidungen zwischen "schaffendem" und "raffendem" Kapital abgleitet.
"Die Gleichartigkeit der Lebensbedingungen in den Ländern..."
Es ist natürlich klar, dass ein Bundesland, das in einem Meer kommerzieller Bildung keine Studiengebühren nimmt, recht bald hoffnungslos überfüllte Unis hat. Das muss nicht zwingend nur negativ sein, dürfte sich aber bis zu einer Neudefinition der Funktion von Hochschulen und begleitenden Änderungen ihrer Strukturen sicher nicht positiv auf die Studienbedingungen auswirken. In dem Sinn ist klar, dass von Gleichartigkeit der Lebensbedingungen bei landeseigenen Gebührenkonzepten nicht die Rede sein kann. Allerdings würden Gebühren auch nicht besser, wenn die Länder sich jetzt auf einen Staatsvertrag einigen und die Gebühren im Gleichschritt anziehen würden oder sie umgekehrt den Unis selbst die Gebührenhöhe freistellen. Beide Szenarien sind angesichts der auf allen Seiten vorherrschenden Gier ohne weiteres denkbar, solange auch für alle ein wenig abfällt.
"...verschärfen die soziale Selektivität..."
Das wäre an sich ein gutes Argument, das nur von besonders zynischen HeuchlerInnen auch nur einen Moment bestritten würde. Leider aber hat Studiengebührenfreiheit die soziale Selektivität unseres Bildungssystems auch nicht wesentlich entschärft, was das Argument sehr stumpf macht. Wer es dennoch einsetzen möchte, sollte sich auf eine Diskussion über das Schulsystem einerseits und eine Grundsicherung für Studierende andererseits vorbereiten. Das ist gewiss nicht schlecht, und einige der Argumente oben sind auch da durchaus anwendbar -- nur lässt sich anhand der von 1970 bis 2005 angesammelten Daten keine große Verteidigung in der Studiengebührenfrage auf diesem Punkt aufbauen.

Diese Liste ist nicht erschöpfend, und die Diskussion der Argumente bei weitem nicht so ausführlich, wie sie sein könnte; Die Redaktion freut sich daher auf weitere Beiträge unter unimut@urz.uni-heidelberg.de.

Nachtrag (4..2.2005): Der SPD-Landtagsabgeordnete für Heidelberg, Claus Wichmann, hat uns auf diesen Artikel hin ein eigenes Thesenpapier geschickt. Wir spiegeln das hier weniger, weil wir mit der SPD sympatisieren (die ja mit Zöllners Studienkonten auch ein halboffizielles Gebührenmodell bereithält), sondern weil (a) Wichmann tatsächlich das eine oder andere Argument aus der Kategorie "halbschlecht" bringt (na gut, vielleicht tendieren manche sogar schon Richtung "gut") und (b) zu befürchten steht, dass mensch auch die Landtags-SPD irgendwann an diese Worte wird erinnern müssen.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 09.03.2005, 04.05.2005, 19.04.2006

Sniff up, vote down, work out, cash in -- link short

Wusstet Ihr schon... (07.02.2005)

...dass das BMBF nicht nur im unsäglichen Brain Up! hinter "Spitzenuniversitäten", sondern schon seit längerem auch hinter so genannten BAföG-BetrügerInnen her ist? 226 Millionen Euro, so ließ das Bulmahn-Ministerium verlauten, sei die Schadenssumme, die durch falsche Angaben über die eigenen Vermögensverhältnisse bzw. die der Eltern entstanden sei. Die Ministerin weiß dies, weil sie die bei den Steuerbehörden liegenden Daten über Zinseinkünfte mit den BAföG-Bewilligungen hat abgleichen lassen. So rächt sich die Naivität von Studierenden, die ihren Eltern Steuern sparen wollten, die Gewöhnung an Rasterfahndungen aller Art und nicht zuletzt ein BAföG, das Studierende als Kinder ihrer Eltern behandelt. Und die Rache trifft nicht nur die Studierenden, sondern auch die Staatsanwaltschaften, auf die eine Prozesslawine von mehr als 10000 Verfahren zurollt.

