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UNiMUT aktuell -- Februar 1998

Wieder Reps im Marburger StuPa (1.2.98)

Als vor einem Jahr zum ersten Mal zwei Vertreter des "Republikanischen Hochschulverbandes" in das Marburger Studiparlament einzogen, war dies ein vielbeachtetes Novum -- wenn schon im roten Marburg der Schoß noch fruchtbar ist, was sollte die Republikaner hindern, ein paar Mark zu investierenund auch anderswo "Republikanische Hochschulverbände" zu gründen? An Kandidaten, so dachte mensch, würde es nicht mangeln, rechte RCDSler und Burschis hats irgendwie überall. Andererseits hatte 1997 der RCDS, 96 noch mit 8 Sitzen im StuPa vertreten, verschlafen, seinen Wahlvorschlag einzureichen, und es bestand begründete Hoffnung, dass, wenn erst wieder dieses Sammelbecken rechtskonservativer Utopien eine Liste hätte, der RHV-Spuk vorüber wäre.

Im Rest des Landes trat der RHV -- soweit die Redaktion weiß -- nicht auf, in Marburg hingegen gab es jüngst die Probe aufs Exempel für die Vermutung, der Wahlerfolg des letzten Jahres sei lediglich auf den Fauxpas des RCDS zurückzuführen. Das Ergebnis: Immerhin ein Mandat hat der RHV verteidigen können, das sind 119 Stimmen, gegenüber 182 im Vorjahr (damals hatten aber auch rund 1300 Studis mehr ihre Stimme abgegeben). So weit nicht schlimm. Beunruhigender vielleicht, dass der Fachbereich Jura immerhin 35 Studis beherbergt, denen der RCDS zu weit links steht -- 7.7% der WählerInnen. Das sind immerhin die Leute, die später mal nach den Grundsätzen der Verfassung über allerlei Rechtsstreitigkeiten von Castorblockaden bis Abschiebung zu urteilen haben.

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Urabstimmung (2.2.98)

Eines der Themen, die den Streik im letzten Jahr bewegte, war die Novelle des Hochschulrahmengesetzes, die die Bundesregierung in Abstimmung mit den Ländern hat ausarbeiten lassen. Der Gesetzentwurf soll trotz aller Proteste am 12. und 13.2. im Bundestag durchgestimmt werden. An der Zustimmung des hohen Hauses kann wohl kein Zweifel bestehen, schon, weil gerade mal 6 der 672 Abgeordneten jünger als 32 sind (wie viele Studierende unter diesen oder den übrigen sind, ist leider nicht überliefert).

Um dieses Defizit auszugleichen, plant die AG Neue Uni in Heidelberg zwischen dem 9. und 11. Februar die Studis per Urabstimmung über die HRG-Novelle befinden zu lassen -- im Idealfall werden auch andere Unis diesem Vorbild folgen. Zwar wird die Meinung der Studis im Gesetzgebungsprozess gewiss keine Rolle spielen, aber es wäre doch fatal, wenn das dümmlich-optimistische Geschwätz so mancher Rektoren die einzige Reaktion auf die Novelle aus den Hochschulen wäre. Von da her bleibt nur, der Aktion gutes Gelingen zu wünschen.

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Kein Werk der Studis (3.2.98)

Im vorletzten UNiMUT haben wir über die unangenehmen Pläne des Wissenschaftsministeriums für die Studentenwerke des Landes berichtet. Wer den Artikel gelesen hat, wird sich denken können, dass die Betroffenen, also insbesondere Studivertretungen und GeschäftsführerInnen, diese Pläne nicht ganz unwidersprochen hinnehmen wollen. Von letzterer Seite existiert bereits ein ausgearbeiteter Gegenentwurf -- Anmerkungen der FSK zur Reform werden in Kürze im UNiMUT zu lesen sein.

