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UNiMUT 141 vom 4.12.97

Inhalt

Streik-Chronik

Dienstag, 14 Uhr, Institut für Übersetzen und Dolmetschen: 300 Studis des Instituts beschließen, den Streik bis nächste Woche fortzusetzen; neben kämpferischen Tönen gibt es auch leisere Stimmen, weswegen Leute in der Prüfungsphase von den Streikmaßnahmen ausgenommen werden und scheinpflichtige Übungen zur Not stattfinden dürfen.

P in Heidelberg
Proteste in Heidelberg: Auch die Stadt unterstützt die streikenden Studierenden

10 Uhr, Aula neue Uni: Rund 350 BesucherInnen hören sich an, was zwei Studis, drei Profs und zwei MittelbauvertreterInnen (darunter die Ex-Frauenbeauftragte Schuchardt) zur Situation in der Anglistik zu sagen haben. Einigkeit herrscht, dass die Spargeschichte die Sprachwissenschaft furchtbar hart getroffen hat. Der Rest des Fachbereichs sei damit aber keinesfalls aus dem Scheider. Interessant war, dass bei kontroversen Fragen die Fronten keineswegs entlang den Gruppengrenzen verliefen.

12 Uhr, Bahnhofsvorplatz: Die Marathonvorlesung geht in ihre vierte Stunde, gerade erzählt Herr Schlotter über die Lehren, die mensch aus den Vorgängen im ehemaligen Jugoslawien ziehen kann. Der Bus, in dem das alles stattfindet, ist gut besetzt, ein paar Neugierige treiben sich im Schallkegel der Außenlautsprecher rum und werfen hin und wieder zaghafte Blicke.

Halb eins, Bunsenplatz: "Bildungskick gegen Spartick" sagen sich zwei Minimannschaften aus dem Sportinstitut und spielen auf 200 von Bierbänken begrenzten Quadratmetern Fußball. An ZuschauerInnen herrscht kein Mangel, weil ein paar Meter weiter mitten auf der Hauptstraße der Verkehr von der Reise nach Jerusalem der Hochschule für jüdische Studien behindert wird. Zwanzig Leute beteiligen sich an dem Verdrängungswettbewerb um Drittmittel, Seminarplätze und Bücher, und doch verlieren alle von ihnen, denn die Regel ist, dass nach jeder Runde ein Platz gekürzt wird. Welch Metaphorik!

Mal frei, mal besetzt
mit dem neuen Protestleitsystem soll das streikige Durcheinander in etwas ordentlichere Bahnen gelenkt werden. Hierzo soll auch das Schloss in die Altstadt verlegt werden. Während das 13. Semester komplett streikt, sind im 12. Semester noch Kapazitäten frei!

Gegen eins, im Praktisch-Theologischen Seminar: Podiumsdiskusssion mit Studis und Profs der Theologie. Die meisten Profs sind sehr angetan vom Streik, zumeist seien die alternativen Veranstaltungen hervorragend gelaufen; dennoch sprechen sie sich für die Rückkehr zur Normalität aus, um lieber nochmal "Rabatz" zu machen, wenn sich die MinisterpräsidentInnen mit Kohl treffen. Die Argumentation vermag die Studis aber mehrheitlich nicht zu überzeugen, die VV eine Stunde später beschließt die Fortführung des Streiks bis Freitag; außerdem beschloss die VV einen Forderungskatalog, den die Fachschaft erarbeitet hatte. Ein Gegenentwurf aus dem RCDS-Lager fand nur insoweit Gehör, als die Forderung nach einem politischen Mandat für die verfasste Studierendenschaft in eine nach einem hochschulpolitischen abgeschwächt wurde.

14 Uhr, INF 235, großer Hörsaal: 200 GeowissenschaftlerInnen treffen sich zur Vollversammlung. Während sich die Diskussion anfangs etwas im Kreis dreht ("Wem schaden wir eigentlich?") wird am Ende entschieden, vom Aktionsstreik in den Totalstreik überzugehen. Die anwesenden Profs äußern Verständnis, wenn auch keine Unterstützung, und raten heftig davon ab, die verfasste Studierendenschaft, gar mit politischem Mandat, auf die Forderungsliste, gar an ihren ersten Platz, zu schreiben. Früher seien sie ja auch dafür gewesen, aber jetzt seien sie älter...

14 Uhr, anglistisches Seminar: Vollversammlung der AnglistInnen, 180 Studis sind gekommen. Nach konstruktiver Diskussion ist der Beschluss eindeutig: Auch nächste Woche wird gestreikt.