Nachtrag (8.2.2005): Oliver Iost hat uns darauf hingewiesen, dass zum Thema BAföG-Datenabgleich bafoeg-datenabgleich.de eine umfangreichere Quelle ist und es auch FAQ dazu gibt.

...dass es dann und wann das eine oder andere Parlament doch noch fertig bringt, einen Schritt hin zu einer vernünftigeren und menschenfreundlicheren Politik zu machen? Groß sind die Schritte zwar nicht, aber das neue Zuwanderungsgesetz bringt in der Tat einige Erleichterungen für ausländische Studierenden. Erstens können sie jetzt Wihi-Jobs zusätzlich zu sonstigen (lukrativeren) Beschäftigungen annehmen, sie dürfen ihre sonstige Arbeitsberechtigung von 90 Tagen pro Jahr auf bis zu 180 Tage ausweiten, wenn sie an diesen nicht Vollzeit arbeiten (es gehen also 90 Tage mit 8 Stunden, 120 Tage mit 6 oder 180 Tage mit 4 Stunden), und sie können noch ein Jahr nach ihrem Abschluss in der BRD bleiben, um den Nachweis zu führen, dass sie zu Stoibers "die-uns-nutzen"-AusländerInnen gehören, d.h. eine Arbeitsstelle finden. Die Natur dieser Regelungen verrät zwar auch hier schwarzfaule Intentionen, doch sind hier die Auswirkungen mal positiv.

...dass Stiftungshochschulen "weder für die Hochschulen selbst noch für das Land Vorteile" bringen? Mit Stiftungshochschulen wurde schon zu SPD-Zeiten in Niedersachsen experimentiert, quasi als "Privatisierung light". Die Heidelberger Kanzlerin Frost beispielsweise war auch wegen ihrer Erfahrungen mit solchen Modellen in Göttingen an die Ruperto Carola geholt worden. In der Landtagsdrucksache 13/3808 sagt die Regierung aber auf Seite 6 obige Worte, in normales Deutsch übersetzt also, dass Stiftungshochschulen Quatsch sind. Offenbar hilft eine AutorInnenschaft der jeweiligen Opposition deutlich bei der korrekten Einschätzung von Plänen und Modellen. Es wäre ganz klar hilfreich, der Regierung und den Regierungsparteien die Gesetzesinitiative zu nehmen...

...dass der Heidelberger CDU-Landtagsabgeordnete Werner "zerebrale Ischämie" Pfisterer gegen Gebühren ist? Nein, natürlich nicht gegen Studiengebühren, aber gegen Parkgebühren. In der Landtagsdrucksache 13/3906 findet sich die Reaktion auf seinen Versuch, eine der wenigen sinnvollen Initiativen, die die Uni in den letzten Jahren gestartet hat (die Parkraumbewirtschaftung nämlich), beim MWK zu verpetzen. MWK-Chef Frankenberg ließ ihn recht deutlich abblitzen, macht aber aus seiner Ablehnung für das Jobticket (das wenigstens partiell durch die Gebühren finanziert werden soll) keinen Hehl. Zumindest das wird den Autofetischisten Pfisterer, der ja auch schon versucht hat, die Straßenbahn nach Kirchheim von Stuttgart aus zu torpedieren, freuen.