Ungewohnterweise will das Ministerium nun mal mit den Betroffenen reden und sogar die Gegenentwürfe und Anmerkungen berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird zur Zeit ein "AK Studentenwerksreform" konstituiert, der gegen Anfang 1999 Ergebnisse präsentieren soll -- bis dahin haben die Studiwerke also eine kleien Atempause. Aber schon Konstitution dieses "AK" ist eigentlich ein Skandal. 10 Menschen sollen sich da gegenübersitzen, handverlesen vom leider immer noch zuständigen Staatssekretär Machleidt. Neben VertreterInnen der ProfessorInnenschaft von FHs und PHs wird unser Rektor Siebke für die Unis in diesem AK sitzen, pikant, weil allgemein bekannt ist, dass er im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen eine Eingliederung der Studentenwerke in die Unis befürwortet.

Noch lustiger ist die Vertretung der Studis zustandegekommen. Nachdem Machleidt zu aller Überraschung zugestanden hatte, dass drei (ja, wirklich drei!) Studierende mitdiskutieren dürfen, wurde zunächst ausgeschlossen, dass eineR davon aus Heidelberg kommen könne, Heidelberg sei ja schon durch seinen Rektor vertreten. Als die LAK, also die für Univerhältnisse demokratisch legitimierte Vertretung der Studierenden auf Landesebene, dann drei Studierende benennen wollte, wurde ihr beschieden, ihr stünden nur zwei Sitze zu, der dritte sei bereits fest für einen RCDS-Menschen aus Mannheim reserviert.

CDU-Mann Machleidt (bzw. sein Adlatus) fand nicht, dass gerade bei dieser für Studierende doch sehr sensiblen Materie jeder Anschein der Parteilichkeit extrem schädlich wäre.

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Die Guten und die Bösen (4.2.98)

Nicht nur ordentliche Studierende fanden sich zur Diskussionssendung des Deutschlandfunks ein...

Nicht in der Triplexmensa, im viel intimeren und auch vergitterten Senatssaal stellte sich Rektor Siebke gemeinsam mit einer handverlesenen Schar Professoren (Chefschleiferin Weigelin-Schwiedrcyk, Ex-Rektor Sellin und der Prorektor Horner waren darunter) und nicht ganz so handverlesenen Studierenden den Fragen von zwei MitarbeiterInnen des Deutschlandfunks zum Thema "Traditionsuniversität im Wandel". Wie im lezten UNiMUT berichtet, hatte der Rektor aus Furcht vor den "unordentlichen Studierenden" die Veranstaltung verlegen lassen, und so war der ZuschauerInnenraum eher dünn besetzt.

Der Vertreter des Ministeriums wurde von einer Überwachungskamera erwischt, als er auf dem Klo geistigen Getränken zusprach. Wer hätte gedacht, dass der große Lauschangiff schon im Rektorat angekommen ist?

Am Anfang der Veranstaltung sah auch alles danach aus, als würde die Veranstaltung ohnehin nur eine Schlafpille. Siebke widerholte sein gewohntes Elitengequatsche und schwor Stein und Bein, die Uni Heidelberg sei wirklich besonders toll. Erst nach einer Weile wachten die Studis auf und forderten nachhaltig eine Demokratisierung der Hochschulen, dachten aber durchaus auch an die anderen Opfer der sozialen Kahlschlagpolitik -- womit die anwesenden Professoren nicht viel anfangen konnten, und auch nicht zwei von Siebke persönlich eingeladene Studierende, sehr ordentliche und "konstruktive" Genossen übrigens. So redeten beide Gruppen weitgehend aneinander vorbei.

Immerhin hätte sich Siebke beinahe in einen seiner bekannten Wutanfälle zu steigern vermocht, das Wort "Studenten" kam ihm nur noch mühsam über die Lippen. Richtig böse wurde er, als ein Studierender aus dem Publikum ein Diktum des späteren RAF-Opfers und Reichsstudentenführers Hans-Martin-Schleyer zitierte, der, als er 1935 hier in Heidelberg die Studis im Studentenwerk vertrat, von Aussieben und Ausmerzen redete. Leider wurde Siebkes "Jetzt hörts aber auf" und sein späteres "Den [Studi, der das gesagt hat] will ich nie wieder sehen" nicht übertragen. Vielleicht ist es ja wirklich etwas arg, die Ausmerzung der dummen Studis, die Siebke vorhat, mit der Selektion der Nazis zu vergleichen. Ob Siebkes Betroffenheit aber wirklich nur daher kam, will die Redaktion nicht entscheiden.