Kurz nach zwei, vor der Heiliggeistkirche: Dem Bildungsideal, wenigstens die daramatische Literatur der Weimarer Klassik zu kennen, helfen rund zehn GermanistInnen nach. Schwarz gewandet, mit weißgeschminkten Gesichtern, tragen sie leicht adaptierte Monologe aus den Stücken der Alten vor und ernten dafür viel Beifall von PassantInnen wie festen ZuschauerInnen, genug, um die Mimen zu spontanen Neuaufführungen zu motivieren.

Kurz nach zwei, Bahnhofsvorplatz: Die Marathonvorlesung sieht kunstgeschichtliche Dias an. Im Bus ist es warm, draußen fällt Schnee, und so hasten die meisten Passanten mit Höchstgeschwindigkeit ins Bahnhofsgebäude. Ob sie wissen, welcher Kunstgenuss ihnen entgangen ist?

Halb vier, neue Uni. Wieder ist eine uniweite Vollversammlung zusamengetreten, mit weniger TeilnehmerInnen als letzte Woche zwar, aber immer noch ist die Aula der neuen Uni zu klein. Nach ein paar Reden, die sich über Dummheiten diverser PolitikerInnen lustig machen, stimmt die VV über den Forderungskatalog des AK Forderungen ab (die Ergebnisse rechts, Red.). Wirklich Stimmung kommt allerdings erst auf, als verschiedene Aktionen angekündigt werden und es um die Besetzung der neuen Uni geht -- aber da sind einige schon gegangen.

Gegen 16:45: Nach der uniweiten VV formiert sich ein Zug von vielleicht 50 Studis und läuft Richtung Schloss. Eine halbe Stude später ist das Werk des AK Schloss vollbracht: Drei Transpis, zusammen etwa zwanzig Meter breit und zwei Meter hoch, hängen an den Arkaden des Schlosses, Natriumdampfbeleuchtet kann mensch weithin "Streik für Bildung" lesen. Nächstes Mal die Heringe nicht vergessen!

19:15 Peterskirche. Politisches Abendgebet der ESG, Thema "Wir brauchen Euch nicht" - Arbeitslose. Nachdem gestern ca. 70 Menschen gekommen waren (Thema - Ausländische Studierende), fanden sich heute nochmal 40 ein, zum Innehalten, Nachdenken und gemeinsamen Singen und Fürbitten. Die in dieser Form im Ursprung von Dorothee Sölle erdachte Gebetsform stellt die gesellschaftliche Dimension des Studistreiks in den Vordergrund. Empfehlung der UNiMUT-Redaktion als "Ruhepunkt" nicht nur für Christen.


Forderungen

In der letzten Woche erarbeitete der AK Forderungen einen Katalog von Forderungen, der der Vollversammlung der Uni Heidelberg am 3.12. vorlag. Bis auf Punkt drei, der mit 768:826 abgelehnt wurde, stimmte die VV mit jeweils deutlicher Mehrheit (durchschnittlich 50, maximal 200 Gegenstimmen bei rund 1700 abgegebenen Stimmen) den 12 Punkten zu. Leider liegt uns der aktuelle Forderungskatalog nicht vor, er sollte aber demnächst unter http://streik.fsk.uni-heidelberg.de/forderungen.html zu finden sein.
Der strittige dritte Punkt war:

3. Wir fordern den freien Zugang zu den Hochschulen. Die grundgesetzlich verankerte freie Studienfachwahl muß gewährleistet sein, es müssen dem Bedarf entsprechend ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen. Auswahlverfahren, wie NC oder "Qualifikationsgespräche" (die zu einer willkürlichen Aufnahmepraxis führen) dienen nur der Ausgrenzung und sind abzuschaffen. Für Studierwillige ohne Abitur sind weitere Möglichkeiten des Hochschulzugangs einzurichten und zu fördern.


Termine

täglich

10.00 Koordination der Fachschaften; Neue Uni, sonst IPW

10.00 AK Mobilisation; IPW, Café Streik

10.00 AK Medien; FSK, Sitzungszimmer

10.00 Aktion "Klagemauer"; Historisches Institut, Ecke Bunsenplatz

10.30 AK Musik; Neue Uni

11.00 Plenum "Neue Uni"; Neue Uni

12.50 AK "Up to date"; Mensa INF an den Monitoren

13.00 AK Mobilisation; IPW, Café Streik

17.00 AK Medien; FSK, Sitzungszimmer

18.00 `Dead Poet's Society'; Literature by candlelight; Anglist. Seminar

18.00 Lichterkette: "Der Bildung gehen die Lichter aus"; Bunsenplatz

18.00 AK Streikzeitung; FSK Kommt vorbei und erzählt von euren Aktionen

19.00 Plenum "Neue Uni"; Neue Uni

19.15 Politisches Abendgebet, Heute: Wir brauchen euch nicht, Dichter und Denker; Gottesdienst von ESG, KSG, aESG; Peterskirche

