70 % sollen zahlen - neuer Vorstoss der HRK zur Einführung von Studiengebühren (07.03.00)

Laut Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) unternimmt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) einen neuen Versuch bundesweit Studiengebühren einzuführen, diesmal in der Form von „Bildungsgutscheinen“ und „Studienkonten“. Aus der Unterfinanzierung der Hochschulen folgern die Rektoren, dass Studiengebühren an der Zeit wären, „um für die Hochschulen mehr Geld zu bekommen“. 70% aller Eltern mit studierenden Kindern sollen demnach bald für Hochschulbildung bezahlen.

Die HRK schlägt ein Gebührenmodell mit Bildungsgutscheine und einer „kräftigen, allerdings sozial gestaffelten Zuzahlung der Eltern“ vor. Aufgrund der baldigen Erhöhung des Familienlastenausgleichs stünden den Familien höhere Einkommen zur Verfügung, die „neue Spielräume und eigene Investitionen in die Ausbildung der Kinder eröffne“, so die HRK. Analog zum Bausparen soll auch Bildungssparen steuerlich vergünstigt werden. Kinder, deren Eltern nicht gespart hätten, könnten zurückzahlbare Darlehen für ein Hochschulstudium erhalten. Eltern werden aber als Finanzierungsnorm für die Bildung ihrer Kinder dargestellt. „Mit dem Vorschlag der HRK wird nicht nur die starke Abhängigkeit der StudentInnen von ihren Eltern weiter forciert, sondern auch die endgültige Privatisierung des Grundrechts Bildung durchgepeitscht“, kritisiert der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) das Gebührenmodell. Zudem würde der Druck auf StudentInnen erhöht, schnell und die Fächer zu studieren, die später Gewinn brächten. Die BAföG-Pläne der Bundesregierung kritisierte die HRK und wünschte sich, dass das zusätzliche Geld bei den Hochschulen verbleiben möge.

„Selbst CSU-Politiker, wie der bayerische Bildungsminister Zehetmair haben inzwischen begriffen“ merkt jedoch Kerry Sailer vom fzs an „dass Studiengebühren den Rückzug der staatlichen Finanzierung der Hochschulen einläuten und den Hochschulen nicht zusätzlich zur Verfügung stehen würden. Ausserdem mutet eine Kritik an einer misslungenen BAföG-Reform nur mehr zynisch an, wenn gleichzeitig Studiengebühren gefordert werden, die mit dem Ziel der Chancengleichheit für alle unabhängig von Herkunft klar unvereinbar sind. Wenn nur deshalb das BAföG als unzureichend kritisiert wird, weil ohne besseres BAföG keine Studiengebühren eingeführt werden können, bleibt uns buchstäblich die Spucke weg.“

Auch Bundesbidlungsministerin Buhlman scheint Gebühren nicht völlig abgeneigt. Zwar betont sie, sie sei gegen Gebühren, unternimmt aber wenig und möchte nur in einem Staatsvertrag festschreiben, dass Studieren bis zu "einem ersten, berufsqualifizierenden Abschluss" gebührenfrei bleibt. Was das ist, kann dann allerdings beliebig festgelegt werden: der Bachelor, die Promotion - oder gar die Zwischenprüfung? Oder nur die Zeit, in der man theoretisch einen Abschluss machen kann? Für Baden-Württemberg wird ein Staatsvertrag sowieso nichts bringen: Regelungen, die bereits vor dem Staatsvertrag bestehen, wären ausgenommen. Und Prüfungsgebühren kann man mit einer solchen Formulierung sowieso nicht verhindenrn.

Ein Nachtrag zu diesem Artikel findet sich unter dem Datum des 9.3.

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Komplexer Meinungsbildungsprozess in der HRK doch noch nicht abgeschlossen (08.03.00)

Zu den von der Deutschen Presseagentur veröffentlichten Berichten zu Überlegungen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Sachen Studiengebühren stellte HRK-Präsident Professor Dr. Klaus Landfried am Mittwoch (8. März) in Bonn klar: "Angesichts der aktuellen politischen Debatte um Bildungsgutscheine, Studienkonten und Studiengebühren, um die Strukturreform des BAföG sowie angesichts der anhaltenden Unterfinanzierung der staatlichen Hochschulen sieht sich auch die Hochschulrektorenkonferenz aufgerufen, in diesen Fragen wenn möglich eine gemeinsame Position ihrer Mitgliedshochschulen zu entwickeln. Dies wird - nach ständiger Praxis der HRK - in zwei Kommissionen der HRK vorbereitet, bevor das Präsidium nach eigener Beratung die beschlussfassenden Gremien Senat und Plenum befasst. Die von der Deutschen Presseagentur verbreiteten Berichte sind insoweit irreführend, als nur aus vorläufigen Diskussionsunterlagen bzw. über Ansichten einzelner Kommissionsmitglieder berichtet wird. Richtig ist: Es gibt keinen neuen Vorschlag der HRK zum Thema Studiengebühren. Die Hochschulrektorenkonferenz befindet sich am Beginn eines komplexen Meinungsfindungsprozesses. Sein Ausgang ist offen. Eine öffentliche Debatte zum jetzigen Zeitpunkt ist daher unklug. Ich werde mich daran nicht beteiligen."