Obwohl schließlich doch ziemlich viele unordentliche Studierende den Weg in den Senatssaal gefunden haben, ist Siebke wohl nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Keine bösen Worte über Ineffizenz der Demokratie waren ihm zu entlocken. Dennoch wird auch durchs Radio deutlich geworden sein, was für eine außerordentlich schwierige Person der Noch-Rektor der Uni Heidelberg ist.

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Keine Meldungen (5.2.98)

Trothas Kugelschreiber

Wenn ihr schon immer mal wissen wolltet, was mit euren Einschreibegebühren passiert, seht euch den Kugelschreiber oben an. Kugelschreiber dieser Art wurden vor einem guten halben Jahr unter die Leute gebracht, zusammen mit Plakaten und Geduldsspielen, auf denen jeweils "Zukunftsinitiative Junge Generation -- Eine Initiative der Landesregierung" zu lesen war. Umsonst war das bestimmt nicht, und der Redakteur schreibt bis heute gern mit dem Kugelschreiber (das Geduldsspiel ist irgendwann kaputtgegangen).

Kritische Geister mögen nun finden, dass Kugelschreiber, Plakate und Geduldsspiele nicht das sind, wofür sie ihre Einschreibegebühren zahlen. Etwas anderes als Kugelschreiber, Plakate und ihr wisst schon aber war bislang nicht zu sehen von dieser "Zukunftsinitiative". Und so fragte ein Freiburger Studi mal beim Landtag an, wofür die Mittel der "Zukunftsinitiative" (abgesehen von Kugelschreibern, Geduldsspielen und Plakaten) eigentlich ausgegeben wurden oder werden sollen. Das Ergebnis der Anfrage war, dass zumindest dem Finanzausschuss nichts dergleichen vorliegt und dieser sich deswegen auch schon beschwert hat. Finanzminister Mayer-Vorfelder soll daraufhin die Erarbeitung eines solchen Plans zugesagt haben. Schön, dass eine Werbeagentur, ein Kugelschreiberhersteller, ein Geduldsspielhersteller und eine Plakatdruckerei schon mal produzieren durften, auch wenn es die "Initiative" noch gar nicht gibt. Früher hieß sowas Industriepolitik oder konzertierte Aktion. Da war es aber auch besser getarnt.

Und wo wir schon bei Nullmeldungen sind: Der belgische Tortenanachist Noel Godin hat wieder zugeschlagen und diesmal Bill Gates getroffen. Für eine begrenzte Zeit spiegelt der UNiMUT einen entsprechenden Filmausschnitt von AP TV.

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Neutronen, wie mensch sie will (6.2.98)

Nach dem Baubeginn in Garching ist es etwas still geworden um den Forschungsreaktor FRM-II, den die TU München als Neutronenqulle verwenden will. Umstritten ist der Rektor vor allem, weil er mit hochangereichertem Uran betrieben werden soll, dem Stoff, aus dem die Bombe ist (na ja, sein könnte doch wenigstens). Und so war das Projekt auch im UNiMUT schon einige Male erwähnt (etwa UNiMUT aktuell Januar 97): Immerhin baut hier eine Universität für den Bedarf der Wissenschaft -- sagt sie. Dass da auch viel Siemens-Demonstration dabei ist, von wegen, mit ausreichend Bestimmtheit kann mensch auch in der BRD noch Atomkraftwerke bauen, hatten wir schon spekuliert.

Atomwaffentest in Landshut
Beim ersten deutschen Atomwaffentest am 4.3.2003 musste leider das beschauliche Städtchen Landshut geopfert werden.

Die Spekulation lag besonders nahe, weil es Neutronenquellen gibt, die in fast jeder Hinsicht einem Reaktor überlegen sind, etwa nach Sicherheit und Verfügbarkeit oder Regelbarkeit nach Spektrum und Intensität: Spallationsqullen, die im Wesentlichen auf erprobten Elementarteilchenbeschleunigern aufbauen. Doch die TU München hatte Einwände namhafter WissenschaftlerInnen, eine Spallationsquelle würde den Anforderungen weit besser genügen, mit den üblichen Totschlagsargumenten weggefegt, etwa in der Art von "der Standort Deutschland und der Wissenschaftsstandort Garching brauchen einen Reaktor und keine Spallationsqulle".