20.00 Koordinationstreffen Feld; Feldbüro bzw. bei den Kopierern, INF 306

21.00 Kneipenend; Foyer, Neue Uni

Streik-Cafes

Geol/Min INF 235; Geographie INF 348 Foyer; Math-Phys, INF 308 Foyer; Psychologie im Bunsenplatz Hinterhof; Ethno/Soz im Inst. f. Soziologie, 3. Sock; EWS dortselbst; IÜD im Haus zum Riesen; Politik im IPW; Südasieninstitut im Foyer; Theologie im Wiss. Theol. Seminar, Kisselgasse 1
Interdisziplinär und rund um die Uhr: Neue Uni

Donerstag, 4.12.

11.30 "Das Fass ist voll", Chemie, Bunsenplatz

13.00 Vollversammlung Medizin; HS 1, INF 306

13.00 Jonglierworkshop; Theaterplatz

13.00 bis 17.00 Studierende erledigen die Hausaufgen von Schülern, damit diese Geld fürs Studium verdienen können; Bunsenplatz

14.00 Vollversammlung MathPhys; INF 252, großer Hörsaal Chemie, danach (ca. 15.00) dort AK Ana 1 mit Gruppenleitern!!!

14.00 PH: Aktion Durchblick (Autofenster putzen); Bahnhof oder Bismarckplatz

14.00 Vorlesung: `Juristenausbildung in Europa' (Jura, Marsing); HS 10, Neue Uni

14.00 AK "Bildugspolitik in Zeiten des Neoliberalismus"; Infostand Neue Uni

14.30 AK Schulinfo, Neue Uni, Foyer

14.00 bis 16.00 Seminar Zimmermann, . Kaltschmid/EWS: `Gesellschaftlicher Nutzen von Bildung'; Bahnhof

14.00 bis 16.00 Proseminar: `Literatur der 50er Jahre'; Theaterplatz, Treffpunkt: Kino

14.00 bis 16.00 Öffentliches Hauptseminar `Lateinische Fluchtäfelchen' Petersmann und Klug; Darmstädter -- Hof -- Zentrum, Hauptstraße

14.15 Sketch mit Kay Hodgson; Probe Raum 122 Anglist. Sem., Aufführung Hauptstr.

15.00 bis 18.00 PH: Aktion auf dem Weihnachtsmarkt; Uniplatz

16.00 Chor Weihnachtsmarkt

16.00 AK Studentenwerk; im Marstall -- Nichtraucher

16.00 PH: Marching -- Band und Streik -- Chor; Bismarckplatz

16.00 VV Inst. Deutsch als Fremdsprachenphilologie, Raum 010 im Institut

16.00 bis 17.00 Ferchhoff, EWS: dadaistischer Vortrag zu Thema `Bildung 2000', Hbf

18.00 bis 21.00 Großes "Bildungs"-Gerichtsverfahren "der Student aus Aniccebanic", danach Fete (FS Jura); Aula Neue Uni

18.15 Lesung: `Creative Striking'; DAI

20.30 Diskussion: `Rückblick und Ausblick-Perspektiven eines Geographiestudiums in HD aus der Sicht von ExamenskandidatInnen'; INF 348, Raum 012

21.00 Luke Streikwalker, die Streikband: Musik zum Walken, Hüpfen und Streiken; alte PH, Kepler -- Straße)

Freitag, 5.12.

morgens Bundesweite Aktion Schuhe vor den Landtag und das Bildungsministerium

8.30 PH: New Games; Bismarckplatz

9.00 bis 13.00 Mobilisations -- AK: Stand im Historischen Seminar

10.00 Historisches InstitutAktion "Klagemauer"; Ecke Bunsenplatz

10.30 Geologie und Mineralogie: Mineralbestimmung für Passanten, mehrere Profs; Bunsenplatz

11.00 Hexen -- Zug für und mit Frauen in Freiburg, mit Hexenverkleidung, Besen, Forderungen, Plakaten etc.; Frauenraum alten Uni, Bertholdstraße 17 , Innenstadt; Kundgebung um 15 Uhr am selben Ort

