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UNiMUT aktuell: Studiengebühren werden zum Flächenbrand

Studiengebühren werden zum Flächenbrand (06.11.2001 (13.50))

Seit heute ist es also offiziell: Die Trotha'schen Bildungsgutscheine werden jetzt auch in den sozialdemokratischen Paradiesen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Einzug halten, wenn auch in leicht mutierter Form. Edelgard hält eben, was sie verspricht. Weil wir dazu eigentlich gar nichts mehr sagen wollen, dokumentieren wir eine Presseerklärung des fzs zu den Vorgängen:

Heute haben die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Gabriele Behler (SPD) und der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) angekündigt, in ihren Bundesländern ein Studienkontenmodell einzuführen. Studienkonten bedeuten, daß ein bestimmtes Kontingent von Veranstaltungen an den Hochschulen kostenfrei ist. Sollte dieses Kontingent ausgeschöpft sein, werden Studiengebühren erhoben. Dazu erklärt Christian Haberecht vom Vorstand des studentischen Dachverbandes fzs (freier zusammenschluß von studentInnenschaften): "Die Einführung von Studienkonten als Modell für Langzeitstudiengebühren ist eine fatale Entscheidung, denn Studiengebühren sind eine kontraproduktive Zugangsbarriere. Schon jetzt sind die unteren sozialen Herkunftschichten an den Hochschulen kaum vertreten, wie das Deutsche Studentenwerk in seinen Sozialerhebungen regelmäßig nachweist. Es ist bildungs- und gesellschaftspolitisch verheerend nun die vielfältigen Abschreckungsmechanismen von Studiengebühren zu ignorieren und wird auf lange Sicht in die endgültige Bildungskatastrophe führen.

Die Politik hat das Interesse die durchschnittliche Studiendauer zu senken. Sie setzt mit Studiengebühren aber auf repressive Mittel und versucht nicht bei den wahren Ursachen für längere Studienzeiten anzusetzten. Weit über die Hälfte der Studentinnen und Studenten muß neben dem Studium für den Lebensunterhalt arbeiten. Daran vermochte auch die BAföG-Novelle des vergangenen Jahres nichts zu ändern. Selbstverständlich leidet darunter das Studium. Nicht umsonst liegt die Studiendauer in Städten mit hohen Lebenshaltungskosten auch höher als im Bundesdurchschnitt. Zudem sind die Studienbedingungen an vielen Hochschulen derart katastrophal, daß ein Studium in der Regelstudienzeit kaum möglich ist. Wenn die Teilnehmenden an Pflichtseminaren aufgrund der mangelnden Kapazität ausgelost werden müssen, bedarf das keines weiteren Kommentars. Die Studentinnen und Studenten nun für dievielfältigen Mißstände zu bestrafen ist demnach der falsche Weg und führt nur zu eine höheren Abbruch-Quote. Fortschrittliche Bildungspolitik sollte die Voraussetzungen für ein Studium schaffen, statt diese weiter zu beschneiden. Denn schon jetzt liegt die Bundesrepublik Deutschland laut der bekannten OECD-Studie im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen, was den Anteil eines Jahrganges angeht, der den Weg an die Hochschule findet. Es werden daher mehr Studentinnen und Studenten benötigt und nicht weniger.

Die heutige Entscheidung ist nicht zuletzt das Ergebnis der Politik von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Diese war vor über drei Jahren mit dem Versprechen angetreten, Studiengebühren auszuschließen. So war es auch im rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbart. Das Ergebnis ist eine Bankrott-Erklärung für die Ministerin. Eine frühzeitige Verankerung eines Studiengebührenverbots im Hochschulrahmengesetz (HRG) hätte das jetzige Debakel verhindern können. Ihre kaum vorhandene Glaubwürdigkeit hat heute einen weiteren Schlag erlitten."

Nachtrag (6.11., 14.20): Wer noch nicht genug gekotzt hat, kann sich das "Grundsatzpapier" von Zöllner und Behler geben (dank an den u-asta Freiburg).

Nachtrag (7.11.): in Darmstadt hat jemand mal angefangen weitere Papiere zu sammeln

Nachtrag (12.11.): Der Spiegel engagiert sich inzwischen auch in Sachen Studiengebühren und ließ eine Umfrage, nach der 75 % aller Bundesbürger für Studiengebühren ist, durchführen.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 21.08.2002


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Erzeugt am 06.11.2001

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