Was für ein Unsinn das war, war damals jedem/r PhysikerIn klar -- spätestens jetzt sollte auch die breitere Öffentlichkeit merken, dass der Reaktor mit "Wissenschaftsstandorten" nicht zu tun hat. In Science vom 23.1.98 wird gemeldet, US-Vizepräsident Al Gore habe einen Plan vorgelegt, am Oak Ridge National Laboratory -- ironischerweise ein Labor der Nuklearenergieleute des Department of Energy (DoE) -- für 1.3 Milliarden Dollar eine gewaltige Spallationsquelle errichten zu lassen (online im Physics News Update 357). Neutronen "with just the right wavelength" (das ist eins der Probleme mit dem Reaktor) mit einem "high neutron flux" und exaktem Timing der Neutronenpulse. Nur, wer an einer solchen Neutronenquelle gar keine Strahlzeit bekommt, wird sie am dreckigen Garchinger Reaktor beantragen. Manchmal wünscht mensch sich schon, Politik und Wissenschaft würden etwas mehr Abstand voneinander halten.

Nachtrag (7.11.2001): Laut einer gemeinsamen Presseerklärung von BMBF und dem Bayerischen Wissenschaftsministerium vom 25.10.2001 haben Bayern und der Bund vereinbart, dass der FRM-II -- der übrigens immer noch nicht läuft, da die 3. Teilerrichtungsgenehmigung von der rot-grünen Regierung genau wegen des HEU verschleppt wurde -- bis 2011 auf mittelangereichertes Uran (etwa 50% U-235) umgestellt wird. Im Gegenzug wird das Genehmigungsverfahren "zügig" durchgeführt. Wolf-Michael Catenhusen, der zuständige parlamentarische Staatssekretär der Bundesregierung, sagte dazu, die Vereinbarung sichere "die Interessen der Wissenschaft, die für ihre Forschungsarbeiten auf leistungsfähige Neutronenquellen angewiesen ist." Wie schön, dass Entscheidungen dieser Art vor allem von Leuten getroffen werden, die vermutlich nur eine sehr vage Vorstellung haben, was ein Neutron denn eigentlich so sei.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 16.05.2002, 28.03.2003, 30.01.2001

Damals... vor 150 Jahren (12.2.98)

Am 12.2. vor 150 Jahren beantragte der Abgeordnete Bassermann in der zweiten Kammer des Badischen Parlaments, der Bundestag solle aufgefordert werden, ein Deutsches Parlament einzuberufen. 20 Tage später brach in Paris die Februar-Revolution aus, die das Regime des "Bürgerkönigs" Louis Philippe wegfegte und die in ganz Europa Bewegungen für Freiheit und Demokratie inspirierte.

Heute erinnert das Badische Landesmuseum in einer Ausstellung und auf einer WWW-Seite an die damaligen Ereignisse. Ab 28.2. im Karlruher Schloss: 150 Jahre Revolution in Baden-Württemberg. Wobei immer noch fraglich ist, ob mensch nicht dazu sagen sollte, dass der Württemberger Anteil an der Revolution nicht so berauschend war.

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1400 Menschen und das HRG (14.2.98)

Die meisten werden es schon aus den Nachrichten wissen: Die knapp 700 Bundestagsabgeordneten haben sich mehrheitlich -- will sagen, in der Koalitionsmehrheit -- für die Novellierung des HRG nach Art des Hauses Rüttgers ausgesprochen. Lustig vor allem die Aussage irgendeines Hinterbänklers in der Debatte, der als großen Vorteil der Novellierung hervorhob, sie ermögliche endlich auch BRD-Unis, international anerkannte Abschlüsse anzubieten. Was natürlich selten dummes Zeug ist -- welche "internationale" Körperschaft wäre schon in der Lage, Abschlüsse als gut oder schlecht zu werten. Und wer meint, "Bachelors" und "Masters" seien schon deshalb anerkannt, weil er/sie nicht weiß, was diese Worte bedeuten, sollte sich überlegen, ob er/sie die Bedeutung von Worten wie "Diplom", "Magister" oder "Doktor" denn wirklich kennt.