...dass der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel schon richtig früh mit den nach dem Mayer-Skandälchen wieder so ins Gespräch gekommenen lukrativen Polit-Nebenjobs angefangen hat? Darauf jedenfalls läßt seine Aussage schließen, schon mit zwei Nachhilfestunden hätte er zu seiner Studienzeit die 100 Euro pro Monat aufbringen können, die Studis demnächst in Bayern an Studiengebühren werden zahlen müssen. Eine wahrhaft lobbygemäße Bezahlung (RWE? VW? Flick?), die die Leute vom Freiburger U-AStA auch anderen Studis gerne vermitteln würden. Deshalb haben sie jetzt die Jobbörse Studis für'n Fuffi eingerichtet, die Beschäftigungsmöglichkeiten zu eben einem Fuffi pro Stunde vermittelt. Dass sie dabei viel Erfolg haben werden, erwartet wohl auch Goppel nicht, denn er hat die Sache mit den Nachhilfestunden für 50 Euro mittlerweile als "Entgleisung" bezeichnet. Wir verstehen schon.

...dass es selbstverständlich keine Regelung auf EU-Ebene gibt, nach der Petitionen, die mehr als eine Million Unterschriften tragen, "vom Gesetzgeber nicht übergangen werden können", was immer das auch heißt -- die EU-Regierungen misstrauen ja schon dem Parlament und versuchen, es soweit wie möglich aus Entscheidungen herauszuhalten. Kettenbriefe, die etwas anderes behaupten, sind also Unfug (natürlich können Einzelpersonen auch so Petitionen an alle möglichen Parlamente einreichen, und sie werden dann auch von den zuständigen Ausschüssen bearbeitet). Soooo bequem geht wirksamer Widerstand gegen Studiengebühren nicht, und die Pose des Bittstellers ("Petenten") ist der Sachlage auch nicht ganz angemessen.

...dass UNiMUT-URLs jetzt auch kürzer sein können? Christian Reinstorf von CampusReporter.de hat für uns freundlicherweise die Domain unimut.org registriert. Damit könnt ihr z.B. diesen Artikel auch als http://unimut.org/aktuell/1107774454 verlinken.

Walter I. Schönlein

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 07.02.2005, 21.09.2005

Eine kurze Geschichte der Fachtutorien

Elite braucht keine Lehre (09.02.2005)

Es begab sich also zu dieser Zeit (Mitte der 90er Jahre), dass das MWK eifrig die Uni-Etats dort kürzte, wo nicht viel Widerstand von den Rektoraten zu erwarten war, nämlich in der Lehre -- unter anderem bei Mitteln, die bisher von den Instituten für Tutorien ausgegeben wurden. Es begab sich auch, dass diese Kürzungen überraschenden Unmut hervorriefen. Damals war bereits die Große Kampagne Zur Identifikation Von Langzeitstudis Als Tödliche Gefahr Für Die UnisTM in vollem Schwung -- Widersprüche zu früheren Aussagen scherten niemand mehr. Defizite in der Lehre aber, das musste selbst das Ministerium eingestehen, waren an so manchem sich in die Länge ziehenden Studium nicht ganz unbeteiligt.

Klaus Trotha, damals Chef des Ministeriums, beschloss daraufhin, einen PR-Coup zu landen und einen Teil der gestrichenen Mittel nach Jahr und Tag wieder an die Unis zurückfließen zu lassen. Er verkaufte diese Mittelkürzung frech als "Bündnis für Lehre". In diesem Rahmen wurde nicht nur der immer wieder Heiterkeit verursachende "Landeslehrpreis" gekreißt, sondern eben auch Sondermittel für Tutorien zur Verfügung gestellt.

Diese Tutorienmittel kamen nun en bloc bei den Unis an, die Verteilung aber war auch dem damaligen Rektorat zu mühsam. So war dieses froh, als das ZSW anbot, im Rahmen des so genannten "Heidelberger Modells" das Geld zu verwalten. Idee war damals, dass vor allem Tutorien, die "Schlüsselkompetenzen" -- Orientierung, Selbststeuerung, Rhetorik usf. -- vermitteln, finanziert werden sollten. Schon bald zeigte sich aber, dass in den meisten Fächern weit mehr Bedarf an Tutorien mit deutlich fachbezogenen Inhalten bestand (schließlich hatte es in diesem Bereich zuvor ja auch massive Kürzungen gegeben) -- entsprechend hatte die Abteilung Schlüsselkompetenzen (SLK) des ZSW, die die Mittelverteilung und auch die Ausbildung für TutorInnen übernommen hatte, viel Arbeit mit den (von ihr) eigentlich ungeliebten Fachtutorien (FTen).