11.00 AK Zukunftswerkstatt Plenum

11.00 Vollversammlung Jura; HS 6, Neue Uni

11.00 Vollversammlung Theologie, HS 007, PTS Karlstr.

11.00 AK Erstsemestertutorium "Spezielle Probleme der Analysis I"; INF 288, HS 2

11.00 bis 13.00 Praktikum: `Klinische Psychologie: Entspannungsverfahren'; Bunsenplatz

11.00 bis 13.00 Alternativseminar: `Die Augen der Universität', Jose Ortega y Gasset; Philosophisches Seminar; Kantsaal

13.00 PH: Elchtest für Bildung

13.00 bis 17.00 Infostand und "Kinderspielplatz", d.h. Spiele, Informieren der Eltern; Bunsenplatz

13.00 bis 18.00 MathPhys, seilen an der Uni `Laßt uns nicht hängen'; Neue Uni

13.45 Treffen vom SAI aus für Zug zur Demo; Stadtbücherei

14.00 KHI -- Aktion: Führung durch UB, Alte Universität, Schloß, Haus zum Ritter… Interessenten beim AK Aktion melden

14.00 "Zukunftswerkstatt", Gruppe III: "Finanzierung"; IPW (Marstallstraße), Foyer

14.00 `Die Bildung geht den Bach runter' -- Photoaktion der Anglisten; Alte Brücke

Arbeitskreise

Ein wichtiger Teil des Streiks sind die Arbeitskreise, in denen sich Studis selbstbestimmt mit Dingen auseinandersetzen, die entweder im Studium zu kurz kommen oder die während des Streiks wichtig sind. Arbeitskreise des ersten Typs gibt es vor allem auf Fachbereichsebene -- aber auch AKs auf Uniebene brauchen eure Mitarbeit. In den letzten beiden Streik-Extras waren halbwegs vollständige Listen, hier nur noch die Neuerungen:

(Die vollständige und hoffentlich aktuelle Liste im Netz unter http://streik.fsk.uni-heidelberg.de/ak.html)

AK Schloss -- hat seine Schuldigkeit getan und kann erstmal abtreten. Vielleicht findet sich aber jemand, der die Fahne am Schloss durch den gefürchteten Jolly Roger der Streikenden ersetzt? Oder ein 500 m2-Transpi die Stadtfassade runterhängt?

Mitteilungen von AKs bitte an den UNiMUT

Wir suchen das Öko-Streikcafe

Beste Erreichbarkeit mit ÖPNV--Tische nicht aus Tropenholz
Transpis aus ungebleichtem Zellstoff--Vollkorn-Streikbuttons
Bildungsgutscheine aus Ökopapier

Vorschläge erbeten an den UNiMUT oder in den Offenen Kanal:

/unimut/writable/okanal.html

Einsendeschluss ist die nächste Uni-VV


Wusstet ihr schon...

...dass sich schon 15 Freiwillige zur Aktion "Hier geht die Bildung baden" gemeldet haben? Wir fänden das auch nicht sehr beeindruckend, wenn es nicht darum ginge, am Montag um 12 in den Neckar zu springen. Wen noch mitmachen will: Im IPW (Nähe Marstall) hängt eine Liste aus.

...dass der Lehramts-NC nicht ganz vergessen ist? Am 15.12. um 18 Uhr gibts eine Veranstaltung zum Thema in der neuen Uni, am nächsten Donnerstag (11.12.) um 17:30 Uhr ein Lehramtsstreikcafe im Cafe Giesela (EWS, Akademiestr. 3). Wer am Aufbauen helfen will, möge doch ein bisschen früher kommen.


Kommentar zu "Abstimmung mit den Füßen"

Der im gestrigen UNIMUT veröffentlichte Artikel zum Thema AK Erstsemester stammt nicht von der Fachschaft MathPhys oder einem Hörer der Vorlesung Analysis 1 und ist keineswegs geeignet die Meinung dieser Gruppen zu repräsentieren. Der AK soll keine Veranstaltung gegen Herrn Rost sein, sondern ein AK für deren Hörer. Des weiteren ist ihr Zweck nicht zu erproben, ob eine Universität ohne Professoren funktionieren kann.

Dass Missstände im Bereich der Grundvorlesungen Mathematik, insbesondere der Vorlesung Analysis 1 bestehen, wird nicht bestritten. Dass diese Mißstände der Grund für den AK Erstsemester sind, versteht sich von selbst. Es gibt einen weiteren AK Ana 1, der sich mit der Lösung dieser Probleme befasst.


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Druckfassung

Erzeugt am 27.02.2003

unimut@stura.uni-heidelberg.de