Wie dem auch sei, nicht nur im Bundestag gabs was abzustimmen, denn dankenswerterweise hat die AG Neue Uni auch in Heidelberg abstimmen lassen. Bei der Befragung von 700 repräsentativ ausgewählten Studis (das waren die, die zu den Ständen in den Mensen kamen), haben sich 92% gegen die HRG-Novellierung ausgesprochen. 1% der abgegebenen Stimmen waren ungültig, immerhin 7% fanden die HRG-Novelle klasse. Alternativ haben es diese 7% dem Redakteur nachgetan und blind "Nein" angekreuzt, was angesichts der Aussage "Ich lehne diese HRG-Novelle ab" natürlich falsch, beim schlichten Schlagwort "HRG-Novelle" aber goldrichtig ist.

Zwei mal 700 Bundesbürger, so verschiedene Meinungsbilder. Allerdings besteht noch Hoffnung, dass die Stimme der Studis nicht ganz ungehört verhallt. Die SPD bläht sich, weil sie im Novellierungsprozess "übergangen" worden sei (was so nicht ganz stimmt, vgl. Handelseinig? im UNiMUT aktuell vom August) und will, sofern nicht Bundespräsident Roman "Ruck" Herzog das Gesetz von sich aus an den Bundesrat gibt, zu Herzogs früherem Brötchengeber nach Karlsruhe gehen. Der Vorteil davon wäre, dass das Konglomerat von dummen oder doch wenigstens unausgegorenen Ideen, das Rüttgers da auf die Hochschulen loslassen will, noch eine Weile in der Warteschleife hängen würde. Lange genug wohl, dass mensch sehen wird, ob eine SPD-Regierung sich noch an ihre Oppositionstag erinnern und ein Verbot von Studiengebühren reinschreiben wird.

Nachtrag (18.2.98): Das amtliche Endergebnis der Abstimmung ist: 636 Stimmen gegen das HRG, 48 dafür, 6 ungültige Stimmen.

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Leukämie nicht nur in Sellafield (18.2.98)

Von Leukämie hört der Durchschnittsmensch eigentlich nur im Zusammenhang mit Nuklearenergie (Krümmel und Windscale "a leak a week" Sellafield sind ganz heiße Kandidaten für eine gute Korrelation) und auf den Titelseiten der Bildzeitung, wenn es wieder mal ein süßes Baby erwischt hat, das von den LeserInnen gerettet werden soll. Leukämie tritt aber bedauerlicherweise nicht nur bei süßen Babies und in der unmittelbaren Nachbarschaft von AKWs auf, auch in Heidelberg gibt es immer wieder Fälle, auch unter Studis. Carsten B. ist einer davon.

Menschen mit Leukämie sterben typischerweise an Anämie, ihr Knochenmark verliert schlicht die Fähigkeit zur Produktion roter Blutkörperchen. Sie müssen aber nicht sterben: Durch Transplantation von gesundem Knochenmark kann vielen von ihnen geholfen werden. Das Problem dabei ist nur die Beschaffung des Knochenmarks, denn der Gewebetyp von SpenderIn und EmpfängerIn musss fantastisch genau übereinstimmen. In diesem Sinne ist Knochenmark, und damit Blut, in der Tat ein ganz besonderer Saft, denn etwa Nierentransplantationen sind da bei weitem nicht so kritisch. Bottom line: Leukämie ist im Prinzip mit guten Aussichten heilbar, mensch braucht aber eine gewaltige Menge potentieller SpenderInnen.