Diese Abteilung SLK war lange Zeit personell recht gut ausgestattet, aber wie so oft an der Uni waren einige ihrer Stellen befristet. Vor einem guten Jahr war das Geld für die befristeten Stellen alle, und die SLK erklärten, sie seien wegen der verkleinerten Crew mit ihren eigenen Tutorien vollauf ausgelastet und könnten sich deshalb nicht mehr um die FT-Gelder kümmern. Vielleicht hat SLK-Chef Chur gehofft, mit dieser Erklärung die Stellen zu retten, darauf pokernd, dass das Rektorat eine sachgerechte Mittelverteilung bestimmt nicht selbst würde vornehmen wollen.

Richtig lag er mit der Einschätzung der Motivation des Rektorats -- die Stellen wurden trotzdem nicht aus Unimitteln verlängert, und so war, als die Tutorien-Gelder aus Stuttgart kamen, das Kind in den Brunnen gefallen: Niemand hatte Tutorien beantragt, niemand entschieden, wer den Zuschlag bekommen sollte. So wurde die Notbremse gezogen, die Mittel wurden so verteilt, wie sie im Vorjahr verteilt worden waren. Als erste Näherung sicher nicht schlecht, aber als Dauerlösung inakzeptabel, weil sich der Bedarf in den verschiedenen Fächern durchaus entwickelt.

So war bei den Betroffenen (also FachtutorInnen und KoordinatorInnen in den Instituten) die Neugier groß, was nun der neue Antrags- und Zuschlagsmodus für 2005 sein würde. Ende letzten Jahres verlautete aus der Abteilung SLK, der SAL würde sich darum kümmern -- doch konnte sich niemand so recht vorstellen, wie ein Senatsausschuss (zumal einer, der wie der für Lehre allenfalls zwei Mal im Semester tagt) eine Verwaltungstätigkeit dieser Größenordnung schultern sollte. Auf eine diesbezügliche Nachfrage äußerte der Rektor dann in einem Gespräch mit Studierenden am 21.1., die Studiendekane und nicht der SAL würden die Mittel verteilen. Prompte Recherchen durch die Studierenden in einigen Fakultäten ergaben nur leider, dass die Studiendekane davon nichts wussten.

Und auch ausnahmsweise nichts wissen konnten: in der letzten Woche klärte sich durch eine Mitteilung aus der Abteilung SLK alles: Die Mittel werden (im Wesentlichen) verteilt wie im Vorjahr. Es wird gemunkelt, dass es vor dieser Mitteilung eine unschöne Szene zwischen dem Rektor und Studierenden gegeben hätte, als letztere ersterem vorhielten, nicht ganz zutreffende Aussagen zum Thema Fachtutorien gemacht zu haben. Wir wollen uns eigentlich nicht in Spekulation und Kolportage üben, aber es fällt schon auf, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Empörung des Rektors und der Richtigstellung seiner Aussagen aus dem Januar-Gespräch mit den Studis bestand.

Dies läuft im Klartext auf Folgendes raus: Das Rektorat kennt Wichtigeres als Fachtutorien und hat nicht die Spur einer Lust, sich über einen sinnvollen Einsatz der Mittel Gedanken zu machen. Vielleicht sind die Gelder so, wie sie im Augenblick verteilt werden, gut angelegt, kann ja sein. Aber wenigstens einen kurzen Blick darauf sollte mensch schon werfen -- beim gegenwärtigen System kann ein Fach das Geld noch nicht mal ohne gewaltige Verrenkungen ablehnen oder zurückgeben, selbst wenn es wollte (was unwahrscheinlich genug ist). Eine Kontrolle, ob es dann auch für Fachtutorien ausgegeben wird, findet unserer Kenntnis nach nicht statt (was die Attraktivität der Mittel erhöhen dürfte).

