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UNiMUT aktuell: Heiße Nadeln abgekühlt

Das HRG5-Reparaturgesetz und seine Folgen

Heiße Nadeln abgekühlt (16.02.2005)

Eine der surrealeren Grotesken in der an verrückten Stunts gewiss nicht armen Debatte um eine Hochschulreform war das Gezerre um die fünfte Novelle des Hochschulrahmengesetzes, kurz HRG5 (nur zur Sicherheit: HRG6 ist eine andere Baustelle). Die Story geht in Kürze so: 2001 zeichnete sich ab, dass das Bulmahn-Ministerium zwar das HRG ändern, sich aber die Finger nicht an VS und Studiengebühren verbrennen wollte. Stattdessen kam damals eine Dienstrechtsreform mit der Kettensäge heraus, die insbesondere die Regelungen zur Befristung massiv verschärfte (vgl. unten).

Aufgrund dieser Änderungen sahen sich viele Lehrende und WissenschaftlerInnen plötzlich von Arbeitslosigkeit bedroht, während eigentlich Geld für ihre Weiterbeschäftigung, oft genug von ihnen selbst eingeworben, da gewesen wäre. Ein paar Kludges aus dem Ministerium sowie kreative Anwendung von Gesetzen und nicht zuletzt ein paar klärende Worte in HRG6 halfen zwar, allzu große Härten abzumildern, doch trotzdem versuchte sich das prekär beschäftigte Wissenschaftsproletariat eine Zeitlang im Widerstand -- ohne großen Erfolg.

Stattdessen wurde das Gesetz von unerwarteter Seite angegriffen: Den üblichen reaktionären Unionsländern, nach deren Geschmack, so sollte mensch meinen, HRG5 doch so recht war. Sie störte natürlich nicht die in der Praxis höchst dysfunktionale Befristungsgeschichte, sondern der einzige ansatzweise fortschrittliche Punkt im Gesetz, nämlich die Andeutung, dass es mit dem deutschen Sonderweg der Habilitation vielleicht in ferner Zukunft mal ein Ende haben könnte (Stichwort ist hier die Juniorprofessur, eine handwerklich schlecht gemachte Imitation angloamerikanischer Modelle der Sozialisation des wissenschaftlichen Nachwuchses).

Selbst das war den Männern aus Erfurt, München und Dresden (und ihren ordinierten Freunden) schon zu viel, was sie in Karlsruhe vorstellig werden ließ. In einer der dunkleren Stunden des Verfassungsgerichts bekamen sie im Juli letzten Jahres recht. Die Freude der Menschen, deren Arbeitsverträge nach HRG5 befristet waren und deren Befristungen mit dem Abschuss von HRG5 rechtswidrig geworden waren, hielt sich aber nur kurz, denn natürlich hatten die Länder erkannt, dass HRG5 vollverträglich mit den schwarzfaulsten Unikonzeptionen ist, die sie sich so ausdenken konnten.

Und so einigten sich Bund und Länder bereits im letzten Dezember auf das so genannte HRG5-Reparaturgesetz (HdaVÄndG), das dem alten HRG5 täuschend ähnlich ist, nur eben nicht als Novellierung zum HRG daher kommt, sondern als Novellierung des Dienstrechts. Die wesentlichste Änderung gegenüber dem Original war die Streichung des HRG5-Passus, nach dem die "zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen [als Einstellungvoraussetzungen für Professor/innen...], auch soweit sie nicht im Rahmen einer Juniorprofessur erbracht wurden, nicht Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein" sollen -- er nämlich war von Ordinarienseite als Frontalangriff auf die Habilitation verstanden worden.

Wir wollen gar nicht diskutieren, wie viele Hunderttausend Euro aus den ach so strapazierten Uni-Etats für diese inhaltsleeren Hahnenkämpfe draufgegangen sind (denn natürlich folgten jeweils reichlich Verwaltungsakte) und kommen lieber zu den zentralen Punkten, die auch die Uni-Verwaltung in einem Rundschreiben vom 16.1. nochmal hervorhebt und die alle Studis mit Interesse an Wihi-Jobs und Promotion kennen sollten:

  • Mensch darf insgesamt im Leben maximal 4 Jahre als WiHi beschäftigt sein.
  • Bis zur Promotion darf mensch insgesamt maximal 6 Jahre (befristet) beschäftigt werden. Auf diese sechs Jahre werden WiHi-Beschäftigungszeiten, in denen mehr als zu einem Viertel der Vollarbeitszeit (d.h. derzeit mehr als 10.25 Stunden pro Woche) gearbeitet wurd, angerechnet (lasst euch das auf der Zunge zergehen!)
  • Nach der Promotion darf mensch insgesamt nochmal maximal 6 Jahre befristet beschäftigt werden, "Restguthaben" aus der Zeit vor der Promotion wird ggf. angerechnet.

Eine gute Nachricht noch für Leute, die im Augenblick Figuren in diesem Spiel sind: Bis zum 29.2.2008 gibt es eine Übergangsregelung für Menschen, die bereits vor dem 23.2.2002 in einem befristeten Arbeitsverhältnis an einer Hochschule oder gleichgeordneten Einrichtung befunden haben. Auf Schäbisch: S'pressiert wie'd Sau mit dr Diss...

Sobald sich diese Regelungen im kollektiven Studibewusstsein festsetzen, werden die Institute zunehmende Schwierigkeiten haben, ihre Wihistellen voll zu kriegen. Sie haben es verdient. Denn wäre das Berufsbeamtentum noch dreimal gruseliger als es ist: Die praktisch vollständige Fehlanzeige beim Widerstand gegen diese Sorte "Bildungspolitik" kann nicht mal dieser weitere deutsche Sonderweg rechtfertigen.

Nachtrag (20.2.2005): Der letzte Absatz dieses Artikels ist wohl etwas kryptisch geraten. Gemeint war, dass es ja schon erstaunlich ist, dass sich gegen eine Wissenschaftspolitik, die auch den ProfessorInnen der unteren Chargen recht kurzfristig schadet, so wenig Widerstand gerade aus dieser Gruppe regt. Als eine Hauptentschuldigung für ihre Untätigkeit bringen diese häufig etwas vor, das sich auf das Beamtenrecht beruft. Leider ist an solchen Argumenten ein bisschen Wahrheit dran, denn in der Tat hat die BRD aus dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat (und seinen Vorgängern) eine etwas seltsame Einrichtung geerbt: Das Berufsbeamtentum, das Staatdiener in Deutschland traditionell stärker auf den Potentaten als den Staat fixiert; Reste davon sind auch noch heute vorhanden, auch wenn das Beamtengesetz mittlerweile einen Eid auf das Grundgesetz vorsieht. Unter anderem deshalb ist es natürlich falsch, wenn ProfessorInnen ihre Untätigkeit damit begründen, sie dürften nichts gegen ihren Dienstherrn unternehmen.

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Erzeugt am 16.02.2005

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