Aus diesem Grund gibt es seit einiger Zeit Datenbanken von Gewebetypen, die bei Bedarf durchgesehen werden. Für Carsten B. fand sich keinE geeigneteR SpenderIn. So hat sich eine Aktionsgruppe um Cornelius Honold gebildet, die versucht, ihm doch noch zu helfen. Ein Schritt dazu ist eine Typisierungsaktion, die am 16.5. im DAI stattfinden soll. Dort ist nicht mehr nötig als eine Blutprobe. Auch wenn ihr Carsten selbst nicht helfen könnt, ist die Typisierung dennoch eine gute Sache: Wenn ihr euch in besagte Datenbank eintragen lasst, könntet ihr irgendwann auch mal einen anderen Leukämiekranken retten, wenn er gerade euren Gewebetyp hat. Haltet euch den Termin doch mal frei.

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Harte Worte (19.2.98)

Von "Stasi-Methoden" sprach die SPD-MdL Carla Bregenzer, Wissenschaftsminister Trotha sagt dazu nur "berechtigt und korrekt" und meint damit sein Verhalten. Was ist passiert? Während der jüngsten Studistreiks hatte Trotha augenscheinlich kalte Füße bekommen und den Rektoren der Pädagogischen Hochschulen des Landes einen Brief geschrieben, in dem mit Datum vom 5.12. Folgendes zu lesen war:

Das Ministerium bittet um kurzfristige Äußerung, ob die Protestaktionen der Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen zu Rechstverstößen geführt haben. Insbesondere bittet das Ministerium um Information, ob Prüfungen behindert worden sind oder ob Lehrveranstaltungen unmöglich gemacht worden sind.
Fair enough, möchte mensch noch sagen, der Mann interessiert sich immerhin für uns.

Nicht mehr so lustig ist, was sich Ende Januar anschloss. Damals hatten Studis der PH Ludwigsburg bei der Übergabe eines Neubaus für die FH Druck Erwin Teufel persönlich gestört, und Trotha meinte augenscheinlich, jetzt wirklich etwas tun zu müssen. Jedenfalls bekam der Rektor der PH Ludwigsburg einen "Vermerk", der beklagte, "einmal mehr" seit "unter der Anleitung von Studierenden der PH Ludwigsburg eine Veranstaltung mit dem [sic!] Herrn Ministerpräsidenten gestört" worden. Dies nimmt der Ministerialrat Escher zum Anlass, um die Beantwortung von sieben Fragen zu bitten:

1. Wie ist an der PH Ludwigsburg der ASTA organisiert?
2. Existiert auch ein sogenannter USTA an der PH Ludwigsburg? Wenn ja, ist dieser in seiner personellen Zusammensetzung mit dem ASTA identisch?
3. Stellt die PH Ludwigsburg dem sogenannten Streikbüro ein Büro zur Verfügung?
4. Wenn es Räumlichkeiten des ASTA sind, die benützt werden, sind Aufschriftem mit "Streikbüro" etc. anzutreffen?
5. Was für eine Nummer ist die Info-Hotline [da ist auch im Original kein Komma] die auf beiliegendem Flugblatt angegeben ist?
6. Ist der Internet-Anschluß über die PH Ludwigsburg geschaltet?
7. Wieviel [sic!] Studierende der PH Ludwigsburg arbeiten in dem sogenannten Streikbüro mit?
Insgesamt macht dieser Fragenkatalog nicht gerade den Eindruck von Stasi-Ermittlungen (obwohl die auch manchmal so stümperhaft vorgegangen sind), der Eindruck, das Ministerium wolle hier den Studis, mit etwas Pech sogar dem Rektor, an den Karren fahren, ist aber auch nicht zu vermeiden. So schön es ist, dass Trotha, der ja nicht mit Widerstand gegen seine Sorte Hochschulreform rechnete, eingesehen hat, dass er sich sauber verrechnet hat, so wenig sind ministerielle Erlasse der Art "Sperren Sie diesen Anarchisten den Internet-Zugang" oder "Bringen Sie den AStA dazu, das Streikbüro rauszuwerfen" wirklich nötig. Das Ministerium hat schon viel Unsinn gemacht. Ordern dieser Art sind ihm durchaus zuzutrauen.

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Schweigen am Bunsenplatz (14.1.98)

"Der Protest geht weiter", verkündete ein Transparent, als sich heute gegen sechs rund hundertfünfzig Studis zum Schweigen am Bunsenplatz versammelten. "Wenn friedlich reden nützte, müssten die Leute, die etwas zu sagen haben nicht schweigen", war erklärend auf einem anderen zu lesen.