Und noch eines: Wieder mal mussten sich Studierende bei Rektor und Profs unbeliebt machen, um wenigstens ein Problembewusstsein zu schaffen, während alle anderen die Problematik im Groben völlig versaubeutelt hätten. Das lässt Böses ahnen für das neue LHG, das genau denen, die hier Mist gebaut haben, noch mehr Macht gibt, während die Gremien, in denen Studis wenigstens dann und wann mal "piep" sagen können, weiter Richtung Nähkränzchen definiert werden.

Aber halten wirs mit dem Rektor: Warum nützliche Arbeit, gar noch in Sachen Lehre, machen, wenn mensch auch Strategiepapiere mit extrapeinlichen Anschreiben ausbrüten kann? Elite braucht Bewusstsein, aber keine Lehre.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 17.01.2006

Das HRG5-Reparaturgesetz und seine Folgen

Heiße Nadeln abgekühlt (16.02.2005)

Eine der surrealeren Grotesken in der an verrückten Stunts gewiss nicht armen Debatte um eine Hochschulreform war das Gezerre um die fünfte Novelle des Hochschulrahmengesetzes, kurz HRG5 (nur zur Sicherheit: HRG6 ist eine andere Baustelle). Die Story geht in Kürze so: 2001 zeichnete sich ab, dass das Bulmahn-Ministerium zwar das HRG ändern, sich aber die Finger nicht an VS und Studiengebühren verbrennen wollte. Stattdessen kam damals eine Dienstrechtsreform mit der Kettensäge heraus, die insbesondere die Regelungen zur Befristung massiv verschärfte (vgl. unten).

Aufgrund dieser Änderungen sahen sich viele Lehrende und WissenschaftlerInnen plötzlich von Arbeitslosigkeit bedroht, während eigentlich Geld für ihre Weiterbeschäftigung, oft genug von ihnen selbst eingeworben, da gewesen wäre. Ein paar Kludges aus dem Ministerium sowie kreative Anwendung von Gesetzen und nicht zuletzt ein paar klärende Worte in HRG6 halfen zwar, allzu große Härten abzumildern, doch trotzdem versuchte sich das prekär beschäftigte Wissenschaftsproletariat eine Zeitlang im Widerstand -- ohne großen Erfolg.

Stattdessen wurde das Gesetz von unerwarteter Seite angegriffen: Den üblichen reaktionären Unionsländern, nach deren Geschmack, so sollte mensch meinen, HRG5 doch so recht war. Sie störte natürlich nicht die in der Praxis höchst dysfunktionale Befristungsgeschichte, sondern der einzige ansatzweise fortschrittliche Punkt im Gesetz, nämlich die Andeutung, dass es mit dem deutschen Sonderweg der Habilitation vielleicht in ferner Zukunft mal ein Ende haben könnte (Stichwort ist hier die Juniorprofessur, eine handwerklich schlecht gemachte Imitation angloamerikanischer Modelle der Sozialisation des wissenschaftlichen Nachwuchses).

Selbst das war den Männern aus Erfurt, München und Dresden (und ihren ordinierten Freunden) schon zu viel, was sie in Karlsruhe vorstellig werden ließ. In einer der dunkleren Stunden des Verfassungsgerichts bekamen sie im Juli letzten Jahres recht. Die Freude der Menschen, deren Arbeitsverträge nach HRG5 befristet waren und deren Befristungen mit dem Abschuss von HRG5 rechtswidrig geworden waren, hielt sich aber nur kurz, denn natürlich hatten die Länder erkannt, dass HRG5 vollverträglich mit den schwarzfaulsten Unikonzeptionen ist, die sie sich so ausdenken konnten.