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Nachtrag zum 7.3.: Bulmahn will nicht zahlen (09.03.00)

Nach Bekanntwerden der Pläne der HRK hat Bundesbildungsministerin Bulmahn vor einer neuen Studiengebühren-Debatte gewarnt, da dieser Bericht dem Unimut erst heute vorlag, konnte er im Bericht vom 7.3. nicht verarbeitet werden und wird im folgenden dokumentiert.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat die deutschen Hochschulrektoren eindringlich vor einer neuen Debatte über die Einführung von Studiengebühren gewarnt. Man könne nicht einerseits durch niedrige Steuern und mehr Kindergeld endlich die Familien entlasten, andererseits dieses Geld gleich wieder «durch Studiengebühren abkassieren», sagte Bulmahn am Montag der dpa in Berlin. Die Gebühren-Befürworter unter den Rektoren hatten darauf verwiesen, dass vom Jahr 2002 an mit der zweiten Stufe des Familienlastenausgleichs vielen Eltern ein höheres Netto-Einkommen verbleibt, was dann höhere Ausgaben für die Ausbildung der Kinder ermögliche.

Bulmahn geht davon aus, dass sich die Länder in Kürze auf den Vorschlag des rheinland-pfälzischen Bildungsministers Jürgen Zöllner (SPD) verständigen werden und «mit einem Staatsvertrage bundesweit Studiengebühren-Freiheit bis zu einem ersten, berufsqualifizierenden Abschluss besiegeln». Auch das von einigen Rektoren ins Gespräch gebrachte Modell «Bildungssparen für Studiengebühren» lehnte Bulmahn ab. An die Hochschulrektoren appellierte Bulmahn, schnell die neu entflammte Gebührendebatte zu beenden. «Wir dürfen junge Menschen in unserem Land nicht vom Studium abschrecken. Wir sind auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen.»

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Stadträte verlegen die Politik auf die Strasse (14.03.00)

Aktionsformen die bisher vornehmlich von Nicht-StadträtInnen an zukünftigen Landebahnen, zu verbreiternden Bundestrassen und geplanten Autobahntrassen erprobt wurden, finden scheinbar immer mehr gefallen bei PolitikerInnen. Im bekanntermassen "knallhart durchgreifenden" Bundesland Bayern kletterte vor zwei Tagen ein Münchner Stadtrat auf Bäume, die nahe dem Viktualien-Markt in der Landeshauptstadt stehen. Dort verbrachte er die vergangenen Nächte ohne Nahrungsaufnahme in einer Hängematte um gegen die bereits erfolgte Abholzung mehrerer Bäume zu protestieren und um auf weiterer von Kettensägen bedrohten Bäume hinzuweisen. Da der Politiker vom münchner Umweltbündnis "David gegen Goliath" inzwischen auch die Flüssigkeitsaufnahme verweigert, wird er wohl nicht mehr lange aushalten, aber vielleicht war das auch nur ein erstes hoffnungsvolles Beispiel dem andere PolitikerInnen folgen werden. Denn Bäume soll es nach Wunsch des Stadtrats in München genügend geben, für jeden gefällten Baum fordert er, dass zehn neue gepflanzt werden sollen.

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Uni Wien: Besetzungen und Proteste gegen schwarz-blaue Regierung (20.03.00)

Auf einer Vollversammlung im beinahe voll besetzten Audimax der Universität Wien wurde beschlossen, ab 22. März in einen "aktiven Streik" gegen die neue Regierungskoalition aus Haiders FPÖ und Schüssels ÖVP zu treten. "Aktiv" bedeutet dabei, dass alle StudentInnen aufgefordert werden, nicht einfach zu Hause zu bleiben, sondern sich an Aktionen zu beteiligen. Das Audimax wurde mit sofortiger Wirkung als besetzt erklärt und dient seitdem als Kommunikationszentrum für den Widerstand. Gerüchte besagen, dass der "Ring Freiheitlicher Studenten" (RFS) und einige Burschenschaftler angeblich einige Lehrveranstaltungen im Audimax trotzdem stattfinden lassen wollen und die Besetzung notfalls gewaltsam beenden werden.

Wie wichtig eine Streikzeitung für die Organisation der vielfältigen Aktionen ist, wissen alle Studierende, die bei vergangenen Streiks an der Uni Heidelberg mitgemacht haben. Die Streikzeitung der Uni Wien und viele weitere Informationen sind ab sofort unter http://strike.action.at im Internet abrufbar.

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