Die Mittwochsaktion dieser Woche ließ in der Tat auch die meisten PassantInnen verstummen -- die, die nicht freiwillig ruhig waren, wurden mit in vielen Vorlesungen geübten Zischlauten zur Ruhe gemahnt. Kurz vor sieben fand die Kundgebung mit Sirenentönen und Feuerspucken ein Ende, Interessierte konnten sich danach noch in der neuen Uni über das, was nach dem Streik kommt, informieren. Ob sie den Eindruck gewannen, die heutige Aktion sei nur die "Ruhe vor dem Sturm" gewesen, wie das ein weiteres Transparent beschwor? Und ob Rektor Siebke Sorgen hatte, sein Vorlesungsgebäude könne schon wieder besetzt werden?

Bei allen Fragen ist jedenfalls sicher, dass der "Inititiative zur Schaffung französischer Verhältnisse" -- auch sie war mit einem heftig umstrittenen Transparent vertreten -- noch viel Arbeit bleibt.

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Mal wieder: Kein Blut für Öl (21.2.98)

Ein wenig verloren im Einkaufsrummel haben sich doch eine Handvoll Leute zur Kundgebung versammelt.

Kofi hin, Annan her: Nur wenige glauben, dass sich die USA noch davon abbringen lassen werden, erneut "chirurgische Eingriffe" im Irak vorzunehmen. Und auch wenn sich der UN-Sicherheitsrat diesmal nicht ganz so klar äußert und die Koalition "des Westens" nicht ganz so breit ist wie vor sieben Jahren, so besteht doch recht weitgehender Konsens, dass Hussein zum einen Massenvernichtungswaffen herstellen lässt und er zum anderen daran gehindert werden muss, "wenn es ein muss", mit Waffengewalt.

Zu Zeiten des zweiten Golfkriegs entdeckten überraschend viele Menschen starke pazifistische Sentimente in sich, und die Folge waren damals Schweigekreise und Demos allenthalben. So weit ist es heute noch nicht, gerade mal 50 Menschen kamen zu einer Kundgebung "gegen ein Bombardement des Irak", die ein geschwind geschmiedetes Bündnis gegen einen neuen Golfkrieg -- rund 20 Heidelberger Basisgruppen beteiligen sich -- heute am Bunsenplatz abhielt; immerhin ließen sich trotz erheblicher Probleme mit der Varanstaltungstechnik ein paar der samstäglichen EinkaufsbummlerInnen zum Stehenbleiben bringen, was dann zeitweise doch für sichtbare Menschenmengen rund um den Infotisch sorgte. Sie konnten sich drei Reden anhören,

Apres Polit in der Sonne.
die in etwa das zum Ausdruck brachten, was in Prosa in einem Papier der Graswurzelrevolution nachzulesen ist. Zum Ende der Veranstaltung sprach spontan ein Veteran des Vietnamkriegs über den Widerstand gegen einen neuen Krieg und machte deutlich, dass zumindest die Armee der USA auch Einzelfälle hat, die zu klaren Gedanken fähig sind.

Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Betroffenheit wieder erst dann richtig groß wird, wenn "unsere Jungs" längst ihre Bomben fallen lassen, oder ob diesmal schon im Vorfeld nennenswerter Widerstand gegen einen neuen gerechten (heiligen?) Krieg und die "Wahrnehmung der internationalen Verantwortung" der Bundesregierung dafür sorgt, dass es gar nicht dazu kommt.