Und so einigten sich Bund und Länder bereits im letzten Dezember auf das so genannte HRG5-Reparaturgesetz (HdaVÄndG), das dem alten HRG5 täuschend ähnlich ist, nur eben nicht als Novellierung zum HRG daher kommt, sondern als Novellierung des Dienstrechts. Die wesentlichste Änderung gegenüber dem Original war die Streichung des HRG5-Passus, nach dem die "zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen [als Einstellungvoraussetzungen für Professor/innen...], auch soweit sie nicht im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht wurden, nicht Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein" sollen -- er nämlich war von Ordinarienseite als Frontalangriff auf die Habilitation verstanden worden.

Wir wollen gar nicht diskutieren, wie viele Hunderttausend Euro aus den ach so strapazierten Uni-Etats für diese inhaltsleeren Hahnenkämpfe draufgegangen sind (denn natürlich folgten jeweils reichlich Verwaltungsakte) und kommen lieber zu den zentralen Punkten, die auch die Uni-Verwaltung in einem Rundschreiben vom 16.1. nochmal hervorhebt und die alle Studis mit Interesse an Wihi-Jobs und Promotion kennen sollten:

  • Mensch darf insgesamt im Leben maximal 4 Jahre als WiHi beschäftigt sein.
  • Bis zur Promotion darf mensch insgesamt maximal 6 Jahre (befristet) beschäftigt werden. Auf diese sechs Jahre werden WiHi-Beschäftigungszeiten, in denen mehr als zu einem Viertel der Vollarbeitszeit (d.h. derzeit mehr als 10.25 Stunden pro Woche) gearbeitet wurd, angerechnet (lasst euch das auf der Zunge zergehen!)
  • Nach der Promotion darf mensch insgesamt nochmal maximal 6 Jahre befristet beschäftigt werden, "Restguthaben" aus der Zeit vor der Promotion wird ggf. angerechnet.

Eine gute Nachricht noch für Leute, die im Augenblick Figuren in diesem Spiel sind: Bis zum 29.2.2008 gibt es eine Übergangsregelung für Menschen, die bereits vor dem 23.2.2002 in einem befristeten Arbeitsverhältnis an einer Hochschule oder gleichgeordneten Einrichtung befunden haben. Auf Schäbisch: S'pressiert wie'd Sau mit dr Diss...

Sobald sich diese Regelungen im kollektiven Studibewusstsein festsetzen, werden die Institute zunehmende Schwierigkeiten haben, ihre Wihistellen voll zu kriegen. Sie haben es verdient. Denn wäre das Berufsbeamtentum noch dreimal gruseliger als es ist: Die praktisch vollständige Fehlanzeige beim Widerstand gegen diese Sorte "Bildungspolitik" kann nicht mal dieser weitere deutsche Sonderweg rechtfertigen.

Nachtrag (20.2.2005): Der letzte Absatz dieses Artikels ist wohl etwas kryptisch geraten. Gemeint war, dass es ja schon erstaunlich ist, dass sich gegen eine Wissenschaftspolitik, die auch den ProfessorInnen der unteren Chargen recht kurzfristig schadet, so wenig Widerstand gerade aus dieser Gruppe regt. Als eine Hauptentschuldigung für ihre Untätigkeit bringen diese häufig etwas vor, das sich auf das Beamtenrecht beruft. Leider ist an solchen Argumenten ein bisschen Wahrheit dran, denn in der Tat hat die BRD aus dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat (und seinen Vorgängern) eine etwas seltsame Einrichtung geerbt: Das Berufsbeamtentum, das Staatdiener in Deutschland traditionell stärker auf den Potentaten als den Staat fixiert; Reste davon sind auch noch heute vorhanden, auch wenn das Beamtengesetz mittlerweile einen Eid auf das Grundgesetz vorsieht. Unter anderem deshalb ist es natürlich falsch, wenn ProfessorInnen ihre Untätigkeit damit begründen, sie dürften nichts gegen ihren Dienstherrn unternehmen.

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Druckfassung

Erzeugt am 16.02.2005

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