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Facelifting (22.2.98)

Der UNiMUT hat ein neues und etwas einheitlicheres Gesicht bekommen. Da ich die Umwandlerei größtenteils vom Rechner erledigen ließ, kann es sein, dass ein paar Sachen nicht funktionieren (oder mit dem lynx ziemlich doof aussehen). Wer da etwas sieht, möchte mir doch bitte Bescheid sagen. Ausserdem habe ich die Gelegenheit genutzt, noch etwas mehr Hi-Tech hinter die Kulissen zu bringen. Das Suchen sollte jetzt etwas besser gehen (dafür ist die Kontext-Anzeige nicht mehr so schön), und mensch kann im HTML-Archiv vor- und zurückblättern. Bei der Gelegenheit würde sich einem engagierten Menschen eine mittlere Aufgabe stellen: Für die meisten UNiMUTe, die jetzt im ASCII-Archiv eine traurige Existenz fristen, existieren im ZFB noch Quellen (also Word-Dateien). An zwei oder drei Nachmittagen könnten die ins moderne Quellformat konvertiert werden (das ist wirklich nicht schwierig, geht aber nicht vollständig maschinell, weil ein paar Schritte verlangen, dass mensch den Inhalt ansieht). Wer sich berufen fühlt maile ebenfalls mir.

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150 Jahre Kommunistisches Manifest (24.2.98)

Heute vor 150 Jahren veröffentlichten Karl Marx und Friedrich Engels ihr Kommunistisches Manifest. Auch nach dem allseits verkündeten "Ende des Sozialismus" ist dies selbst für die breite Öffentlichkeit noch ein durchaus erwähnenswertes Ereignis -- die Bedeutung des Kommunistischen Manifests mag mensch schon aus dem Umstand ablesen, dass es zu den ersten ursprünglich deutschsprachigen Texten gehörte, die das Project Gutenberg in seine Archive aufnahm (z.B. vom UK-Mirror).

Unser Heidelberger Theologie-Dozent Klaus Berger etwa, auch von studentischer Seite geschätzt als Autor der alljährlichen Nikolausvorlesungen, kritisiert zum Jubiläum in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (kein Link, da deren Webangebot ziemlich langweilig ist...) einen Artikel des US-Philosophen Richard Rorty, der ebenfalls in der FAZ erschienen ist. Rorty hatte, da mensch offenbar jenseits des Atlantiks schon wieder etwas entspannter mit Marx umgehen kann, "der Jugend" Bibel wie Manifest zur Lektüre empfohlen, was weder Berger noch FAZ so nicht stehen lassen konnten. Bergers Fazit:

Marx und Engels haben christliche Theologie studiert. Es ist daher recht gut erkennbar, woher sie ihre Ideale der Brüderlichkeit nehmen. Sie möchten sie ohne Gott verwirklichen. Die Geschichte ihrer Ideen, die sie freilich nicht im ganzen selbst zu verantworten haben, zeigt, was diese scheinbar nebensächliche Kleinigkeit bedeutet hat. Was sie entwickelt haben, war gnadenlos säkularisiertes Christentum. Wie bei allen Nachahmungen der Weltgeschichte werden die Fehler übernommen, aber die Tugenden übersehen. In diesem Sinne gilt: Christentum und Kommunismus sind nicht zwei gleichartige Sekten, sondern Original und schlechte Kopie.

Man kann das Gedankenexperiment machen, sich alles Christliche aus dem Bild unserer Städte, aus der Sozialversorgung und unserer ganzen Kultur wegzudenken. Nicht allzuviel bliebe übrig. Man kann versuchen, sich das Kommunistische Manifest aus der Geschichte unserer Welt wegzudenken. Das wäre wohl ein Albtraum weniger.

Nun muss der Redakteur sagen, dass die Welt ohne Inquisition, Hexenverfolgung, wild um sich schießende Evangelikale, senile Päpste und ähnliche Folgen gottesinspirierter Brüderlichkeit auch ein paar Alpträume loswäre -- aber darum geht es nicht.

Denn bei aller Häme, der sich das Papier nach 150 Jahren entgegensieht: Sein erster Satz ist zeitlos und zumindest strukturell immer wieder neu anzupassen. "Ein Gespenst geht um in Europa -- das Gespenst des Neoliberalismus", würde mensch heute schreiben. Manifeste jedoch, die das beschwören -- jüngst wieder das MAI, kommen selten an die Öffentlichkeit, reden überhaupt nicht von Brüderlichkeit, ob mit Gott oder ohne, und literarischen Wert haben sie schon gleich gar nicht.

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Erzeugt am 24.02.1998

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